EU und China
Beziehung zwischen Abhängigkeit und Konkurrenz

Das Verhältnis zwischen der EU und China schwankt zwischen wirtschaftlicher Partnerschaft und Rivalität. Zugleich drängt der Zollstreit mit den USA die EU dazu, engere Beziehungen mit der Großmacht China zu suchen - es wird eine schwierige Gratwanderung.

    Der chinesische Präsident Xi Jingping und EU-Kommisionspräsidentin Ursula von der Leyen geben sich vor dem Élysée Palast in Paris die Hand. Links von ihnen ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (r.) und Chinas Präsident Xi Jingping (Mitte) trafen sich im Mai 2024 in Paris. Knapp ein Jahr später zeigen sich sowohl die EU als auch China aufgrund des Zollstreits mit US-Präsident Trump offener für eine enge Zusammenarbeit. (picture alliance / POOL UNION EUROPEENNE / Hans Lucas)
    Vor rund 50 Jahren, am 6. Mai 1975, nahmen die EU und das sozialistische China diplomatische Beziehungen auf. Damit bekamen sowohl China als auch die Mitgliedstaaten der EU Zugang zu neuen Märkten. Heute, 50 Jahre später, beträgt das Handelsvolumen zwischen den beiden Gemeinschaften 800 Milliarden Dollar, fast so viel wie das von der EU mit den USA.
    China hat den Weltmarkt im Sturm erobert, doch das Land drängt inzwischen immer weiter in europäische Schlüsselmärkte wie die Automobilbranche, Solarenergie und Pharmaindustrie vor. Das belastete in den vergangenen Jahren das Verhältnis zwischen beiden Seiten. Seit Ausbruch des Handelskonflikts unter US-Präsident Donald Trump sucht die EU nun wieder mehr die Nähe zur chinesischen Führungsspitze.
    Welche Strategie braucht die EU bei der Zusammenarbeit mit China?

    Inhalt

    Schwieriges Verhältnis der EU zu Chinas Autokratie

    Mitten im Kalten Krieg galt die neu geknüpfte Partnerschaft mit dem kommunistischen China vor 50 Jahren noch als Meilenstein. Die Europäische Union, damals bestehend aus neun Mitgliedsländern, hatte dabei vor allem wirtschaftliche Interessen. Dass das kommunistische und wirtschaftlich verschlossene China sich 1975 öffnete, war eine erhebliche Wende in den diplomatischen Beziehungen, die teils umstritten war. Dennoch erhoffte man sich gute Handelsbeziehungen.
    Heute ist die EU auf 27 Mitgliedsstaaten angewachsen und China ist zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen. Die Beziehungen zwischen der China und EU stehen in einem Spannungsverhältnis, bedingt durch die Unterschiede im politischen System. Die Volksrepublik China wird autokratisch regiert. Das Land unter der Führung von Staatspräsident Xi Jingping steht wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik oder weil Taiwan nicht als unabhängiger Staat anerkannt wird. Zudem unterstützt China Moskau im Krieg gegen die Ukraine.
    Auch in anderen Bereichen gibt es Konflikte und etwa den Verdacht, dass chinesische Technik genutzt werden könnte, um europäische Staaten auszuspionieren. Die Europäische Kommission hat bereits die chinesischen Telekommunikationsunternehmen Huawei und ZTE als Sicherheitsrisiko für die EU eingestuft. Kürzlich wurde bekannt, dass Lobbyisten des chinesischen Technikkonzerns Huawei EU-Abgeordnete bestochen haben sollen.

    Streit wegen der Handelsbedingungen

    Hinzu kommt, dass die strengen staatlichen Regulierungen in China den Handel für europäische Firmen beeinträchtigen. Es sei schwierig, dort Grund und Boden zu erwerben oder Autos, Maschinen oder Pharmaprodukte zu verkaufen, sagt Engin Eroglu, Leiter der Chinadelegation im EU-Parlament.
    Konfliktreich ist auch der Fall Temu, eine Online-Plattform, über die Käufer aus Europa chinesische T-Shirts, Taschenlampen oder Putztücher besonders günstig direkt beim Hersteller bestellen können. Weil Einfuhren in die EU bis zu 150 Euro zollfrei sind, werden Zoll- oder Sicherheitsvorschriften dabei elegant umgangen. Die EU überlegt, eine Zollabgabe auch bei günstigeren Produkten zu verlangen.
    Das sind nur einige Gründe, warum das Verhältnis zwischen China und der EU seit Jahren angespannt.

    China setzt europäische Schlüsselindustrien unter Druck

    Chinas Staats- und Parteiführung fährt seit einigen Jahren die Strategie, die unter dem Namen „Made in China 2025“ bekannt ist: Die Volksrepublik hatte sich damit vorgenommen, nicht mehr nur Weltfabrik zu sein, sondern selbst Innovationen voranzutreiben. Tatsächlich ist das Land inzwischen in vielen Branchen zum Technologieführer geworden. Die Digitalisierung ist so weit fortgeschritten, dass Straßenhändler in Shanghai mit dem Handy bezahlt werden können und Elektroautos das Stadtbild prägen.
    Doch aus europäischer Sicht hat der wirtschaftliche Aufstieg Chinas einige erhebliche Schattenseiten: Branchen, die ursprünglich als europäische Schlüsselindustrien galten, werden immer stärker von der chinesischen Konkurrenz unter Druck gesetzt. Das gilt etwa für die Solarindustrie, die einst als deutsche Pionierbranche galt. Viele kleine Firmen wurden von den hochsubventionierten chinesischen Firmen aus dem Markt gedrängt, Experten verließen Europa. „Wir haben nicht vergessen, wie Chinas unfaire Handelspraktiken unsere Solarindustrie getroffen hat“, mahnte die  EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
    China mischt zunehmend auch den Markt für Elektroautos auf. Um der europäischen Automobilindustrie ein ähnliches Schicksal wie der Solarindustrie zu ersparen, erhebt die EU seit Oktober 2024 Strafzölle auf chinesische E-Autos von bis zu 35 Prozent für einen Zeitraum von fünf Jahren.
    Chinas Wirtschaftspolitik hat noch andere weitreichende Folgen: Ein großer Teil der Produktion in EU-Mitgliedstaaten von Technologien wie Batterietechnik oder Robotik ist abhängig von Rohstoffen wie Kobalt, Silizium, Seltenen Erden, die aus Ländern wie China importiert werden. Chinas wirtschaftspolitische Strategie führt dazu, dass einerseits die europäische Abhängigkeit von diesen Importen immer größer wird. China selbst macht sich aber immer unabhängiger von Technologien aus der EU, mit der Folge, dass Absatzmärkte für europäische Unternehmen einbrechen könnten.
    Dieses wachsende Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen bereitet Brüssel Sorge. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verfolgt deshalb eine Strategie, die sich „De-Risking“ nennt: Die Idee dahinter war, sich nicht wie bei Russland abzukoppeln, sondern Risiken zu minimieren.

    Zollstreit zwischen EU und USA – zum Vorteil Chinas?

    Aufgrund des Handelsstreits mit US-Präsident Donald Trump stellt sich die EU derzeit darauf ein, unabhängiger von den USA zu werden und stärker auf China zuzugehen. Denn sowohl die EU als auch China befinden sich mitten in einem Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten. Anfang April verhängte Trump unter anderem einen allgemeinen Zollsatz von 20 Prozent auf Waren aus der EU, den er kurz darauf auf zehn Prozent halbierte. Außerdem werden Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumwaren sowie Autos fällig.
    Wenige Tage nachdem Trump seine Zölle angekündigt hatte, telefonierte von der Leyen mit dem chinesischen Premier Li Qiang. Angesichts der weitreichenden Störungen durch die US-Zölle betonte die EU-Kommissionspräsidentin die Verantwortung Europas und Chinas, ein starkes und reformiertes Handelssystem zwischen den beiden Märkten zu unterstützen. Auch Chinas Präsident Xi Jinping erklärte sich zu einer engeren Zusammenarbeit bereit.
    Wie die Handelsbeziehung zwischen der EU und China ausgeglichener werden können, ist bislang noch unklar. Doch Wirtschaftsexperten sind der Ansicht, dass die EU ihre Interessen künftig strategischer verfolgen muss. In den vergangenen Jahrzehnten habe nicht nur China vom europäischen Know-How profitiert, auch europäische Firmen hätten von den chinesischen Absatzmärkten und vom Technologietransfer profitiert, sagt Maximilian Butek von der Deutschen Außenhandelskammer in Shanghai. Künftig komme es darauf an, den wissenschaftlichen Technologietransfer in europäische Unternehmen zu übersetzen.
    Ein wichtiger Schritt dazu könnte das bald in Kraft tretende KI-Gesetz sein. Es soll Anwendungen von Künstlicher Intelligenz in Europa vereinfachen und die EU unabhängiger von chinesischen und US-amerikanischen Unternehmen zu machen.
    Im Bereich der Erneuerbaren Energien sehen Klimaexperten aussichtsreiche Kooperationsmöglichkeiten, von denen sich europäische Unternehmen eine Scheibe abschneiden könnten: China hat zuletzt so viel wie kein anderes Land in diesen Bereich investiert und so auch das Wachstum angekurbelt.

    tan