Corona- Enquete-Kommission
Die politische Aufarbeitung der Pandemie

Die Pandemie hat tiefe Spuren im öffentlichen Leben hinterlassen. Schon lange gab es Forderungen nach einer Aufarbeitung dieser Zeit. Damit befasst sich nun eine vom Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission.

    Ein leeres Klassenzimmer. Die Holzstühle wurden auf die weißen Tische gestellt.
    Die Schulschließungen während der Corona-Pandemie zählten zu den umstrittensten Maßnahmen. Die Enquete-Kommission soll nun auch deren Folgen für Kinder und Jugendliche untersuchen. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Geschlossene Schulen, Streit um Impfpflichten und einsames Sterben in Pflegeheimen: Die Corona-Pandemie hat tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Viele der damals diskutierten Fragestellungen wurden nach dem Ende der Krise rasch zur Seite gelegt. Bisher fehlte es an einer umfassenden politischen Aufarbeitung dieser drei Jahre.
    Anfang September 2025 hat nun eine Corona-Enquete-Kommission ihre Arbeit aufgenommen. Der Bundestag hatte deren Einsetzung beschlossen – im Schatten der Debatte über eine mögliche Masken-Affäre um Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn. Die Kommission soll analysieren, was in der Pandemie schieflief und wie Deutschland künftig besser auf Gesundheitskrisen vorbereitet sein kann. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sieht darin "eine große Chance auch für unsere Demokratie".

    Inhalt

    Warum wurde eine Enquete-Kommission eingesetzt?

    „Enquête“ kommt aus dem Französischen und bedeutet Untersuchung oder Befragung. Eine Enquete-Kommission besteht aus Abgeordneten und externen Sachverständigen. Sie analysiert komplexe Themen und legt dem Bundestag einen Bericht mit Empfehlungen vor, oft mit Blick auf künftige Gesetze.
    Nach langem Streit um ein passendes Format zur Aufarbeitung der Pandemie wurde am 10. Juli 2025 auf Antrag von Union und SPD die Einsetzung einer Enquete-Kommission beschlossen. Die AfD stimmte teilweise dagegen oder enthielt sich. Den Antrag unterstützten nach Änderungen auch Grüne und Linke.
    Der Titel: „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“. Vorsitzende ist die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann.
    Es gehe um eine ehrliche Analyse der Corona-Zeit, meint Unions-Fraktionsvize Albert Stegemann (CDU). Der Grünen-Politiker Janosch Dahmen sieht in der Enquete-Kommission einen längst überfälligen Schritt. Es gehe um grundlegende Fragen, etwa: „Wie können wir uns in Zukunft frühzeitiger und auch gerechter schützen? Wie vermeiden wir, dass soziale Ungleichheit in der Krise sich verschärft?"

    Welche Themen stehen im Fokus der Corona-Enquete-Kommission?

    Die Enquete-Kommission soll die Corona-Politik und ihre Folgen untersuchen. Dazu gehören die Früherkennung und Vorsorge mit Pandemieplänen, das Krisenmanagement mit Bund-Länder-Abstimmungen, Ministerpräsidentenkonferenzen, Krisenstäben und wissenschaftlicher Beratung sowie der rechtliche Rahmen und die parlamentarische Kontrolle.
    Auch die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und ihre Auswirkungen auf Kinder, Jugendliche, ältere Menschen und Sterbende sollen aufgearbeitet werden.
    Frauke Rostalski, Jura-Professorin und Mitglied im Deutschen Ethikrat, ist der Ansicht, dass auch Maßnahmen wie die Impfung und die Maskenpflicht im Rahmen der Enquete-Kommission thematisiert werden sollten.
    Die Opposition hat laut Grünen-Abgeordnete Paula Pirchotter außerdem zentrale Ergänzungen durchgesetzt. So werde die Kommission nicht nur staatliche Maßnahmen bewerten, sondern auch soziale Folgen in den Blick nehmen, besonders für Kinder, ältere und benachteiligte Gruppen. Es gehe um seelische Gesundheit, gesellschaftliche Spaltung und die Frage, wie jenen geholfen werden könne, die am stärksten betroffen waren.
    Weitere Themen sind die Beschaffung von Tests und Masken, staatliche Hilfen für Unternehmen und den Arbeitsmarkt sowie die Auswirkungen auf Kultur, Tourismus, Ehrenamt und Vereine. Die Kommission soll analysieren, was gut funktioniert hat und was nicht. Das Ziel: Lehren daraus in Empfehlungen für künftige Gesundheitskrisen zu übersetzen.

    Wer sitzt alles in der Enquete-Kommission?

    Der Kommission gehören 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige an. Die Union benannte fünf Abgeordnete, AfD und SPD jeweils drei, die Grünen zwei und die Linke einen Abgeordneten.
    Unter den Sachverständigen sind mehrere Professoren aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, zum Beispiel Intensivmediziner Stefan Kluge und Rechtswissenschaftlerin Andrea Kießling. Aber auch Schulleiterin Carolin Kubbe und als Vertreter der Länder der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD).

    Wie soll die Öffentlichkeit einbezogen werden?

    Die Kommission soll öffentliche Anhörungen von Experten, Interessenvertretern und Betroffenen abhalten und Gutachten einholen können. Perspektiven und Erfahrungen von Bürgern könnten „insbesondere durch öffentliche Formate einbezogen werden“, heißt es im Antrag. Auch eine „altersgerechte Befragung“ von Kindern und Jugendlichen ist möglich.
    Die „laufende Erkenntnisgewinnung“ und Ergebnisse sollen der Öffentlichkeit in geeigneter Form zugänglich gemacht werden, mit Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Informationen.
    „Es ist sicherlich wichtig und gut, dass auch Bürgerinnen und Bürger zu Wort kommen können“, sagt Jura-Professorin Frauke Rostalski. Doch die Entscheidungen während der Pandemie seien auf politischer Ebene getroffen worden, daher müsse auch die politische Ebene sie aufarbeiten.

    Warum wünschen sich manche einen Untersuchungsausschuss?

    Die AfD forderte einen Untersuchungsausschuss für eine „schonungslose“ Corona-Aufarbeitung statt eines „Kommissiönchens“, wie der Abgeordnete Stephan Brandner sagte.
    Grüne und Linke fordern neben der Enquete-Kommission einen Untersuchungsausschuss, allerdings ausschließlich zur Maskenaffäre um den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn. Grünen-Politiker Janosch Dahmen meint, dieses Thema lasse sich nicht im Rahmen der Enquete-Kommission aufarbeiten, dafür brauche es ein schärferes Instrument. Ein Untersuchungsausschuss könne Zeugen unter Eid vernehmen, Akteneinsicht verlangen und Beweise sichern.
    Eine Enquete-Kommission ist laut Jura-Professorin Frauke Rostalski grundsätzlich dafür gedacht, komplexe Zukunftsfragen zu untersuchen und politische Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Anders als ein Untersuchungsausschuss, bei dem es eher darum gehe, politische Verantwortung zu klären und Missstände in der Vergangenheit aufzuarbeiten.
    Die rechtlichen Befugnisse seien im Untersuchungsausschuss deutlich größer: „Das ist regelrecht gerichtsähnlich, was man da für Instrumente an der Hand hat“, so Rostalski. Zwar könne auch eine Enquete-Kommission in die Vergangenheit blicken, sie habe aber nicht die gleichen Durchsetzungsmöglichkeiten. Gerade deshalb sei ein Untersuchungsausschuss für die Pandemie ihrer Meinung nach das geeignetere Instrument gewesen.

    Wann ist mit Ergebnissen zu rechnen und welche Hürden gibt es bis dahin?

    Die Kommission soll dem Bundestag bis zum 30. Juni 2027 einen umfassenden Abschlussbericht mit Erkenntnissen und Handlungsempfehlungen vorlegen. Möglich sind auch Zwischenberichte zu abgeschlossenen Aspekten, was eine frühere parlamentarische und politische Befassung damit ermöglichen soll.
    Alle Mitglieder der Kommission sollen auch Sondervoten abgeben können. Mit dem Abschlussbericht sollen auch Protokolle der Sitzungen veröffentlicht werden, wenn die Kommission nicht öffentlich getagt hat.

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