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Coronatests
Was die kostenlosen Bürgertests gebracht haben

Ab dem 11. Oktober müssen die meisten Bürger in Deutschland ihre Corona-Tests selbst zahlen. Dem Bund spart das viel Geld. Virologen und Volkswirte ziehen eine positive Bilanz der Massentests. Die Justiz aber werden sie weiter beschäftigen: Rund 100 Verfahren laufen wegen falscher Abrechnungen.

Von Laura Eßlinger und Ann-Kathrin Jeske |
Eine Frau geht in der Innenstadt an einem Testzentrum vorbei, das gratis Corona-Schnelltest auch ohne Anmeldung anbietet.
Etwa 3,5 Milliarden Euro hat der Bund den Testzentren zwischen März und August 2021 laut Bundesgesundheitsministerium gezahlt (picture alliance/dpa | Peter Kneffel)
Ein Testzentrum im Frankfurter Westen. Hier konnten sich Bürgerinnen und Bürger bislang kostenlos auf das Coronavirus testen lassen, so sah es die Nationale Teststrategie der Bundesregierung vor. Doch ab diesem Montag müssen die meisten Kunden ihre Schnelltests selbst zahlen. Geschäftsführer Sebastian Klosak will trotzdem weitermachen. Ob sich das langfristig lohnt, weiß er nicht, denn, "dann werden auch definitiv viel viel weniger Tests durchgeführt, wenn die Patienten selbst bezahlen müssen. Deswegen können wir jetzt noch nicht genau beurteilen, ob sich das weiter lohnt. "
Sebastian Klosak betreibt eigentlich einen Limousinen-Fahrservice, doch als die Pandemie kam, brachen seine Einnahmen weg. Seitdem konzentriert er sich hauptsächlich auf das "Corona-Business", wie er es nennt: "Also vorher Handel mit Masken, Handschuhen, Kittel, Tests und so weiter. Jetzt mache ich das auch immer noch, aber jetzt hauptsächlich diese Testzentren."

11,50 Euro pro Test

Ein Geschäft, das sich für den 33-Jährigen lohnt. Knapp 60.000 Euro Umsatz im Monat mache er mit den Bürgertests in seinen beiden Testzentren, etwa die Hälfte davon bleibe ihm als Gewinn. Den, sagt Klosak, teile er sich mit einem Geschäftspartner. Einmal im Monat rechnet Klosak die Bürgertests über die Kassenärztliche Vereinigung ab. Die erstattet ihm pro Test 11,50 Euro.
Ende der kostenfreien Corona-Tests
Der Chef des Diagnostika-Verbands Martin Walger rechnet damit, dass der Bedarf an Corona-Tests insgesamt weiter hoch bleibt. Zudem sei zu erwarten, dass sich das Hauptgeschäft der Labordiagnostik wieder normalisiere.
Und nicht nur ihm: Innerhalb von wenigen Monaten ist in der gesamten Bundesrepublik eine riesige Test-Infrastruktur entstanden: Im April sprach Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von mehr als 15.000 Teststellen in ganz Deutschland. Noch im Februar dieses Jahres schien das schier unmöglich. Während deutsche Nachbarländer wie Österreich und Dänemark zu diesem Zeitpunkt ihre Bevölkerung bereits testeten und so Lockerungen möglich machten, befand sich Deutschland weiter im Lockdown. Tests gab es vor allem für Altenheime und Krankenhäuser, nicht aber für die breite Bevölkerung.
Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, beantwortet während einer Pressekonferenz zur Impfkampagne gegen Corona Fragen von Journalisten.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) (picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm)
"Nun haben wir im Januar die Erfahrung machen können, dass deutlich mehr Schnelltests zur Verfügung stehen, als tatsächlich auch abgerufen worden sind. Und das macht möglich den nächsten Schritt zu gehen, nämlich, ab März jedem, der möchte, auch einen Antigenschnelltest anbieten zu können. Kostenlos für den Einzelnen", so Jens Spahn Mitte Februar, doch der CDU-Gesundheitsminister konnte das Versprechen kostenloser Tests ab 1. März zunächst nicht halten. Vom Koalitionspartner SPD wurde er damals als "Ankündigungsminister" kritisiert. Rückblickend allerdings verbreiteten sich die Testzentren dann doch relativ schnell: In Berlin etwa waren es im März 200, einen Monat später schon 780.
"Die Wahrnehmung vieler Bürger damals war: Es konnte gar nicht schnell genug gehen. Und wenn Sie unter Druck handeln müssen, um eine Testinfrastruktur aufzubauen und zwar in kürzester Zeit, dann kann das nur einhergehen mit der Gefahr, dass sie dort auch Geschäftemacher einladen an diesem schnellen Aufbau, ja, zu partizipieren", erklärt der Gesundheitsökonom Stefan Sell von der Hochschule Koblenz.
So schnell wie an vielen Orten Testzentren aufmachten, schossen auch die Kosten in die Höhe. Insgesamt hat der Bund bis heute etwa 3,5 Milliarden Euro für die Bürgertests bezahlt. Geld, das die Bundesregierung für die Tests nun nicht mehr ausgeben will. Schwangere, Kinder unter 12 Jahren und Menschen, die sich nicht impfen lassen können, dürfen sich vorerst bis Jahresende weiterhin kostenlos testen lassen. Doch insbesondere die ungeimpften Erwachsenen werden künftig selbst zahlen müssen, wenn sie ins Kino gehen oder ins Flugzeug steigen wollen. Es gibt durchaus Kritik an dieser Entscheidung – ausgerechnet vor dem Winter. Und: Was ist eigentlich aus den Betrugsvorwürfen gegen die Betreiber von Testzentren geworden? Um ein Testzentrum für kostenlose Bürgertests zu eröffnen, reichte in vielen Fällen ein Antrag per E-Mail. So war es auch bei Testzentrums-Betreiber Sebastian Klosak aus Hessen.
Dieses Verfahren sei üblich, sagt Antoni Walczok, stellvertretender Leiter beim Gesundheitsamt Frankfurt am Main. "Der Standort muss uns bekannt sein, dann welche Tests dort eingesetzt werden, dann natürlich die dazugehörigen Öffnungszeiten und selbstverständlich, dass eben dort auch das eingesetzte Personal geschult ist, dass es also in der Lage ist, diese Tests nach Testverordnung auch korrekt durchzuführen. Also ich sage mal, dass nicht nur der Backenzahn gestreichelt wird, sondern dass man dann wirklich einen nasalen Abstrich durchführen kann."

Unbürokratische Genehmigungsverfahren ausgenutzt

Schulungszertifikate für das Personal müssen allerdings nicht mitgeschickt werden, der Betreiber muss lediglich versichern, dass das Personal erfolgreich daran teilgenommen hat. Und auch eine Begehung durch das Gesundheitsamt, bevor eine Teststelle eröffnet wird, ist nicht automatisch vorgesehen. Die verhältnismäßig unbürokratischen Genehmigungsverfahren nutzten einige Betreiber von Teststellen besonders zu Beginn der kostenlosen Bürgertests offenbar aus. Ende Mai zeigte eine Recherche von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR, wie manche Betreiber abkassierten - unter anderem, indem sie mutmaßlich mehr Tests abrechneten, als sie tatsächlich gemacht hatten. Allein in Berlin wird derzeit in mehr als 50 Fällen gegen Betreiber von Corona-Testzentren ermittelt.
Eine Mitarbeiterin öffnet die Tür zu einem Corona-Testcenter neben einem Schild "Ab sofort! Kostenloser Bürgertest hier verfügbar!".
Abrechnungsbetrug bei Schnelltests
Ob Corona-Testzentren die Kosten für Bürgertests korrekt abrechnen, könne der Bund nicht kontrollieren, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Dlf. Testzentren müssten von Kommunen kontrolliert werden.
Die ersten Hinweise kamen aus dem Bezirk Neukölln, sagt Martin Steltner von der Staatsanwaltschaft Berlin: "Das waren so, ich sage mal, vom Milieu her unsere Verdächtigen aus dem kriminellen Milieu und wir haben dann diese Hinweise auf Unregelmäßigkeiten zum Anlass genommen, durch die Aufsichtsbehörden flächendeckend zu kontrollieren, ob hier ordnungsgemäß abgerechnet worden ist."
Bei einer Vielzahl der Teststellen sei das nicht der Fall gewesen. Die Behörden stehen jetzt vor der Aufgabe, erhebliche Mengen an sichergestellten Beweismitteln und Datenmaterial zu sichten.
"Die müssen ausgewertet werden und wir gehen dem Verdacht des Subventionsbetrugs natürlich nach. Aber das ist aber nicht ganz so einfach, weil, Sie müssen ja in jedem Einzelfall nachweisen können, dass Gelder falsch abgerechnet worden sind, also Gelder kassiert worden sind, für, ich sage mal als Beispiel, 100 Tests, tatsächlich aber nur zehn Tests oder im Extremfall gar keine Tests durchgeführt worden sind."
Interessant ist, dass es sich bei allen Berliner Ermittlungsverfahren um Fälle von vor Juli handelt, als noch die alte Corona-Testverordnung galt und die Betreiber lediglich die Zahl der Testungen melden mussten, ohne irgendwelche Belege einzureichen. Auch in anderen Bundesländern wird ermittelt: Bayern teilt auf Anfrage des Deutschlandfunks mit, dass im Sommer 28 Verfahren liefen, seit Oktober gibt es bei einer eigens eingerichteten Zentralstelle in Nürnberg auch ein Online-Hinweisgebersystem."

Weniger Geld nach öffentlicher Kritik

Auf politischer Ebene entbrannte nach den Betrugsvorwürfen die Debatte um Konsequenzen. Eine Folge ist, dass die Betreiber von Testzentren seit dem 1. Juli weniger Geld bekommen: 11,50 Euro pro Test anstatt zuvor 18 Euro. Die Testzentren sollten außerdem mehr und besser kontrolliert werden. Grundsätzlich sind die Gesundheitsämter für die Kontrollen vor Ort zuständig, während die Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen. Mehr Aufgaben übernehmen wollte allerdings niemand und die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen war - Zitat – "fassungslos", als sie diese Aufgabe auf sich zukommen sah.
Mark Barjenbruch von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen: "Das stimmt, also, das ist im deutschen Gesundheitswesen auch nicht unüblich, dass der Schwarze Peter gespielt wird. Es gab eine großzügige Handhabung der Politik, es gab die berechtigte Kritik, dass die zu großzügig war im Nachhinein und jetzt sollte es jemand machen und wir sind nicht berufen dafür Testzentren abzurufen. Da steckt gewaltig Arbeit hinter. Wir haben sie jetzt zum Schluss gekriegt, wir erfüllen jetzt den Job."
Ein Coronatest-Set (Laientest, Selbsttest fuer Zuhause) liegt auf einem Tisch,
Schnelltests, Selbsttests & Co. - Wie man sich auf Corona testen lassen kann
Kostenlose Schnelltests und Selbsttests in den Supermärkten – es gibt viele verschiedene Tests für SARS-CoV-2. Welche Tests sind auf dem Markt, was kosten sie und wo kann man sich testen lassen?
Seit Juli müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen also prüfen, ob die Abrechnungen der Testzentren plausibel sind. Wer nur 500 Test-Kits gekauft hat, aber 1000 Abstriche gemacht haben will, dürfte jetzt auffallen. Wer mit 500 Test-Kits aber 400 Tests meldet, kommt vermutlich durch. "Ich würde jetzt nicht sagen mit einer plausiblen Abrechnung haben Sie die Garantie, dass die Abrechnung richtig ist. Sie haben den ersten Anschein, dass sie richtig ist. Und mehr ist im Grunde nicht eingebaut."
Denn erst, wenn ein Testzentrumsbetreiber durch diese erste Plausibilitätsprüfung fällt, wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob die angegeben Tests tatsächlich gemacht wurden. In Niedersachsen sind 116 von etwas mehr als 800 Testzentren bereits in diesem ersten Schritt auffällig geworden; sie werden nun eingehender geprüft. Die Auszahlung an sie ist momentan gestoppt, bis die Prüfung abgeschlossen ist. Der Gesundheitsökonom Stefan Sell ist der Meinung: So wünschenswert umfangreichere Prüfungen wären, sie seien illusorisch.
"Es hört sich immer einfacher an solche Tatbestände zu kontrollieren, als man das dann in der Praxis hinbekommt. Wir reden hier über Millionen Fälle, die in kurzer Zeit abgewickelt werden und sie brauchen einfach unglaublich viel Manpower, wenn Sie dies fallbezogen auch nur ansatzweise kontrollieren wollen und da muss man glaube ich den betroffenen Kassenärztlichen Vereinigungen auch zustimmen: Das ist schlichtweg nicht da."
In Frankfurt schaue das Gesundheitsamt jetzt jedenfalls genauer hin, sagt der stellvertretende Leiter Antoni Walczok. 40 Kontrollen habe das Gesundheitsamt bei den 125 Teststellen absolviert, denen es eine Betriebserlaubnis gegeben hat. Überprüft wurde stichprobenartig und gezielt, wenn es zum Beispiel Hinweise aus der Bevölkerung gab. Fünf Testzentren in Frankfurt hat das Gesundheitsamt die Zulassung wieder entzogen und sie geschlossen, sagt Walczok.
"Was häufig falsch gelaufen war, ist, wenn zum Beispiel ein Testkit eingesetzt wird und dort heißt es, die Kontrolle, das Ergebnis kann nach zehn oder 15 Minuten abgelesen werden, aber die Ergebnisse schon nach ein, zwei oder fünf Minuten mitgeteilt wurden. Dann kann man sagen, dieses Ergebnis kann nicht valide, kann nicht korrekt sein und das ist einfach unzulässig. Oder die Personalien wurden nicht überprüft oder es gab nennenswerte Hygienemängel. Das ist ein Testcenter, das wir so nicht länger akzeptieren können."

Strengere Kontrollen

Auch Testzentrums-Betreiber Sebastian Klosak hat die strengeren Kontrollen zu spüren bekommen. Seine Teststellen zu eröffnen, habe länger gedauert als bei vielen seiner Kollegen, die schon im Frühjahr damit angefangen hatten. Schuld daran seien die Betrugsfälle, sagt Klosak: "Zum Beispiel die Stadt Frankfurt wollte dann zuerst gar keine Beauftragungen mehr erteilen. Ich wollte schon im Mai eine Beauftragung in Frankfurt bekommen. Und erst dann nach längerer Zeit habe ich dann wieder die Beauftragung bekommen."
Wie groß der finanzielle Schaden für den Staat durch die mutmaßlichen Betrugsfälle ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffern. Wie aber sieht die Bilanz der Bürgertests aus volkswirtschaftlicher Sicht aus? Waren die etwa 3,5 Milliarden Euro, die der Bund den Testzentren zwischen März und August 2021 laut Bundesgesundheitsministerium gezahlt hat, eine gute Investition? Durchaus, sagen Wirtschaftsexperten. Ein Forscherteam um den Ökonomie-Professor Hans-Martin von Gaudecker von der Universität Bonn kommt zu dem Ergebnis, dass die Tests für die Wirtschaft sehr sinnvoll waren. Denn so konnten erneute Ladenschließungen verhindert werden.
"Also die Schnelltests haben die Infektionszahlen Ende Mai um 40 Prozent reduziert im Vergleich zu einem Szenario, wo es diese Tests seit Anfang März nicht gegeben hätte." Von Gaudecker und sein Team haben anhand von Daten aus der zweiten und dritten Corona-Welle, also von September 2020 bis Mai 2021, analysiert, wie gut verschiedene Corona-Regeln dazu beigetragen haben, Infektionsketten zu unterbrechen.

Ökonom: Testen lohnt sich monetär sehr

Der Simulation zufolge waren die Schnelltests entscheidend für die sinkenden Infektionszahlen – auch im Vergleich zu Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen, Impfungen oder PCR-Tests. Insofern habe sich die Investition in die Bürgertests – mal abgesehen von der Verhinderung von Krankheitsfällen – auch wirtschaftlich rentiert, sagt der Bonner Ökonom: "Das Ifo-Institut hat ausgerechnet, dass ein Lockdown von der Stärke wie er Anfang des Jahres war, pro Woche und Person etwa 20 bis 30 Euro kostet. In unseren Simulationen kamen in der Spitze 70 Tests pro Woche auf 100 Personen, was sich schon als sehr effektiv erwiesen hat. Bei 15 Euro im Durchschnitt pro Test summiert sich das auf gut zehn Euro pro Woche und Person. Also aus rein monetären Erwägungen lohnt sich das Testen schon sehr."
Für manche Unternehmen hatte die Einführung der Bürgertests außerdem vorteilhafte Nebeneffekte. Sie konnten ihre Umsatzausfälle zumindest teilweise ausgleichen, indem sie eine Teststation aufgemacht haben. Waren Testzentren also erweiterte Corona-Hilfen? Das könne man tatsächlich so sehen, sagt Ökonomie-Professor Hannes Ullrich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. "Im Endeffekt war das damit vielleicht sogar ein doppelt gut ausgegebener Euro, den man hier für Tests verwendet hat. Weil die Tests selber natürlich schon einen höheren Payback oder Gewinn für uns gesellschaftlich hatten als sie gekostet haben. Und wenn man dann nebenbei noch einen kleinen neuen Dienstleistungssektor entstehen lassen hat für eine gewisse Zeit, ja dann warum nicht."
Tatsächlich ist es möglich, zeitgleich Corona-Hilfen zu beziehen und eine Corona-Teststation zu betreiben. Wie das Bundeswirtschaftsministerium auf Nachfrage des Deutschlandfunks mitteilt, sei das unter anderem bei der sogenannten "Überbrückungshilfe III" und der "Neustarthilfe" denkbar. Wer seinen ursprünglichen Betrieb weiterlaufen lässt und gleichzeitig eine Teststation betreibt, muss die Einnahmen aus den Tests aber als Umsätze angeben, wenn er Überbrückungshilfen beantragt.

Dilemma für das Gesundheitssystem?

Bleibt die Frage, wie viele Testzentren sich langfristig halten werden. Das hängt aus Sicht der Volkswirte davon ab, ob sie ihr Geld ausschließlich mit den Tests verdienen. Während die Einnahmen aus Tests für Arztpraxen und Apotheken eine geringe Rolle spielen, werden es andere, private Teststellen-Betreiber schwer haben - und einige wohl in den kommenden Monaten schließen müssen. Teststationen-Betreiber Sebastian Klosak hätte sich gewünscht, dass der Staat die Tests zumindest teilweise weiter mitfinanziert.
Und auch Ökonom Hans-Martin von Gaudecker sagt: "Also man hätte vielleicht für die Tests einen kleineren Betrag verlangen können, irgendwas zwischen den 15 bis 20 Euro, wo wir jetzt wahrscheinlich landen werden, und den 0 Euro, die sie bisher gekostet haben. Also vielleicht, dass man sie soweit subventioniert, dass die noch fünf Euro pro Person kosten."
Stefan Sell
Gesundheitsökonom Stefan Sell (dpa / picture alliance / Horst Galuschka)
Nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, auch Virologen bezweifeln, ob das radikale Ende der kostenlosen Tests sinnvoll ist. Der Virologe Martin Stürmer leitet ein Medizinlabor in Frankfurt am Main und ist Lehrbeauftragter an der dortigen Goethe-Universität: "Ja, nach aktuellem Geschehen befürchte ich, dass wir deutlich steigende Zahlen Richtung Herbst/Winter bekommen werden. Einfach aufgrund der Tatsache, dass wir beim Impfen nicht wirklich eine Beschleunigung erfahren."
Aus epidemiologischer Sicht zieht er eine überwiegend positive Bilanz der kostenlosen Tests: Auch wenn die Schnelltests nicht so präzise seien wie PCR-Tests, hätten sie vermutlich viele Infektionen entdeckt und die Ausbreitung verhindert. Viel zu testen ist aus Sicht von Stürmer weiterhin sinnvoll - nicht nur für Ungeimpfte: "Ich sehe so ein bisschen das Problem, dass wir gerade bei den Geimpften natürlich auf die Tests verzichten und solange wir aber noch nicht so viele Menschen geimpft haben in Deutschland, übersehen wir damit möglicherweise Infektionsgeschehen. Und in der jetzigen Situation, wo eben noch nicht eine völlige Durchimpfung der Bevölkerung stattgefunden hat, halte ich es tatsächlich für sinnvoll so ein Konzept aufzulegen, indem man auch Geimpften einen regelmäßigen Test anbietet."
Mit dem Ende der kostenlosen Tests könnte ein Dilemma auf das Gesundheitssystem zukommen, meint der Gesundheitsökonom Stefan Sell: Einmal abgeschafft sei es der Bevölkerung politisch kaum vermittelbar, die Testinfrastruktur ein zweites Mal staatlich finanziert aufzubauen. Allerdings - es ist nicht das einzige Szenario, das eintreten könnte: "Das könnte man durchaus von außen interpretieren als einen, wie ich als Ökonom glaube, übrigens sehr wirkkräftigen Mechanismus einen enormen Impfdruck auszuüben, wenn man nämlich gleichzeitig über 3G oder 2G Regelung da den Zugang zu touristischen, gastronomischen Angeboten und so weiter verengt. Dann wird möglicherweise bei einem Teil der Betroffenen dann letztendlich dann doch die Entscheidung fallen: Na gut, jetzt lass ich mich dann eben impfen."
Denn die Impfung ist für Bürgerinnen und Bürger kostenlos und somit günstiger, als es die Tests künftig sein werden. Ein Abstrich wird Ökonomen zufolge demnächst um die 20 Euro kosten.