Stefan Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Georg Nüßlein (CSU). Guten Morgen, Herr Nüßlein!
Georg Nüßlein: Guten Morgen.
Nüßlein: Warum sind Sie sauer auf Frau Schulze?
Nüßlein: Nun, ihr Bericht hat das ja ganz genau beschrieben. Sie macht einen Alleingang und ihr Gesetz hat nur ein Motto. Sie schiebt die Verantwortung den Ressortministern zu, sorgt aber nicht dafür, dass das mit Geld unterlegt ist. Das heißt, das ist ein Taschenspielertrick, ein Rahmengesetz machen, das die anderen zwanghaft erfüllen sollen, wo sie dann auch noch jahresscharf die Vorgaben macht, aber niemand sagt, wie das finanziert werden soll.
Ich bin gespannt, wie das Klimakabinett heute mit diesem Thema der Gebäudesanierung zurechtkommen wird. Das ist für uns ein Kernanliegen, weil wir wissen, weil wir wissen, dass ein Riesenpotenzial in diesem Thema steckt und der Finanzminister nicht bereit ist, das tatsächlich zu finanzieren. Darum geht’s! Wir wollen, dass das Kabinett ordentlich zusammenarbeitet und dass wir nicht irgendwelche Rahmengesetze machen, die nicht tatsächlich zum Klimaschutz beitragen.
Nüßlein: Brauchen Innovationssprünge für Klimaschutz
Heinlein: Was stört Sie denn, Herr Nüßlein, wenn die Umweltministerin den anderen Ressorts mehr oder weniger freie Hand lässt in ihren Bereichen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren? Es bleibt den Ministern doch viel Spielraum, auch den Ministern der Union. Wäre es Ihnen lieber, wenn sie ganz feste Vorgaben gibt für das einzelne Ressort und auch sagt, wie das umgesetzt werden muss?
Nüßlein: Wo kommen wir denn da hin, wenn sich die Umweltministerin als Superministerin aufstellt und sagt, sie macht die Vorgaben, jahresscharf, ressortscharf? Sie setzt die Sanktionen fest. Das heißt, wenn Ziele verfehlt werden, muss das aus dem Ressort entsprechend mit Notmaßnahmen begleitet werden. Da ist dann auch zwischen den Ressorts keine Flexibilität. Und sie setzt dann auch noch einen Klimarat einen, der das Ganze überwacht. Das heißt, im Grunde hat sie damit die einzelnen Ressortminister, wenn das so käme, komplett entmachtet. Das ist das Gegenteil von viel Spielraum, sondern das ist im Grunde ein Volkswirtschaftsplan, den sie aufstellt, den die anderen dann erfüllen müssten. So wird das nicht funktionieren. Ich glaube auch nicht, dass Klimaschutz so linear funktionieren wird, sondern dass wir da tatsächlich Innovationssprünge brauchen. Auch die kann man so in der Weise nicht planen.
Ich halte es auch für ganz, ganz schwierig, dass wir da plötzlich beispielsweise die Deutsche Umwelthilfe mit am Kabinettstisch haben, weil diese Ziele dann einklagbar wären. Ich meine, wir sollten in dem Kabinett sinnvoll zusammenarbeiten, einen Weg suchen, tatsächlich konkreten Umweltschutz zu machen. Denn das, was sie selber gerade bemängelt hat, das hat sie ja selber ausgelöst. Wir streiten abstrakt über ein Gesetz, das nichts bringt, außer Streit und Stress. Wir sollten uns wirklich überlegen, welche Maßnahmen wir miteinander machen wollen. Das bieten wir seit Monaten an. Dazu reicht die Bundesumweltministerin nicht die Hand. Stattdessen hat sie uns provoziert mit einem Gesetz, von dem wir von vornherein gesagt haben, wir werden das so nicht machen. Das ist übrigens auch tatsächlich von unserem Koalitionsvertrag nicht abgedeckt.
"Wir verlieren eine Menge Zeit"
Heinlein: Herr Nüßlein, nun ist das, was Sie gerade sagen, was aufgeführt wird auf der Berliner Bühne, für viele Menschen wahrscheinlich ein Beispiel für parteipolitischen Streit. Ist denn das Thema Klimaschutz, das ja vielen Menschen sehr, sehr wichtig ist – das haben die letzten Wahlen gezeigt -, tatsächlich das richtige Thema für diese parteitaktischen Manöver, für diesen koalitionsinternen Streit?
Nüßlein: Definitiv nicht. Da gebe ich Ihnen vollständig recht. Das haben wir ja schon, bevor sie ihr Gesetz veröffentlicht hat, gesagt: Das was Du jetzt hier vorhast, das führt am Schluss nur zu einem Koalitionsstreit. Lass uns konkret Maßnahmen bestimmen, lass uns konkrete Politik für Klimaschutz machen, weil das Thema so wichtig ist. – Stattdessen sind wir jetzt seit Monaten in diesem Stellungskampf an der Stelle, was ich bedauere in der Tat, weil es dem Thema nicht angemessen ist und weil ich glaube, wir könnten eine ganze Menge nach vorne bringen, wenn man es denn tun wollen würde. Stattdessen streiten wir uns über ein abstraktes Gesetz, das 0,0 Klimaschutzbeitrag beinhaltet. Da ist keine einzige Maßnahme genannt, gar nichts, von Finanzierung, wie Sie es vorhin richtig beschrieben haben, gar nicht zu reden, und das ist das, was mich jetzt momentan umtreibt. Wir verlieren eine Menge Zeit, nur weil die SPD ein schwarze Peter Spiel vorhat, nämlich ein Gesetz machen will, bei dem sie die Zuständigkeit wegschiebt, die Kompetenz aber behalten will – in dem Sinne, dass sie sagt, wir bestimmen, was für Ziele angestrebt werden sollen, die Verantwortung haben aber die anderen. So geht das nicht, dass man Kompetenz und Verantwortung in der Weise teilt.
Heinlein: Nun spielt Ministerin Schulze ja genau dieses schwarze Peter Spiel und spielt Ihnen den Ball zurück. Sie hat ja erklärt, sie warte seit Februar auf die Rückmeldung der Union zu ihrem Klimagesetz. Herr Nüßlein, jetzt haben wir fast Juni. Warum wartet die Union mit ihrer Antwort auf die Vorschläge von Frau Schulze?
Nüßlein: Jedenfalls von mir hatte sie diese Antwort schon, bevor sie das Gesetz veröffentlicht hat. Als sie uns beschrieben hat, was sie vorhat, habe ich ihr ganz klar gesagt, das ist nicht Gegenstand der Koalitionsvereinbarung, nicht davon gedeckt, das ist nicht das, was wir machen wollen. Wir wollen kein abstraktes Gesetz; wir wollen ein Gesetz – und das haben wir von Anfang an gesagt -, in dem konkrete Maßnahmen genannt sind, wie wir den Klimaschutz voranbringen wollen. Das geht los bei der Gebäudesanierung über Wasserstoff-Strategie bis hin zu vielen anderen Themen, die man da in dem Zusammenhang auch einbauen kann. Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin jetzt ein gutes Korrektiv entwickelt hat. Ich hoffe, dass sich das Klimakabinett heute auf Maßnahmen verständigen wird. Die begleiten wir dann auch konstruktiv. Aber dieses seltsam anmutende Gesetz mit dem Klimarat der Bundesumweltministerin, das werden wir nicht mittragen.
Nüßlein: Verzichtsdiskussion ist ziemlich dekadent
Heinlein: Herr Nüßlein, in diesem Zusammenhang würde ich gerne Ihren Parteifreund Joachim Pfeiffer zitieren. Für ihn ist die Klimadebatte nur noch schwer erträglich. Die Debatte sei alarmistisch. Für viele sei der Klimaschutz zu einer Art Ersatzreligion geworden. – Herr Nüßlein, ist das die Einstellung Ihrer Partei, von CDU/CSU, mit der Sie junge Wähler zurückgewinnen wollen, für die ja Klimaschutz sehr wichtig ist?
Nüßlein: Das ist nicht die Haltung gegenüber dem Klimaschutz an sich. Ich gehe davon aus, dass Kollege Pfeiffer die Art und Weise gemeint hat, wie diskutiert wird und wie hier vorgegangen wird. Aber das müsste er selber erklären, das müssen Sie ihn selber fragen. Wir sind nicht der Meinung, dass es sich hier um eine alarmistische Ersatzreligion handelt. Wir sind eher der Auffassung, dass wir nicht mehr nüchtern genug über Schritte diskutieren können, die uns voranbringen. Da geht es uns insbesondere um Innovation. Was Deutschland an Beitrag leisten kann, ist ja nicht, die nationale Klimastatistik zu schönen, sondern tatsächlich innovative Technologien entwickeln, die die Welt anwendet. Denn am Schluss wird nicht bei uns entschieden, ob wir CO2 in der Atmosphäre reduzieren oder nicht, sondern auf der Welt. Da haben wir ein immenses Bevölkerungswachstum, Leute, die noch nicht mal über Mobilität nachdenken können, die erst dahin wollen, und wir müssen im Grunde Technologien entwickeln, wie die mobil bleiben, bei denen auch ein Wohlstandszuwachs da ist. Unsere ganze Verzichtsdiskussion, die wir führen, ist eine Diskussion, die müssen Sie in Entwicklungs- und Schwellenländern so nicht führen. Die ist nämlich ziemlich dekadent.
Heinlein: In diesem Zusammenhang, Herr Nüßlein, noch eine Frage zu einem anderen Thema. Ihre Parteivorsitzende hat eine Debatte über Regeln für politische Meinungsmache im Internet in Wahlkampfzeiten in Gang gebracht. Sie kennen das. Es gibt Kritik von vielen Seiten. Hat Ihre Partei ein Problem mit den sozialen Medien, mit den modernen Wegen der politischen Netzkommunikation?
Nüßlein: Zunächst reden Sie da auch mit dem falschen, denn ich bin Mitglied der CSU.
Heinlein: Die gehört aber bekanntlich zur Union. – Aber dennoch würde mich Ihre Meinung interessieren. – Hallo! – Jetzt hat das Telefon aufgegeben bei dieser spannenden Frage. – Das war Georg Nüßlein, Unions-Fraktionsvize von der CSU. Ich bedanke mich dennoch für das Gespräch und ich wünsche Ihnen, Herr Nüßlein, wenn Sie noch zuhören, einen schönen Tag.
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