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Covid-19-Impfung für Kinder
Impfempfehlung möglicherweise nicht für alle Minderjährigen

Bisher ist kein Corona-Impfstoff für unter 16-Jährige zugelassen, ändern wird sich das wohl erst zum Jahresende. Wer dann geimpft werden soll, ist unklar, denn meistens verläuft eine Covid-Erkrankung bei Kindern milde. Für ein Ziel der Impfstrategie ist die Immunisierung Minderjähriger jedoch unabdingbar.

Von Susanne Rochholz | 19.02.2021
Ein leeres Injektionsfläschchen des Impfstoffs gegen Corona von Biontech/Pfizer
Auch Minderjährige gehören in Ausnahmen zu Risikogruppen (picture alliance/dpa/Robert Michael)
Masern, Mumps, Röteln, Keuchhusten, Polio – gegen alle diese und noch andere Krankheiten sollen Kinder in Deutschland geimpft werden. So empfiehlt es die STIKO, die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut. Doch ausgerechnet ein vorbeugender Schutz gegen Covid-19 ist für Unter-16-Jährige zurzeit nicht vorgesehen. Doch das könnte sich in einigen Monaten ändern. STIKO-Mitglied Fred Zepp jedenfalls befürwortet grundsätzlich die Entwicklung und Zulassung eines Coronavakzins für Kinder und Jugendliche:
"Das ist eine sinnvolle Entwicklung, das ist eine Entwicklung, die stattfinden muss. Aber wir müssen auch sagen – von der Krankheitslast her, die bei Kindern auftritt, von der Gefährdung der Kinder –, ist es jetzt wirklich nicht gerechtfertigt, ungeprüft vorschnell neue Impfstoffe einzusetzen, ohne zu wissen, ob sie nicht auch Risiken für eben das Kind bedeuten. Und es ist ganz klar: In der Medizin und auch in der Impfstoffentwicklung für Kinder fordern wir natürlich eine besondere Sorgfalt. Denn anders als ein Erwachsener ist das ein sich entwickelnder, ständig verändernder Organismus, bei dem wir Langzeitfolgen beobachten müssen, die es beim erwachsenen Organismus in der Form gar nicht gibt."
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Kinder auf jeden Fall zu impfen, hält Fred Zepp deshalb für wenig sinnvoll. Schließlich entwickelten Jungen und Mädchen im Falle eine Ansteckung mildere Symptome als Erwachsene und infizierten andere Menschen seltener. Selbst Neugeborene überstünden eine Infektion mit SARS-Cov2 in der Regel sehr gut, berichtet der Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Mainz: "Wir werden also ganz genau betrachten müssen: Eine Impfung ist nur dann sinnvoll, wenn sie für die Altersgruppe tatsächlich einen Vorteil hat."
Fred Zepp denkt da vor allem an Kinder mit Vorerkrankungen. "Für diese Gruppe würde man dann unter Umständen Impfstoffe vorsehen. Das wäre eine sogenannte Indikationsempfehlung." Damit würde die Covid-19-Impfung praktisch gleichgesetzt mit der Grippe-Impfung, die auch nicht generell für alle Kinder und Jugendlichen empfohlen wird, sondern nur für Minderjährige mit Vorerkrankungen wie Asthma und Diabetes.

Impfung Minderjähriger notwendig für Herdenimmunität

Das Robert-Koch-Institut setzt allerdings auf Herdenimmunität, um nicht geimpfte Minderjährige vor einer Ansteckung zu schützen. Und die dürfte im Fall von SARS-CoV-2 schwer zu erreichen sein, wenn nicht auch Kinder und Jugendliche geimpft werden. Hans-Iko Huppertz, der Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin plädiert deshalb für eine breiter angelegte Impfkampagne für Minderjährige:
"Da ja Kinder und Jugendliche etwa 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wäre es sehr schwierig, eine Herdenimmunität zu erreichen, ohne Kinder und Jugendliche zu impfen. Von der Prozentzahl her würde das vielleicht funktionieren, aber man muss ja überlegen, dass eben Kinder und Jugendliche nicht gleichmäßig über die gesamte Bevölkerung verteilt sind. Es geht nur, wenn über alle Herden verteilt 70, 80 Prozent geimpft sind."
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Zulassungsstudien für Minderjährige laufen

Die Akademie hat Ende vergangenen Jahres bei allen Coronaimpfstoff-Herstellern nachgefragt, wann Vakzine für Kinder und Jugendliche verfügbar sein könnten. Alle Produzenten hätten bereits entsprechende Zulassungsstudien geplant, so der Dachverband der kinder- und jugendmedizinischen Gesellschaften. Bei den Herstellern Biontech/Pfizer und Moderna laufen diese Studien bereits.
Für die Altersgruppe der 12-15-Jährigen rechnet man bei Biontech/Pfizer nach Informationen der New York Times schon bis Ende März mit ersten Ergebnissen. Die Studien sollen klären, welche Dosierung bei bestimmten Altersgruppen ratsam ist und welche Impfnebenwirkungen auftreten können.
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Bei zwei Impfdosen im Abstand von vier Wochen und einer anschließenden Nachbeobachtungszeit von mindestens sechs Monaten rechnet STIKO-Mitglied Fred Zepp allerdings frühestens in der zweiten Jahreshälfte mit aussagekräftigen Ergebnissen: "Und dann würde ich sagen, ist es so, dass wir frühestens in dieser Altersgruppe mit Impfstoffen rechnen können vielleicht im vierten Quartal diesen oder Anfang des nächsten Jahres."
Eine schrittweise Öffnung von Schulen und Kitas halten Fred Zepp und Hans-Iko Huppertz aber auch ohne Impfung der Kinder und Jugendlichen für vertretbar, sofern die gängigen Infektionsschutzmaßnahmen wie Abstand halten, Mundschutz tragen und regelmäßiges Lüften eingehalten werden.
Schülerinnen und Schüler sitzen mit Masken und Abständen in einem Klassenraum. Vorne steht eine Lehrerin, ebenfalls mit Maske.
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