
Merz sagte, die nächtliche Aktion sei Teil einer langen Reihe von Provokationen an der Ostflanke der NATO und in der Ostseeregion. Russland habe Menschenleben in einem Staat gefährdet, welcher der NATO und der EU angehöre, sagte Merz. Es sei gut, dass Polen zusammen mit den NATO-Verbündeten diese Gefahr habe rechtzeitig erkennen und ausräumen können. Auch Verteidigungsminister Pistorius sprach von einer gezielten Provokation gegen die NATO. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass dies aus Versehen geschehen sei, sagte der SPD-Politiker in Berlin.
Die EU-Außenbeauftragte Kallas forderte eine entschlossene Reaktion der Europäischen Union. Als Beispiel nannte sie weitere Sanktionen gegen Russland, die bereits in Planung seien. Der ukrainische Präsident Selenskyj sprach von einem ernsten Präzedenzfall für Europa. Er bekräftigte zudem seine Forderung nach einer gemeinsamen Luftabwehr der Ukraine und ihrer europäischen Verbündeten. Großbritannien prüft derweil Möglichkeiten, die NATO-Luftabwehr über Polen zu verstärken, wie der britische Verteidigungsminister Healey mitteilte.
Warschau beantragt NATO-Konsultationen nach Artikel 4
Die polnische Regierung hat nach dem Abschuss von mehreren Drohnen Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrags beantragt. Der Artikel sieht Beratungen mit den Verbündeten vor, wenn sich ein NATO-Staat von außen gefährdet sieht.
Nach polnischen Angaben waren in der Nacht mindestens 19 russische Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen, ein Großteil von Belarus aus, das mit Russland verbündet ist. Drei der Drohnen seien abgeschossen worden. Polens Regierungschef Tusk sprach von einer groß angelegten russischen Provokation.
NATO-Generalsekretär Rutte erklärte, unabhängig davon, ob es sich um eine absichtliche Verletzung des Luftraums handele oder nicht, sei Russlands Verhalten "absolut rücksichtslos" und "absolut gefährlich". Zugleich betonte er, die vergangene Nacht habe gezeigt, dass die NATO ihr Gebiet und ihren Luftraum verteidigen könne. Neben polnischen und niederländischen Kampfflugzeugen seien auch italienische AWACS-Überwachungsflugzeuge, Luftbetankungsflugzeuge sowie deutsche Patriot-Luftabwehreinheiten im Einsatz oder in Alarmbereitschaft gewesen.
Russland weist Vorwürfe zurück
Russland hat gezielte Drohnenangriffe auf Polen bestritten. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, es habe nicht die Absicht bestanden, Ziele auf polnischem Staatsgebiet zu attackieren. Man habe in der Nacht Angriffe im Westen der Ukraine durchgeführt. Weiter hieß es, man sei zu Beratungen mit dem polnischen Verteidigungsministerium bereit.
Die belarussische Armee teilte mit, sie habe in der Nacht mehrere Drohnen abgeschossen, die durch elektronische Störmaßnahmen vom Kurs abgekommen seien.
Russland hatte in der Nacht erneut Angriffe auf die Ukraine geflogen, unter anderem auf die westukrainische Stadt Lwiw, die etwa 80 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt ist.
Zum achten Mal NATO-Beratungen nach Artikel 4
Artikel 4 des Nordatlantikvertrags sieht Konsultationen vor, wenn ein Alliierter seine Sicherheit und seine Gebietshoheit bedroht sieht. Bereits zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 waren auf Antrag mehrerer osteuropäischer Länder die Gesandten der Mitgliedsländer zu Konsultationen zusammengekommen. In der Geschichte des Bündnisses war das bisher sieben Mal der Fall. Artikel 5 des NATO-Vertrags regelt dagegen die Beistandsverpflichtung in der Allianz, wenn ein Mitglied angegriffen wird.
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Diese Nachricht wurde am 10.09.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.