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CSU-Politiker Uhl zu Großeinsatz in München
"Der Staat muss vorher tätig werden"

Auch der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl lobt den Einsatz der Sicherheitskräfte in München. Er stellte im DLF aber auch die Frage, was der Staat im Vorfeld tun könne. Polizei und Nachrichtendienste müssten ihre Arbeit ausweiten und möglichst viele Erkenntnisse sammeln.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Martin Zagatta | 23.07.2016
    Sie sehen Hans-Peter Uhl, CSU-Innenpolitiker
    Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl wünscht sich mehr Möglichkeiten für Polizei und Nachrichtendienste (picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
    Uhl betonte, der Staat habe die Aufgabe, die Bürger vor Gefahren wie in München zu schützen. Insofern sei es professionell abgelaufen, was die bayerische Polizei und die Bundeskollegen geleistet hätten. In München habe sich gezeigt, dass man gerüstet sei, zumindest was die Schadensbegrenzung angehe.
    Wichtig sei aber ebenso die Prävention, und hier gehe es um nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Ganz allgemein gelte: Wenn ein Terrorist zur Tat schreite, dann habe der Staat schon verloren. Man müsse mehr dafür tun, in die Gefährderszene hineinzukommen, sich besser mit den anderen Behörden im In- und auch im Ausland austauschen.
    Uhl betonte, Polizei und Nachrichtendienste müssten die Möglichkeit haben, möglichst viel zu wissen. Dafür müssten sie personell und technisch ausgerüstet sein. Allerdings müssten die Deutschen auch mental ihr Verhältnis zu den Nachrichtendiensten ändern, das unter anderem geprägt sei durch die NS-Zeit. Dieses Verhältnis sei in Deutschland etwas gestört - im Ausland sei das anders.

    Das Interview in voller Länge:
    Martin Zagatta: Wir sind verbunden mit Hans-Peter Uhl, der CSU-Politiker, Bundestagsabgeordneter, lange Jahre war er Vorsitzender auch der Arbeitsgruppe Innenpolitik der Unionsfraktion. Guten Tag, Herr Uhl!
    Hans-Peter Uhl: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Uhl, Sie leben in München, als wir uns gestern Abend verabredet haben mit Ihnen, waren Sie in München auch unterwegs. Haben Sie selbst etwas mitbekommen von dieser angespannten Stimmung in der Stadt?
    Uhl: Ja, natürlich. Ich war genau zu der Zeit in der Nähe des Olympia-Einkaufszentrums, und wir haben die Auffahrt der vielen Polizeikräfte erlebt und dann auch die ganze Stimmung in der Stadt, die natürlich sehr angespannt war, die Menschen waren hoch besorgt. Ich musste dann abends noch unseren Hund ausführen, nachts um zwölf, da war ich allein auf der Straße, die anderen Menschen waren mit Recht zu Hause in ihren Häusern – das war die Stimmung. Und da fragt man sich natürlich, was kann der Staat tun. Der Staat hat die primäre Aufgabe, seine Bürger zu schützen vor solchen Gefahren, von innen, von außen, und da muss man zunächst mal – da möchte ich mich Rainer Wendt anschließen … das war professionell, was die bayerische Polizei zusammen mit den Bundeskollegen gestern gemacht hat. Es kam zu keiner Panik, und sie haben eine perfekte Arbeit geleistet.
    Zagatta: Und wie im Gespräch eben mit Rainer Wendt auch wollen wir jetzt gar nicht über Motive des Täters oder mögliche Hintergründe spekulieren, weil es im Moment…
    Uhl: Das hat keinen Sinn, das geht noch gar nicht.
    "Der Staat muss vor der Tat tätig werden"
    Zagatta: … weil es im Moment ja wirklich Spekulation war, da erhoffen wir uns auch nachher noch nähere Auskünfte, die Polizei will ja da am Vormittag noch eine Pressekonferenz geben. Aber Herr Uhl, das Szenario war ja gestern Abend: Drei Täter, davon war die Rede, die bewaffnet in einer großen Stadt wie München unterwegs sind, und Sie haben es schon angedeutet, wir müssen uns da über Sicherheit unterhalten. Haben Sie den Eindruck für dieses Szenario, dass wir ausreichend – so hat es ja ausgesehen –, dass unsere Sicherheitskräfte für einen solchen Einsatz, also für eine solche schwierige Situation ausreichend gerüstet sind?
    Uhl: Es hat in München sich gezeigt, dass wir gerüstet sind für die Schadensbegrenzung, wenn die Tat passiert ist, aber Sie müssen sich ja andere Fragen stellen. Wenn wir dann das Motiv kennen – geistig verwirrte Einzeltäter oder radikalisierte Islamisten –, dann stellt sich doch die Frage, was kann der Staat im Vorfeld der Tat tun, also vor der Tat, nicht nach der Tat. Da geht es um Fragen der Prävention, da geht es um Fragen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten.
    Zagatta: Was fehlt Ihnen da, wenn wir es vielleicht auf diesen Punkt bringen dürfen, das klingt ja jetzt so durch. Was vermissen Sie da, was fehlt Ihnen da?
    Uhl: Mir geht es darum, dass wir erkennen, wenn ein Terrorist zur Tat schreitet mit der Waffe, dann hat der Staat verloren, da kann er nicht mehr helfen, da kann er nur noch zum finalen Rettungsschuss greifen, das heißt den Täter unschädlich machen. Der Staat muss vor der Tat tätig werden, und da müssen wir sehr viel mehr unsere Schwerpunkte setzen: nachrichtendienstliche Arbeiten, in die Gefährderszene reinkommen, Erkenntnisse austauschen mit anderen Nachrichtendiensten, auch im Ausland, sehr viel mehr Zusammenarbeit, weil wir in einem Boot sitzen, was den Kampf gegen den Terror anlangt. Diesen Kampf kann man nur besiegen oder bewältigen oder die Gefahren schmälern, indem wir alles, was wir wissen, zusammentragen. Aber man muss was wissen, das heißt, man muss der Polizei, den Nachrichtendiensten die Erkenntnisse, Möglichkeiten geben, personell ausstatten, instrumentelle Ausstattung, technische Ausstattung, das ist das Hauptthema.
    "Haben ein etwas gestörtes Verhältnis zu unseren Nachrichtendiensten"
    Zagatta: Und ganz praktisch, was heißt das, was müssten wir denn jetzt aus Ihrer Sicht ändern?
    Uhl: Wir müssten uns auch mental unser Verhältnis als Deutsche zu den Nachrichtendiensten, die ja natürlich geprägt sind von den historischen Erfahrungen mit der NS-Zeit, mental uns ändern. Wir haben ja ein etwas gestörtes Verhältnis zu unseren Nachrichtendiensten, das ist im Ausland anders.
    Zagatta: Ganz praktisch, Herr Uhl, also Sie sagen, das sind Möglichkeiten, um gegen Terrorismus vorzugehen, es deutete ja heute Morgen einiges darauf hin, dass das vielleicht überhaupt kein Terrorist war, dass der junge Mann ganz andere Motive hatte, darüber wollen wir gar nicht spekulieren. Aber eine ganz praktische Frage: In Großbritannien – das liest man immer wieder oder erlebt es dort auch – gibt es diese ausgedehnte Kameraüberwachung, da hätte man relativ schnell vielleicht sogar feststellen können gestern, dass es ein Einzeltäter war. Haben wir da in ganz praktischen Bereichen ein Manko oder sind wir da gut aufgestellt?
    Uhl: Das müsste mittlerweile auf einem vernünftigen Mittelweg. Noch vor 10, 20 Jahren war die Stimmung gegen diese Kameras, und da haben wir erheblich nachgerüstet, aber lang nicht so viel wie England. Und ich glaube, den Weg, den wir beschritten haben, der ist ausreichend. Solche Kameras dienen ja auch dazu, Taten aufzuklären, um von dem gleichen oder anderen Tätern ein Bild zu bekommen, um zukünftige Taten auch damit verhindern zu können. Das hat schon alles seinen Sinn, aber da sind wir auf dem richtigen Weg.
    Zagatta: Herr Uhl, noch kurz: Heute im Laufe des Tages soll der Sicherheitsrat tagen in Berlin, offenbar auch unter der Leitung der Bundeskanzlerin. Was versprechen Sie sich von diesem Treffen, was kann da herauskommen?
    Uhl: Dass die Bundesebene sich bewusst macht, wie die Gefahrenlage tatsächlich auch in einer so sicheren Stadt wie München aussieht, noch einmal zu überprüfen, haben wir alles getan als Gesetzgeber oder haben wir sehr viel in den letzten Monaten getan, was die technischen Möglichkeiten und die rechtlichen Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden angeht. Das ist gut, dass sich der Bund unmittelbar befasst. Natürlich ist es zu früh, jetzt ganz konkrete Schlüsse daraus zu ziehen, aber dass der Terror auch in Deutschland, selbst in München ankommt, haben wir immer gesagt, es war nur eine Frage der Zeit. Und ob es jetzt ein Terrorist war oder ein geistig gestörter Amokläufer, vom Ergebnis her ist es dasselbe.
    Zagatta: Der CSU-Politiker, Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl. Herr Uhl, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch heute Morgen!
    Uhl: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.