Die Führung in Peking betrachtet Taiwan mit seinen gut 23 Millionen Einwohnern als Teil der Volksrepublik China. Das klare Ziel: der Anschluss der demokratisch regierten Insel an das chinesische Staatsgebiet – wenn nötig auch mit militärischen Mitteln. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wächst die Sorge, dass auch China mit einer Invasion gegen Taiwan vorgehen könnte.
Für internationale Kritik in dem anhaltenden Konflikt sorgte Anfang April 2023 eine Äußerung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron unmittelbar nach seiner Chinareise mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
In einem Zeitungsinterview sagte Macron: „Die Frage, die wir als Europäer beantworten müssen, ist die Folgende: Liegt es in unserem Interesse, (eine Krise) bei Taiwan zu beschleunigen?“ Macron verneinte und warnte die Europäische Union vor dem Einfluss einer „US-Agenda“ und einer „chinesischen Überreaktion“. Damit fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine eigenständige Position der EU im Konflikt zwischen China und den USA zu Taiwan.
Zeitgleich hatte China ein Flottenmanöver abgehalten, bei dem die Blockade von Taiwan geübt wurde. Die Militärübung galt als eine Reaktion auf einen Treffen der Präsidentin von Taiwan, Tsai Ing-wen, mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, in den USA.
Welche Reaktionen gibt es auf Macrons Äußerung?
Mit scharfer Kritik haben SPD, FDP und CDU auf Macrons Äußerungen reagiert. Das sei eine „völlige Fehlbeschreibung der Situation“, sagte Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) im Deutschlandfunk: „Es geht darum, ob in Taiwan Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung weiter gelten, oder ob wir China mitteilen: Wenn ihr dieses freie, demokratische Land angreift, dann interessiert uns das nicht. Das ist gerade eine Einladung an China, das zu tun.“
Wenn es zu einem Krieg zwischen China und Taiwan kommen sollte, so Röttgen, wäre das ein „geopolitischer Konflikt erster Klasse“, aus dem sich Europa nicht heraushalten könne. Er hätte tiefgreifende Auswirkungen, daher müsse man alles tun, um diesen „Aggressionsakt“ zu verhindern, sagte Röttgen. Macrons Rhetorik würde eine Spaltung der europäischen Partner und Partnerinnen Vorschub leisten. Chinas Parteichef Xi Jinping habe wiederum Erfolg mit seiner Propaganda gehabt, so der Vorwurf des CDU-Außenpolitikers.
Auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, kritisierte Macron scharf. Wer für Freiheit und Demokratie eintrete, sei kein Mitläufer. So mache sich die EU unglaubwürdig, "wenn man einerseits Souveränität für Europa einfordert und dann jeden Wirtschaftsdeal mit China abschließt, den man kriegen kann“. Mit solch einer Haltung werde die chinesische Führung die Europäer nicht respektieren, meinte der EVP-Vorsitzende.
Taiwan appellierte an Frankreich, nicht von seiner Unterstützung für Taipeh abzurücken. Der offizielle taiwanische Vertreter in Paris, Chihchung Wu, sagte: "Taiwan braucht Frankreich."
Welchen Hintergrund hat das chinesische Militärmanöver?
Anfang April hat China in einem Militärmanöver die Abriegelung Taiwans geprobt: Aus Sicht Pekings ist dies eine Reaktion auf die US-Reise der Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-wen. Die Militärübungen seien „eine ernste Warnung vor dem Zusammenspiel und der Provokation der separatistischen Unabhängigkeitskräfte Taiwans und auswärtiger Mächte“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Kabinettsbüros für Taiwan-Angelegenheiten.
In der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh selbst zeigten sich viele Menschen von der chinesischen Machtdemonstration durch das Militärmanöver wenig beeindruckt. Man erlebe so etwas seit Jahren und kenne solche Situationen, hieß es. Im taiwanischen Verteidigungsministerium war man wiederum sehr besorgt, für die Streitkräfte galt Alarmstufe rot (Red Alert), und man beobachte weiter, was passieren werde, so offizielle Stellen. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb Präsidentin Tsai Ing-wen, es sei unverantwortlich, was China dort tue.
Die US-Regierung kritisierte die Militärübung und betonte, sie stehe an der Seite Taiwans. Erneut wurden weitere amerikanische Waffenlieferungen an Taiwan zugesagt.
Während des Manövers übte das chinesische Militär, die Insel Taiwan einzukesseln, abzuschotten und Angriffe auf das Land vorzunehmen. Im Ernstfall einer Invasion könnte China genauso vorgehen, daher entfalte dieses Militärmanöver auch ein großes Droh- und Eskalationspotenzial.
Warum ist Taiwan für China so wichtig?
Die Volksrepublik China erhebt Anspruch auf die demokratische Inselrepublik Taiwan, weil sie eine besondere Bedeutung für die Kommunistische Partei hat. Die Staatsführung betrachtet den Anschluss Taiwans, den sie als "Wiedervereinigung" tituliert, als Teil des "Chinesischen Traums". So erklärte Xi Jinping 2019, dass "auf dem Weg zum Wiedererstarken des chinesischen Volkes" die taiwanesischen Landsleute nicht fehlen dürften. Er droht mit einer gewaltsamen Eroberung, sollte ein friedlicher Anschluss nicht gelingen.
Neben der historischen Bedeutung nimmt Taiwan für das Land aber auch eine geostrategisch wichtige Lage ein. China will seine militärische Macht und Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer weiter ausbauen. Es geht dabei auch um den Schutz der wirtschaftlich bedeutsamen Küstenregion. Die Lage Taiwans an wirtschaftlich wichtigen Meeresstraßen ist dabei für China von enormer Bedeutung.
Welche Rolle spielen die USA?
Das Großmachtstreben Chinas ist den USA schon lange ein Dorn im Auge. Das Südchinesische Meer und die Taiwanstraße sind wichtige Routen für den Welthandel und für den Wohlstand in den USA, Japan und Europa.
Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet und unterstützen Taiwan seit langem mit Waffen. Anfang März 2023 hatte die US-Regierung einen geplanten Verkauf von Rüstungsgütern an Taiwan im Umfang von 619 Millionen US-Dollar (rund 566 Millionen Euro) genehmigt, im September 2022 Waffenexporte im Wert von 1,1 Milliarden Dollar.
Außenminister Antony Blinken hatte bereits im Mai 2022 in einer Grundsatzrede China als "die langfristig größte Herausforderung für die internationale Ordnung" bezeichnet. Die globale Ordnung müsse verteidigt werden, so die Worte des Chef-Diplomaten - vor allem mit internationalen Verträgen und Abkommen. Das Land sei unter Präsident Xi Jinping "zu Hause repressiver und im Ausland aggressiver" geworden.
Als Reaktion auf den zunehmenden Druck aus China haben die USA unter Präsident Joe Biden ein Bündnis im indo-pazifischen Raum ins Leben gerufen – das sogenannte Quad, ein informelles Viererbündnis von USA, Indien, Japan und Australien. Den Bündnispartnern ist gemein, dass sie China als potenzielle Bedrohung ansehen. Auch die Entwicklungen in Hongkong und der Druck auf Taiwan spielen dabei eine Rolle. Die aggressive Außenpolitik Chinas gegenüber Taiwan ist das offensichtlichste Element der imperialen chinesischen Politik – und das gefährlichste.
Welchen Status hat Taiwan?
Taiwan heißt offiziell Republik China – im Unterschied zur kommunistischen Volksrepublik China. Das Land wird von den meisten Staaten nicht als souveräner Staat anerkannt – auch von Deutschland nicht. Es ist auch kein Mitglied der Vereinten Nationen. Dort ist die Volksrepublik China Mitglied, die Anspruch auf das gesamte chinesische Festland mit Hongkong, Macao und Taiwan erhebt (Ein-China-Politik). Taiwan versteht sich selbst als unabhängig, wird demokratisch regiert und pflegt zahlreiche Handelsbeziehungen nach Europa und in die USA. Viele Einwohner fürchten, dass ihnen ein ähnliches Schicksal droht wie Hongkong und sehen ihre Existenz als demokratische Inselrepublik bedroht. Ein Anschluss an China wird mehrheitlich abgelehnt.
Die internationale diplomatische Isolation von Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern begann 1971. Damals verlor Taiwan seine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen, wo es ganz China vertreten hatte. Nach Abstimmung in der Vollversammlung wurde die Vertretung Chinas an die Volksrepublik China übertragen. Die de facto zwei chinesischen Staaten gibt es schon seit 1949. Nach Ende des Kaiserreichs wurde 1912 zunächst die Republik China auf dem Festland gegründet. Die Insel Taiwan gehörte ab 1945 dazu, zuvor stand sie noch unter japanischer Herrschaft.
Ab 1927 herrschte aber Bürgerkrieg um die Führung in China. Die nationalchinesischen Kuomintang unter Chiang Kai-shek kämpften gegen die Kommunisten unter Mao Zedong. Nach der Niederlage gegen die Kommunisten 1949 flohen viele Kuomintag auf die Insel Taiwan. Währenddessen gründeten die Kommunisten auf dem Festland die Volksrepublik China. Die Republik China reduzierte sich damit weitgehend auf die Insel Taiwan, sie vertrat China aber weiterhin bei den Vereinten Nationen – bis immer mehr Staaten ihre diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik ausbauten und zu Taiwan abbrachen und Taiwan seine Mitgliedschaft schließlich an die Volksrepublik abgeben musste.
Quellen: Steffen Wurzel, Udo Schmidt, Dlf, AFP, dpa, Reuters