Montag, 29. April 2024

Archiv


Dänen wollen Auseinanderdriften der EU verhindern

Dänemark übernimmt ab Januar 2012 die Ratspräsidentschaft der EU. Seit der Amtsübernahme von Helle Thorning-Schmidt ist Kopenhagen um pro-europäische Signale bemüht. Doch die Krise des Euro sowie die Verhandlungen um den Europakt lassen wenig Handlungsspielraum.

Von Marc-Christoph Wagner | 29.12.2011
    Als die dänische Regierungschefin das Podium im Plenarsaal des dänischen Parlaments betritt, ist ihr Anspannung, aber auch eine gewisse Vorfreude anzumerken. Noch keine 100 Tage ist Helle Thorning-Schmidt im Amtund schon übernimmt Dänemark die Ratspräsidentschaft der EU.

    "Wir übernehmen das Ruder zu einem historischen Zeitpunkt. Europa befindet sich in einer tiefen Krise. Bundeskanzlerin Merkel spricht von einer existenziellen Gefahr, Kommissionspräsident Barroso von der größten Herausforderung in der Geschichte der EU."

    Seit die Sozialdemokratin Thorning-Schmidt die Regierungsgeschäfte führt, ist Kopenhagen um pro-europäische Signale bemüht. Eine der ersten Amtshandlungen der Mitte-links-Koalition war es, die von der Vorgängerregierung eingeführten Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze zurückzunehmen. Thorning-Schmidt hat zudem das Auftreten von Bundeskanzlerin Merkel in der aktuellen Eurokrise und besonders ihre Entschlossenheit immer wieder gelobt – auch im Deutschlandfunk, kurz vor ihrem ersten Berlin-Besuch nach Amtsantritt:

    "Wir müssen froh sein über die Führungsrolle, die Deutschland in der jetzigen Situation übernommen hat. Ich wage gar nicht daran zu denken, wo wir stehen würden, wäre die deutsche Kanzlerin nicht vorangegangen."

    Erstmals hat nun ein Europaminister einen festen Platz im dänischen Kabinett. Der 40-jährige Nicolai Wammen soll die Europapolitik der dänischen Regierung koordinieren und die EU-Ratspräsidentschaft erfolgreich managen:

    "Zweifellos ist es eine unglaublich schwierige Phase, in der sich die EU derzeit befindet. Darum möchten wir eine " bridge over troubled waters" sein und dafür sorgen, dass die 17 Eurostaaten und die zehn Nicht-Eurostaaten nicht auseinanderdriften, sondern auch weiterhin an einem Strang ziehen. Denn das ist die beste Art, die Herausforderungen, mit denen wir alle konfrontiert sind, zu lösen."

    Europa, das betonen die Regierungschefin und ihr Europaminister immer wieder, dürfe in der jetzigen Krise nicht auseinanderbrechen. Und obwohl dies bislang nur hinter vorgehaltener Hand gesagt wird, so nähren die Dänen offenbar die Hoffnung, die Briten im Zuge ihrer Ratspräsidentschaft an den Tisch der 27 zurückholen zu können. Dänemark und Großbritannien pflegen traditionell enge Beziehungen. In beiden Ländern ist die EU-Skepsis weit verbreitet. Die dänische Regierung hat allerdings von vorneherein ausgeschlossen, beim Europakt dem britischen "No" zu folgen.

    "Dänemark geht in die Ausarbeitung des Europaktes offen hinein. Dem ersten Entwurf, der nun vorliegt, stehen wir positiv gegenüber und hoffen, uns daran so weit wie möglich beteiligen zu können. Gleichzeitig müssen wir Rücksicht darauf nehmen, dass die Dänen sich in einem Referendum gegen den Euro entschieden haben. Alles aber sieht derzeit danach aus, dass dies beides miteinander vereinbar sein wird."

    Die Krise des Euro sowie die Verhandlungen um den Europakt – schon das lässt der dänischen Ratspräsidentschaft keine großen politischen Spielräume. Dennoch formuliert Regierungschefin Thorning-Schmidt vier Prioritäten, die die Arbeit ihrer Regierung in den kommenden sechs Monaten leiten sollen:

    "Wir müssen ein verantwortliches Europa sichern, ein dynamisches, ein grünes und ein sicheres Europa. Mit anderen Worten: Wir müssen unsere Haushalte konsolidieren und dann für neues Wachstum und neue Arbeitsplätze sorgen. Wir müssen europäischen Unternehmen den Weg ebnen, die in grüne Technologien investieren. Und wir müssen dafür sorgen, dass unsere Bürger in Sicherheit leben können."

    Im Gegensatz zur letzten dänischen Ratspräsidentschaft 2002, als auf dem Kopenhagener Gipfel die EU-Osterweiterung beschlossen wurde, sind die Ambitionen der Dänen dieses Mal also weitaus niedriger – und das trotz einer pro-europäischen Regierung. Eine Arbeitspräsidentschaft sei es, sagt Marlene Wind, Leiterin des Zentrums für Europäische Studien an der Kopenhagener Universität – eine Arbeitspräsidentschaft, bei der es eher darum gehe zu verwalten, als zu gestalten:

    "Wir werden nicht auf der großen Bühne stehen und viel Applaus ernten. Unsere Rolle wird es sein, diskret und hinter den Kulissen zu wirken. Da müssen wir die richtigen Fäden ziehen, um die EU zusammenzuhalten."