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Chinas Rolle in Argentinien
Der große Geldgeber

China ist in den letzten Jahren zum größten Geldgeber Argentiniens aufgestiegen. Der liberalkonservative Präsident Mauricio Macri wollte eigentlich weg von dieser starken Abhängigkeit. Doch nach gut einem Jahr im Amt und der Wahl von Donald Trump in den USA zeigt sich, dass kaum ein Weg an China vorbeiführt. Doch viele Projekte sind umstritten – gesellschaftlich, politisch und auch ökologisch.

Von Aglaia Dane | 06.04.2017
    Auf dem G20-Gipfel in Hangzhou: Argentiniens Präsident Mauricio Macri und Chinas Staatspräsident Xi Jinping
    Argentiniens ehemalige Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner bei Präsident Xi Jinping in China (Februar 2015) - unter ihr ist China zum Geldgeber aufgestiegen. (dpa / picture alliance / Lintao Zhang )
    Eine der größten Touristen-Attraktionen Argentiniens ist ein ächzender und raunender Gletscher. Der Perito Moreno im Süden des Landes, ein leuchtend-weißes Feld aus Eis, mehrere Kilometer lang und breit. Am Ende der Gletscherzunge brechen immer wieder riesige Eisbrocken ab und fallen in den See, den das Schmelzwasser gebildet hat.
    Dieses Spektakel, das Krachen und Donnern, die Anden im Hintergrund, davor der türkis-leuchtende Lago Argentino, zieht jedes Jahr Hunderttausende Touristen nach Patagonien, in den Süden Argentiniens. Dieser und die anderen Gletscher im Nationalpark aber sind in Gefahr. In erster Linie ist es der Klimawandel, der dazu führt, dass die Gletscher seit Jahren zurückgehen. Jetzt kommt möglicherweise eine neue Bedrohung dazu: Zwei Staudämme mit Wasserkraftwerken, die ungefähr 200 Kilometer entfernt von hier entstehen sollen. Es ist ein Mega-Projekt am Rio Santa Cruz, dem Gletscherfluss, der durch das Schmelzwasser des Perito Moreno gespeist wird.
    Der Gletscher Perito Moreno in Argentinien
    Der Gletscher Perito Moreno in Argentinien (Deutschlandradio / Aglaia Dane)
    Viele Mitarbeiter im Gletscher-Nationalpark sind gegen die Kraftwerke - zum Beispiel Paula Prodromos. Sie führt gerade eine spanische Reisegruppe um den Perito Moreno herum.
    "Mich macht das so traurig! Denn die Kraftwerke werden uns nichts bringen. Wir sind wirklich keine Öko-Extremisten, die Fortschritt kompromisslos ablehnen. Aber auf lange Sicht, da bin ich sicher, machen wir mit Tourismus mehr Geld als mit den Wasserkraftwerken."
    Das Projekt bedeutet massive Eingriffe in die Natur
    Die Provinzregierung von Santa Cruz und viele Politiker in der Hauptstadt Buenos Aires sind da anderer Meinung. Sie versprechen: mehr Strom, Tausende Jobs für den Bau der Dämme und den Startschuss für eine Industrialisierung der Region. Der Traum aller Santacruzenos, so nennt die Provinz das Projekt auf Werbebroschüren. Die Gegner wenden ein, dass für diesen angeblichen Traum massiv in die Umwelt eingegriffen wird: Der Gletscherfluss muss für die Zeit der Bauarbeiten umgeleitet werden, das natürliche Flussbett an dieser Stelle wird zerstört und der Flusspegel durch die Staudämme künstlich reguliert. Eine von der Baufirma in Auftrag gegebene Umwelt-Studie behauptet zwar, dass die ökologischen Risiken gering sind. Allerdings haben Umweltschützer und Aktivisten große Zweifel an der Aussagekraft und Unabhängigkeit der Studie.
    Der Fluss Santa Cruz in Argentinien
    Der Fluss Santa Cruz in Argentinien (Deutschlandradio / Aglaia Dane)
    Wäre der Río Santa Cruz irgendein Fluss, würde in Argentinien möglicherweise niemand darüber reden. Aber er ist einer der letzten unberührten Gletscherflüsse Lateinamerikas. 400 Kilometer lang schlängelt er sich durch die Einsamkeit Patagoniens und ist Lebensader für Menschen und Tiere. Und es ist eben auch der Fluss, der im Gletscher-Nationalpark entspringt. Wenn seine Pegelstände sich durch die Dämme stark verändern, könnte das aus Sicht von Ingenieuren, Umweltschützern und auch von Paula Prodromos den Perito Moreno beeinflussen.
    "Wenn die Kraftwerke tatsächlich gebaut werden, müssen wir mit den Folgen leben. Ich glaube, dass es wirklich schwer ist, das Projekt noch zu stoppen. Denn das ist echt ein großes Vorhaben – und mal ehrlich: Wir reden hier von China." (lacht)
    China ist das entscheidende Stichwort in der Diskussion um die Wasser-Kraftwerke. Denn die Volksrepublik ist Geldgeber, Bauherr und Antreiber. Chinesische Banken finanzieren das Fünf-Milliarden-Dollar-Projekt, eine Größenordnung fast wie beim Flughafen Berlin-Brandenburg. Zu dem Konsortium, das mit dem Bau beauftragt wurde, gehört die chinesische Gezhouba Group, die auch die Drei-Schluchten-Talsperre in China gebaut hat.
    Fußgänger gehen an einem Werbeplakat der China Gezhouba Group vorbei.
    Bauunternehmen Gezhouba Group China (dpa / picture alliance / Ga La)
    Und: Als die argentinische Regierung vor etwa anderthalb Jahren überlegt hatte, das Projekt zu stoppen, da war es die Volksrepublik, die diese Gedankenspiele schnell beendete. Maria Marta di Paolo hat das damals genau beobachtet. Sie ist Wirtschaftsexpertin bei der Umweltorganisation FARN in Buenos Aires.
    Präsident Macri wollte alle Verträge mit China überprüfen
    "Im Dezember 2015 gab es einen Regierungswechsel. Die neue Regierung von Mauricio Macri hatte sich vorgenommen, alle bestehenden Verträge mit China zu überprüfen. Und es gab tatsächlich auch die Überlegung, das Kraftwerksprojekt im Süden im Río Santa Cruz zu stoppen – wegen der möglichen Folgen für den Fluss und die Gletscher. Als das bekannt wurde, kam von China eine Nachricht an das zuständige Ministerium: Wir erinnern euch daran, dass es eine Cross-Default-Klausel gibt."
    Cross-Default bedeutet, dass die Kraftwerke vertraglich an ein anderes Projekt gekoppelt sind: die Modernisierung des Schienennetzes Belgrano Cargas. Es ist nach dem Kraftwerksbau das zweitgrößte chinesische Projekt in Argentinien und soll den landwirtschaftlich wichtigen Norden des Landes besser erschließen. Die Drohung aus China hatte Folgen: Die Pläne für den Bau der Kraftwerke wurden nicht gestoppt, sondern nur verändert: weniger Turbinen, weniger Leistung, weniger ökologische Risiken – angeblich. Für einige Argentinier zeigt dieses Beispiel, wie abhängig das Land inzwischen von China ist. Überspitzt formuliert: Wenn die Chinesen Kraftwerke bauen wollen, können nicht einmal unsere Gletscher sie stoppen.
    Argentinien suchte die Nähe zu China
    Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Die argentinische Wirtschafts- und Außenpolitik hat sich die letzten Jahre auf China fokussiert. Die ehemalige Präsidentin, Cristina Fernández de Kirchner, suchte die Nähe zu sozialistischen Regierungen - zu Hugo Chávez in Venezuela, Evo Morales in Bolivien und zu Xi Jinping in China.
    Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner trifft bei einem Chinabesuch Präsident Xi Jinping
    Argentiniens ehemalige Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner bei Präsident Xi Jinping in China (Februar 2015) - unter ihr ist China zum Geldgeber aufgestiegen. (dpa / picture alliance / Rolex Dela Pena)
    Kirchners erklärtes Ziel war, Argentiniens Industrie zu stärken. Deshalb setzte sie auf eine protektionistische Wirtschaftspolitik. Sie belegte ausländische Unternehmen mit aufwendigen Import-Vorgaben und ließ das Export-Geschäft staatlich streng kontrollieren. Und sie legte sich mit einer Gruppe von US-Investmentfonds – Holdouts genannt – an. Die forderten von Argentinien, Milliarden-Schulden aus der Zeit der Wirtschaftskrise 2001 zu begleichen. Kirchner weigerte sich, beschimpfte die US-Holdouts als "Geier-Fonds" und "Finanzterroristen" und zahlte nicht. Rating-Agenturen stuften das Land 2014 daraufhin als technisch zahlungsunfähig ein.
    Für den argentinischen Politikwissenschaftler Eduardo Daniel Oviedo von der Universität in Rosario war das ein Wendepunkt in den argentinisch-chinesischen Beziehungen.
    "Die Regierung von Cristina Kirchner hat Argentinien abhängig gemacht vom chinesischen Kapital. Denn sie hat Argentinien, in dem sie die Holdouts nicht ausbezahlt hat, international isoliert. Diese Finanzstreitereien haben Argentinien blockiert. Der einzige Zugang zu Kapital war China."
    Und China hat geliefert – und tut es bis heute. Die Volksrepublik finanziert, plant und betreibt aktuell eine Reihe von Großprojekten: Zwei Atomreaktoren in der Nähe von Buenos Aires, eine Weltraumbeobachtungsstation in der Provinz Neuquen, Lithium-Minen in Jujuy Modernisierung von Straßen, Schienen und Häfen – und natürlich die geplanten Wasserkraftwerke in Santa Cruz. Kein Land stellt Argentinien soll viel Geld zur Verfügung wie China.
    Undurchsichtige Verträge und geheime Verhandlungen
    Viele Projekte sind aber umstritten, manchmal, weil es ungeklärte Folgen für Umwelt oder Einwohner gibt, häufig Ureinwohner. Oft sind auch Intransparenz und Korruption ein Problem. Verhandlungen sind geheim verlaufen, Verträge verschwunden, Vertraute der Kirchner-Regierung haben auf dubiose Weise von den Geschäften mit den Chinesen profitiert. Das Staudammprojekt ist dafür ein Paradebeispiel, sagt die Umweltaktivistin di Paolo.
    "Da gab es sehr undurchsichtige Deals, zum Beispiel was die Überflutungsgebiete angeht. Das sind 47.000 Hektar. Diese Gebiete hat kurz vor Vertragsabschluss der Bauunternehmer und Kirchner-Gefährte Lázaro Báez gekauft. Kurze Zeit später war klar, dass die Kraftwerke gebaut und die Gebiete verstaatlicht werden."
    Die Folge: Baez hatte Anrecht auf Entschädigung. Er sitzt allerdings inzwischen wegen Korruption und Geldwäsche in anderen Fällen in Untersuchungshaft.
    Obwohl viele argentinisch-chinesische Projekte von Ungereimtheiten begleitet werden, gelten die Chinesen bei den linken Kirchneristen als Heilsbringer, die den Südamerikanern den Fortschritt finanzieren. Der Wirtschaftswissenschaftler Oviedo hält das für einen Irrtum.
    "Aus ökonomischer Sicht sind das keine Investitionen, es sind Kredite. Denn es sind keine chinesischen Firmen, die hier Projekte durchführen – auf eigene Rechnung und mit eigenem Risiko. Der Anteil der chinesischen Direktinvestitionen ist extrem niedrig. Wer hier investiert, ist der argentinische Staat, der sich Geld von China leiht und damit wiederum chinesische Firmen bezahlt."
    Ein für Argentinien zweischneidiges Modell. Einerseits bekommen die Südamerikaner Geld und Know-how aus China, um die Infrastruktur auszubauen, andererseits wachsen die Schulden und nur ein geringer Teil des investierten Geldes fließt in argentinische Firmen.
    Ähnlich sieht es beim Handel mit China aus – auch da hat sich ein für Argentinien problematisches Modell manifestiert. China importiert aus Argentinien nur Rohstoffe: Getreide, Metalle und vor allem Soja – inzwischen sogar nicht mal mehr das Öl, sondern nur noch die Bohne. Die Verarbeitung übernimmt China lieber selber. Die Volksrepublik verkauft Argentinien dafür Technik, Maschinen, Chemikalien – hoch-verarbeitete und teure Produkte, die in China Arbeitsplätze schaffen. Argentinien bleibt Kornkammer, China wächst.
    Präsident Mauricio Macri wollte einen Neuanfang
    Umstrittene Großprojekte, Intransparenz, Korruption, ein problematisches Handelsverhältnis – der neue Präsident Mauricio Macri wollte damit Schluss machen, kündigte einen Neuanfang in den Beziehungen zu China an. Seit fast anderthalb Jahren ist er im Amt. Doch was ist daraus geworden?
    Der neue argentinische Präsident Mauricio Macri winkt mit der rechten Hand.
    Argentiniens Präsident Mauricio Macri will sein Land zu einer sicheren Investitions-Plattform machen. (picture-alliance / dpa / Juan Ignacio Roncoroni)
    In der Handelspolitik hat der neue Präsident kaum Spielraum. Der Politikwissenschaftler Oviedo meint, dass argentinische Mittelständler mit ihren Produkten auf internationalen Märkten kaum konkurrieren können.
    Inzwischen versucht Argentinien, die Produktpalette im Agrarbereich wieder zu vergrößern. Das Land exportiert zunehmend Obst und Gemüse, Hirse, Gerste und Mais. Das kann helfen, das Handelsdefizit zu verringern. Es wird aber nicht dazu führen, dass Argentinien weg kommt von der Rolle der Kornkammer.
    In anderen Bereichen hat Macri aber tatsächlich eine Wende eingeleitet. Der neue Präsident liberalisierte die Wechselkurse, um ausländische Investoren anzulocken und Exporte anzukurbeln. Er hob die Exportsteuern auf Agrarprodukte auf, um den Handel in Schwung zu bringen. Und er einigte sich mit den US-amerikanischen Hedgefonds und zahlte die Schulden zurück, was Argentinien wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten ermöglichte.
    Macri will Argentinien zu einer sicheren Investitions-Plattform machen, die Kapital aus verschiedenen Ländern anzieht – ähnlich wie Chile es tut. Er will mehr direkte Investitionen, Firmen die sich in Argentinien ansiedeln und mehr Konkurrenz zwischen Geldgebern - eine komplette Abkehr von dem Investitionsmodell, das China anbietet.
    Von vielen Regierungen ist zu hören, dass sie das Investitionsumfeld in Argentinien inzwischen besser bewerten. Großbritannien will sich mit Krediten stärker engagieren, niederländische Unternehmen haben mehr Investitionen angekündigt, ebenso japanische und deutsche. Und auch mit den USA wurden die Beziehungen intensiver – allerdings noch unter Präsident Barack Obama. Die Rede war von Investitionen in Milliardenhöhe und von 25.000 neuen Arbeitsplätzen. Sogar über ein Freihandelsabkommen wurde gesprochen.
    Keine positiven Signale aus den Vereinigten Staaten
    Doch jetzt ist Donald Trump an der Macht, kein erklärter Freund von Freihandel. Eine seiner ersten Handlungen in Bezug auf Argentinien war, das Import-Verbot von Zitrusfrüchten aus Argentinien wieder einzuführen, das Obama aufgehoben hatte. Außerdem wurde die Visa-Vergabe an Argentinier verschärft. Die Argentinier blicken gespannt darauf, welche Signale aus Washington kommen. Doch es zeichnet sich ab: Die argentinische Regierung wird vorerst weiter auf China als wichtigen Partner setzen müssen. Die große Herausforderung besteht darin, diese Beziehung mehr zu den eigenen Gunsten zu verändern.
    An diesem Punkt will Nestor Restivo ansetzen. Er ist Journalist, Herausgeber des chinesisch-argentinischen Magazins "Dang Dai" und Buchautor. Seine jüngste Veröffentlichung trägt den Titel "Alles, was Sie über China wissen müssen". Er will den Argentiniern China-Know-How mitgeben.
    "Wir Lateinamerikaner sind in Bezug auf Verhandlungen mit China oft schlecht vorbereitet. Ich kenne Leute, die die Verträge der Staudämme von Santa Cruz ausgehandelt haben. Die sind schier verrückt geworden. Die hatten zu wenig Übersetzer organisiert und dann wussten sie oft nicht, wie sie das einschätzen sollten, was die Chinesen gesagt haben. Da wird das eine verhandelt, das andere trifft aber ein. Bei den Chinesen laufen solche Gespräche dagegen wie geschmiert. Die sind gut vorbereitet."
    Ein neuer Ansatz in den Beziehungen zu China?
    Restivo sitzt in Buenos Aires in seinem Stammcafé, der bekannten Bar Británico. Zwar ist die Geschichte von Buenos Aires eng mit Europa verknüpft, die Zukunft aber steht für Restivo im Zeichen Asiens – insbesondere Chinas. Und aus Sicht des 56-jährigen Journalisten kann das eine Chance sein.
    "Ich glaube, dass China uns interessante Angebote macht, uns zu entwickeln. Und ich glaube, diese Verbindung ist ganz anders als die, die Argentinien vor vielen Jahren mit England hatte oder in jüngster Zeit mit den Vereinigten Staaten. Ich glaube historisch gesehen, dass das jetzt eine bessere Option ist. Denn China verfällt nicht so sehr in Dominanz-Muster wie die Vereinigten Staaten. Es gibt einen Spielraum, anders miteinander zu arbeiten – ob wir diesen Spielraum nutzen, hängt von uns Lateinamerikanern ab."
    Die Argentinier können aus seiner Sicht mehr aus der Beziehung zu China herausholen, sowohl im Handel als auch im industriellen Sektor. Im Bereich Nuklearenergie, beim Bau von Bahnstrecken und Wasserkraftwerken gäbe es Aufgaben, die argentinische Unternehmen übernehmen könnten. Es hänge davon ab, wie die Südamerikaner in Zukunft verhandeln. Konkret meint Restivo: Argentinische Politiker und Manager müssen Chinesisch lernen, sich mit der Geschichte und Kultur Chinas beschäftigen, sie sollten Bescheid wissen, was die langfristigen Strategien der chinesischen Regierung sind.
    Einen ähnlichen Ansatz vertritt Paulina Garzon. Ihr geht es darum, chinesische Projekte in Lateinamerika grüner und transparenter zu machen. Garzón ist eine ecuadorianische Umwelt- und Wirtschaftswissenschaftlerin und leitet an der American University in Washington D.C. die chinesisch-lateinamerikanische Initiative für nachhaltige Investitionen. Die Harvard-Absolventin hat vor zwei Jahren ein Handbuch herausgegeben. Ihr Ziel: Betroffene von chinesischen Projekten darüber aufzuklären, auf welche Richtlinien sie pochen können, wenn es um soziale und ökologische Fragen geht. Denn Garzón hat beobachtet:
    "Es wird in China inzwischen mehr über Umweltschutz diskutiert, und die Politik übernimmt mehr Verantwortung für ökologische Aspekte. Das heißt aber nicht, dass das Hand in Hand geht mit einer Entwicklung hin zu mehr Transparenz und Partizipation."
    Mehr auf Umweltschutz setzen
    Konkret heißt das: Umweltschutz ist durchaus ein Thema in China. Chinesische Ministerien sowie Industrie- und Handelskammern haben Umweltschutz-Richtlinien herausgegeben – einige gelten auch für Investitionen im Ausland. Das Problem ist: Kaum jemand kennt diese Richtlinien – oft nicht einmal die chinesischen Firmen selbst. Deshalb pocht auch kaum jemand auf Umsetzung. Und bei chinesischen Banken gibt es kaum Möglichkeiten, Informationen über geplante Projekte herauszufinden, sagt Garzón.
    "Wenn du auf die Seite der chinesischen Entwicklungsbank gehst, wirst du sehen, es ist unglaublich schwierig, sich dort zurechtzufinden. Die Seite ist sehr alt. Du findest keinen Kontakt für Lateinamerika. Es gibt keine Datenbank über die Projekte, die Firmen oder die Regierungen, an die Kredite vergeben worden sind. Und auch auf der nationalen Ebene, wenn Chinesen Projekte finanzieren, gibt es große Heimlichtuerei. Es ist fast unmöglich, Einsicht in Kreditverträge zu bekommen zwischen einer chinesischen Bank und einer lateinamerikanischen Regierung."
    Garzons Handbuch soll helfen. Sie listet darin zum Beispiel auf, welche Richtlinien es in China gibt für den Schutz von Wäldern, von Eigentumsrechten und welche Sozialstandards im Bergbau gelten. Die Nachhaltigkeits-Expertin meint: Noch diktiert China oft die Regeln, wie die Empfänger-Länder Kredite einsetzen – oft mit Folgen für das Leben von tausenden Menschen, vor allem Bauern und Indigenen. Mit mehr Know-How hätten die lateinamerikanischen Gesellschaften praktisches Werkzeug, um ihre Rechte und Böden zu verteidigen.
    Für den Río Santa Cruz und die Gletscher kommt diese Erkenntnis vermutlich zu spät. Die Verträge sind unterschrieben, der Bau soll noch in diesem Jahr beginnen.
    Reporterin Aglaia Dane
    Reporterin Aglaia Dane (Deutschlandradio / Aglaia Dane)