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Corona-Finanzhilfen
Altmaier: Große Unternehmen müssen wettbewerbsfähig bleiben

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigt Milliardenhilfen für die Wirtschaft - auch für Konzerne wie Lufthansa. Unternehmen, die staatliche Hilfe bekämen, müssten jedoch auf die Ausschüttung von Dividenden verzichten und mit Boni "zurückhaltend" umgehen, sagte Altmaier im Dlf.

Peter Altmaier im Gespräch mit Dirk Müller | 27.04.2020
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will Finanzhilfen für Konzerne in der Coronakrise an Bedingungen knüpfen. (dpa / Soeren Stache)
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mahnt im Dlf zur Vorsicht im Umgang mit den Lockerungen, damit diese nicht zurückgenommen werden müssten. Gefährlich sei es, dass manche Menschen glaubten, dass das Schlimmste bereits vorbei sei. Der Wunsch, dass Normalität wieder einkehre und die wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen, sei verständlich. Man müsse aber gleichzeitig auch das eigene Gesundheitssystem schützen.
Finanzhilfen für Konzerne in der Coronakrise will Altmaier an Bedingungen knüpfen. Wenn große Unternehmen staatliche Unterstützung bekämen, müssten sie auf die Ausschüttung von Dividenden verzichten und auch das Management müsse einen Beitrag erbringen. Wie hoch der Verzicht auf Boni sei, müsse im Einzelfall geklärt werden. Er sei aber klar dafür, dass Unternehmen die vor der Krise wettbewerbsfähig waren und Gewinne gemacht haben, eine Chance verdient hätten, wieder auf die Beine zu kommen. Die Rolle des Staates müsste dann aber so stark wie möglich begrenzt sein.
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Dirk Müller: Große Unternehmen wie die Lufthansa sollten nach der Krise eine Chance haben, wieder auf die Beine zu kommen und Gewinne zu machen. Wie sehr ärgert Sie das?
Peter Altmaier: Mich ärgert weniger die Stellungnahme eines einzelnen Politikers, sei es Minister oder Ministerpräsidenten; nein, mich ärgert, dass der Eindruck entsteht, dass die Geschlossenheit der Politik Schaden nimmt. Wir haben es geschafft, gemeinsam mit der Bevölkerung, mit den Menschen, mit der Politik, mit Gewerkschaften und mit der Wirtschaft mit dieser Krise sehr gut umzugehen, weil wir sehr viele Entscheidungen auch gemeinsam getroffen haben, gemeinsam zugestimmt haben, und ich wünsche mir eigentlich, dass dies auch in den nächsten Wochen so bleibt.
Müller: Das ist kein Eindruck von Ihnen, sondern das ist im Moment Tatsache?
Altmaier: Nun ja. Wir haben ja erlebt, dass die Bundesländer, die juristisch dafür zuständig sind, mit diesen Lockerungen umzugehen, zum Teil ganz unterschiedliche Wege einschlagen. Ich fände es gut und richtig, wenn wir Schritt für Schritt machen, wenn wir immer einmal auch anschauen, wie hat sich diese oder jene Maßnahme ausgewirkt. Wir haben im Augenblick einen sehr erfreulichen Zurückgang der Infektionszahlen.
Allerdings: Die Lockerungen, die in den letzten Tagen stattgefunden haben, die haben darauf noch gar keine Auswirkungen, und deshalb als jemand, der daran glaubt, dass man auch faktenbasiert entscheiden muss, empfehle ich uns allen, dass wir sehr, sehr vorsichtig weiter vorangehen, damit wir am Ende nicht wieder Lockerungen zurücknehmen müssen.
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Müller: Ist Armin Laschet in der Debatte hilfreich?
Altmaier: Ich arbeite mit Armin Laschet seit vielen Jahren eng zusammen. Er ist Ministerpräsident des größten deutschen Bundeslandes. Er hat eine enorme Zustimmung. Er bringt seine Positionen ein. Das tut Markus Söder auf seine Weise in Bayern, das tun auch andere Ministerpräsidenten.
Müller: Das ist die andere Position, die andere Seite.
Altmaier: Genau, die andere Seite. Er hat eine etwas andere Position, wenn ich das richtig wahrnehme. Das was mir wichtig ist, dass wir uns zusammenraufen und dass wir gemeinsam entscheiden und vorangehen. Wir werden ja in den nächsten Tagen, die Ministerpräsidenten und die Bundesregierung, in einer Telefonschaltkonferenz darüber noch einmal diskutieren und ich hoffe, dass wir uns dann auf einen gemeinsamen Fahrplan einigen können.
"Die größte Gefahr ist, zu glauben, das Schlimmste ist vorbei"
Müller: Mit Ihnen, Peter Altmaier, können wir immer offen über alles reden. Der Ikea-Faktor – das ist so ein Schlagwort; das geht im Moment immer noch durch die Presse, durch die sozialen Medien. Noch einmal Armin Laschet, Nordrhein-Westfalen.
Ausgerechnet Ikea, dieser Riesenladen, der darf aufmachen. Das wird Sie geärgert haben, ich unterstelle das jetzt, weil Sie ja auch immer gesagt haben, haben Sie eben auch getan, wir müssen vorsichtig sein. Was soll das?
Altmaier: Ich habe immer gesagt, wir müssen vorsichtig sein. Ich war gestern in Berlin - im Moment ist es mit den Heimfahrten nicht so dolle – auch unterwegs in meiner Freizeit mit dem Fahrrad, und ich habe gesehen, dass ganz, ganz viele Menschen weiterhin vorsichtig sind, dass in vielen Geschäften nur so viele Menschen eintreten dürfen, die auch wieder herauskommen.
Ich habe aber auch andere gesehen, die glauben, dass das Schlimmste vorbei ist, und das ist nun genau die größte Gefahr. Deshalb müssen wir immer beides in einem Atemzug nennen: Den Wunsch, dass Normalität wieder einkehrt, den Wunsch, wirtschaftliche Auswirkungen zu begrenzen und Schaden zu vermeiden, und gleichzeitig aber auch die Vorsicht, denn wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, aber auch dieses Gesundheitssystem ist nicht auf eine unendliche Vielzahl von schweren Fällen eingestellt. Deshalb müssen wir immer darauf achten, dass wir jedem Patienten die Sorge zuteilwerden lassen können, die er benötigt.
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"Wir sind mit dieser Herausforderung menschenwürdig umgegangen"
Müller: Zu Armin Laschet wollen Sie nichts weiter Konkretes sagen – kann ich verstehen. Reden wir über Wolfgang Schäuble. Er warnt davor, dem Schutz des Lebens nicht alles unterzuordnen. Haben wir das, viele von uns jedenfalls, falsch verstanden, dass der Schutz des Lebens nicht absolute Priorität hat? Wie kommt er darauf?
Altmaier: Na ja. Ich habe ihn so verstanden, dass er die menschliche Würde nicht in Frage stellt und dass er auch die Notwendigkeit, menschliches Leben zu schützen, nicht in Frage stellt. Über alle weiteren Dinge müssen Sie mit ihm selber sprechen und reden.
Was wir wissen ist: Wir können natürlich eine solche Krankheit nicht auf null Infektionen begrenzen. Wir müssen mit dieser Krankheit über eine längere Zeit leben, solange wir keinen wirksamen Impfstoff und kein wirksames Medikament gefunden haben, und das zeigt ja auch, dass auch in Deutschland Menschen gestorben sind. Aber es sind viel weniger Menschen gestorben als in den meisten anderen Ländern in Europa und weltweit. Wenn Sie das vergleichen, Einwohnerzahl und Todesfälle, etwa mit den USA oder auch mit Ländern in Europa, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass wir mit dieser Herausforderung bisher sehr menschenwürdig umgegangen sind.
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Die Corona-Pandemie hat die deutsche Automobilindustrie schwer getroffen. Die Produktion stand wochenlang still, Lieferketten sind zusammengebrochen. Die Hersteller hoffen nun, dass der Staat ihnen wieder auf die Beine hilft.
Müller: Aber dennoch sagt der Bundestagspräsident, jetzt brauchen wir wieder mehr Normalität – nicht nur für die Menschen, dass sie ausgehen können, sondern auch für die Wirtschaft, dass die wieder ans Laufen kommt. War das hilfreich?
Altmaier: Ja, natürlich muss die Wirtschaft wieder ans Laufen kommen. Man muss auch wissen, dass sie nie ganz geschlossen war. Über die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind die ganze Zeit über jeden Morgen zu ihrer Arbeit gegangen und haben dafür gesorgt, dass dieses Land funktionsfähig blieb. Das waren Krankenpfleger, aber das waren auch Menschen in Fabriken, die Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs produziert haben. Wir haben auch weiterhin Güter exportiert.
Jetzt geht es darum, eine Strategie zu entwickeln, wie wir in der Wirtschaft weiterhin vorankommen können. Daimler zum Beispiel, Mercedes, die fahren jetzt ihre Produktion langsam wieder hoch. Das war denen nie verboten, aber es konnte nicht gearbeitet werden, weil es an Zulieferteilen fehlte und weil keine neuen Kraftfahrzeuge gekauft wurden, weil nämlich die Kraftfahrzeughändler geschlossen waren.
Das alles normalisiert sich jetzt und trotzdem stellt derzeit, glaube ich, niemand in Frage, dass wir einen großen Teil der Kontaktbeschränkungen, die es gibt für Private, für den öffentlichen Raum, dass wir diese Kontaktbeschränkungen noch eine Weile ertragen müssen.
"Wir müssen wieder zu ausgeglichenen Haushalten zurück"
Müller: Reden wir über die Milliarden. 1,2 Billionen Rettungspaket, Wirtschaft und Handel, wie auch immer aufgeteilt, mit Krediten und Direktzuschüssen. Die Milliarden für den EU-Haushalt kommen dazu, haben wir am Freitag gelernt, Milliarden für den Wiederaufbau. Und jetzt kommen noch Unternehmen und wollen Milliarden Staatshilfen, Lufthansa zum Beispiel. Wann ist Schluss mit dem Ausgeben?
Altmaier: Wir haben uns immer vorgenommen, dass wir die solide Finanzpolitik nicht in Frage stellen. Das heißt, wir müssen von der Verschuldung auch wieder zurückkehren zu ausgeglichenen Haushalten. Dafür haben wir einen Plan.
Müller: Aber Sie verstoßen gegen die Regeln! Sie gehen auf 75 Prozent der Staatsverschuldung.
Altmaier: Ja! Das lassen aber die europäischen Regeln übergangsweise zu, weil es sich hier um eine Herausforderung handelt, die mit den normalen wirtschaftlichen Abläufen nichts zu tun hat. Hier sind Unternehmen, die wirtschaftlich gesund und leistungsfähig sind, von einem Tag auf den anderen ohne einen einzigen Auftrag, ohne einen einzigen Euro Umsatz, und das bedeutet, dass man die Frage stellt, wie soll denn der Aufschwung wieder vonstattengehen, nachdem wir mit dieser Pandemie einigermaßen fertig geworden sind, wenn es dann keine funktionierenden Unternehmen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung haben für ihre Produktion, mehr gibt.
Deshalb haben wir einen Rettungsschirm aufgespannt, ja, und bisher deutet alles darauf hin, dass wir mit diesem Rettungsschirm auch imstande sein werden, die notwendige Hilfe zu leisten. Wir haben einige Milliarden an Hilfen bereits ausgezahlt. Ja, das stimmt. Aber das ist alles einkalkuliert in diesen 75 Prozent, von denen Sie gesprochen haben. Und die wollen wir auch wieder zurückführen auf unter 60, dort wo die Staatsverschuldung hingehört.

Müller: Staatshilfen Lufthansa – vielleicht konkret. Wird die Lufthansa von Ihnen Hilfe bekommen?
Altmaier: Das werden wir gemeinsam entscheiden in der Bundesregierung, sobald alle Fakten auf dem Tisch liegen, sobald die Voraussetzungen gegeben sind, und sobald natürlich die Lufthansa diese Hilfe beantragt. Wir haben einen Rettungsschirm aufgespannt, weil wir wollen, dass große bedeutende Unternehmen, die auf dem Weltmarkt und in Deutschland eine Rolle spielen, auch nach der Krise weiterhin wettbewerbsfähig sind.
"Wir helfen keinen Unternehmen, die Dividenden ausschütten"
Müller: Sie sind dafür, Herr Altmaier? Sind Sie dafür zu helfen?
Altmaier: Ich bin dafür, dass Unternehmen wie die Lufthansa eine Chance haben, wieder auf die Beine zu gehen und wieder Gewinne zu machen.
Müller: Wenn Sie da helfen, wenn ich noch mal dazwischen gehen darf – das ist ja eine große Frage -, wollen Sie dann mitsprechen, wenn Sie dann helfen?
Altmaier: Noch einmal, Herr Müller. Erst mal haben wir die Möglichkeit zu helfen. Ob wir helfen, das diskutieren wir nicht auf dem offenen Markt, sondern das werden wir der Bevölkerung und der Öffentlichkeit rechtzeitig mitteilen in voller Transparenz. Aber das sind Gespräche, die sind börsenrelevant, und deshalb können wir die leider nicht beim Deutschlandfunk übers Radio führen.
Im Übrigen ist es so, dass wir bei der …
Leere Gaenge und Rolltreppen und geschlossene Läden wegen der Corona Pandemie. 
Verbraucherschützer zu Hilfen
Zu viele Firmen hätten in der Finanzkrise Milliarden vom Staat akzeptiert und trotzdem weiter Geschäfte zu Lasten des Steuerzahlers gemacht, kritisierte der Verbraucherschützer Gerhard Schick im Dlf. In der Coronakrise sollten sie nur dann Hilfe bekommen, wenn sie ihre Aktivitäten offenlegten.
Müller: Dann sichern wir beide uns ab und reden im Konjunktiv. Wenn Sie helfen, egal wem Sie helfen, spricht die Regierung bei der Unternehmenspolitik dann mit, oder darf das Unternehmen nach wie vor so agieren, wie es möchte?
Altmaier: Ich persönlich habe immer die Auffassung vertreten und vertrete sie, dass für Unternehmen, die vor der Krise wettbewerbsfähig waren und Gewinne gemacht haben, staatlicher Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nicht angebracht ist und die Rolle des Staates so stark wie möglich begrenzt sein muss.
Das zweite ist aber – und darauf haben wir, glaube ich, einen Anspruch -, dass diese Unternehmen, wenn sie staatliche Hilfe bekommen, dann dieses Geld auch zweckentsprechend verwenden, dass sie auf die Ausschüttung von Dividenden verzichten, dass das Management dieser Unternehmen einen Beitrag leistet. Andernfalls können wir das dem Steuerzahler nicht zumuten, ja, und wir haben natürlich auch ein Interesse daran, dass der Staat mit seinen Hilfen nicht schlechter gesichert ist als private Geldgeber und Aktionäre, die sich an diesen Unternehmen beteiligt haben.
Müller: Dann haben wir doch schon mal einen Punkt. Das heißt: Boni und Dividenden, das jetzt im Indikativ gesprochen, dürfen diese Unternehmen dann nicht mehr auszahlen?
Altmaier: Da bin ich mir mit Olaf Scholz ganz einig, dass wir jedenfalls keine Dividenden auszahlen, dass wir keinen Unternehmen helfen, die Dividenden ausschütten, und im Übrigen glaube ich, dass man auch mit diesen flexiblen Gehaltsbestandteilen – das sind die Boni – sehr zurückhaltend sein müsste. Darüber reden wir mit jedem einzelnen Unternehmen.
Müller: Zurückhaltend heißt, ein bisschen schon?
Altmaier: Nein, das habe ich nicht gesagt, sondern es kommt darauf an, dass die Führung, dass das Management einen Beitrag erbringt. Das halten wir für ganz richtig. Das muss dann im Einzelfall geklärt sein, wie hoch er ist und wie er aussieht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.