Freitag, 26. April 2024

Archiv

Fußball-Bundesliga
Fehlentscheidungen sorgen für Schiedsrichter-Debatte

Seit einer Woche steht der FC Bayern München als deutscher Fußball-Meister fest. Aber immer noch wirken die Vorkommnisse aus der Partie nach, denn die Dortmunder fühlen sich von den Schiedsrichtern benachteiligt. Die Folge ist eine Schiedsrichter-Diskussion.

Von Daniel Theweleit | 01.05.2022
Dortmunds Trainer Marco Rose ließ seinem Ärger nach der 1:3-Niederlage in München bei Sky freien Lauf: "Was soll ich sagen, es ist ein absolutes Spitzenspiel, es geht um eine Menge, es geht um Renommee, es geht um Bayern gegen Dortmund und dann erwarte ich einfach, dass die Dinge auch anständig geregelt werden, und wenn das heute wieder nicht der Fall war, dann muss ich sagen: Hut ab!"

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Dass auch in mehreren anderen Stadien fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen getroffen wurden, schürte die Emotionen weiter, Experten tobten. Stefan Effenberg sagte im Fernsehen bei Sport 1: "Das zu übersehen und das Spiel weiter laufen zu lassen, das ist für mich ein Skandal!"

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Drees: VAR ein Erfolg

Auch Jochen Drees, der beim DFB das Videoschiedsrichterprojekt leitet, räumt den Fehler von München offen ein. Insgesamt ist er aber recht zufrieden mit der Arbeit der Videoassistenten. "Wenn man jetzt auf das letzte Wochenende zurückblickt, dann haben wir im Prinzip acht relevante Situationen, die den Videoassistenten betreffen, von denen wir fachlich einschätzen, dass sie sieben korrekt gelöst worden sind, also wo in sieben Fällen das System Videoassistenten funktioniert hat.“
Mit Ausnahme des Fouls in München. Umstrittene Szenen gab es aber dennoch weitere. Ein Strafstoß in Freiburg beispielsweise widersprach zwar dem Gerechtigkeitsgefühl von Spielern, Trainern und Fans, müsse aber aufgrund der Vorgaben des internationalen Regelgremiums IFAB genauso gepfiffen werden, sagt Drees.
Es mag sich für viele Zuschauer und auch für die Protagonisten in den Klubs anders anfühlen, aber sei die Einführung des Videobeweises ein großer Erfolg findet der Schiedsrichterfunktionär. Es gebe in dieser Saison, „über 90 korrigierte Fehler, die auf dem Feld entstanden sind. Es gibt heutzutage faktisch gesehen keine Abseits-Tore mehr. Wir haben keine Tätlichkeiten mehr im Rücken vom Schiedsrichter, und wir haben auch diese ganz klassischen Schwalben von früher nicht mehr.“

Drees wirbt für Verständnis

Die Videoassistenten schaffen es zudem immer besser, wirklich nur im Falle gravierender Fehlentscheidungen einzugreifen. Trotzdem sei es schwer auszuhalten, vermutet Drees, dass trotz aller technischer Hilfsmittel Fehler passieren. Nach dem Hinspielsieg der Bayern in Dortmund hatte unter anderem BVB-Profi Jude Bellingham verschwörerische Andeutungen gemacht.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Video-Schiri-Chef Drees wirbt für Verständnis bei menschlichen Fehlern: "Ja, da gibt es immer Verbesserungsbedarf. Und da ist natürlich die menschliche Komponente, also sprich: Wer ist dazu in der Lage, wer von denjenigen, die diese Rolle ausüben, kann das denn am besten? Und das versuchen wir immer zu identifizieren und entsprechend auch die Leute so zum Einsatz zu bringen.“

Urs Meier seht Defizite bei Schiedsrichtern

In den Augen des ehemaligen Schweizer Weltklasseschiedsrichters Urs Meier, der in der aktuellen Debatte von manch einem Experten als neuer DFB-Schiedsrichter-Chef ins Spiel gebracht wurde gibt es ein besonders großes Defizit bei den Schiedsrichtern: "Das Problem ist ja oft, dass wir viele Schiedsrichter haben, die haben das Gefühl nicht. Die sind zu weit weg vom: Was ist eine natürliche Handbewegung, was ist eine unnatürliche Handbewegung. Das spüren die nicht mehr, weil sie es selber nicht erlebt haben, weil sie vielleicht nicht selber richtig Fußball gespielt haben, weil sie noch nie in ein Slidetackling gegangen sind. Und das heißt, du musst mit den Schiedsrichtern in genau diesem Bereich üben. Das heißt, Du musst diese Situationen nachspielen lassen. Sie müssen selber mal in ein Slidetackling gehen."
Die Fehler können jenseits der Pauschalkritik an den „Kölner Keller“ nämlich ganz unterschiedlichen Quellen entspringen: Manchmal übersehen die Videoassistenten einfach klare Verstöße. In einem Regelwerk voller Grauzonen lässt es sich außerdem kaum vermeiden, dass die Unparteiischen unterschiedlich einschätzen, ob ein Fehler eindeutig genug war, um einzugreifen. Und nicht zuletzt haben einige Schiedsrichter Schwächen beim Beurteilen von komplexen Bewegungsabläufen, wie auch Jochen Drees einräumt.
Vor Urs Meiers Idee, die Spieleiter harte Zweikämpfe führen zu lassen, hätte er zwar "Angst vor, weil dann hätten wir an jedem Wochenende so viele Verletzte, wenn wir das in der Woche über trainieren würden oder testen würden, das würde ich lieber nicht machen. Aber das was tatsächlich absolut Sinn macht, ist sich mit Bewegungsabläufen auseinanderzusetzen“

Handspielregel bleibt ein Ärgernis

Genau das wünscht sich Drees im Übrigen auch vom internationalen Regelgremium IFAB. Vor allem die Handspielregel bleibt ein Ärgernis. Bis zum vergangenen Sommer wurde zuallererst nach vergrößerten Körperflächen oder T-Shirt-Linien am Oberarm und nicht nach der Bewegung geschaut. Das führte zu zahlreichen Elfmeterpfiffen, die eher durch Zufall als durch einen vorsätzlichen Regelbruch zu Stande kamen.
Seit der laufenden Saison sollen die Schiedsrichter wieder verstärkt auf die Absicht der Spieler schauen, Drees sagt jedoch: "Das ist, was ich meine, wo wir uns noch weiterbewegen müssen, wo wir noch auch abgleichen müssen mit der Erwartung, die die Öffentlichkeit in dieser Auslegung hat, aber die auch die betreffenden Spieler und Vereine, wie wir denn uns im Thema Handspiel bewegen wollen. Ich finde, dass der Weg gut ist, den jetzt das IFAB beschritten hat, und das sehen wir in den Zahlen, , dass die Schiedsrichter Strafrausituationen im überwiegenden Maße als nicht strafbar eingeordnet werden. Das hat sich verändert im Vergleich zur letzten Saison."
Und kann weiter perfektioniert werden. In den Fankurven und an den Stammtischen werden solche kleinen Verbesserungen aber kaum wahrgenommen. Weil immer noch zu viele Fehler passieren. Und vielleicht auch weil der Ärger über die Schiedsrichter einfach eine viel zu wichtige Empfindung ist im großen Kosmos der Fußballemotionen.