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Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig
Erinnerungskultur in Polen

Nach dem Willen der PiS-Regierung sollte das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig Heldentum und Leid der Polen zeigen, nicht die europäische Perspektive. Deshalb musste der Gründungsdirektor Pawel Machcewicz kurz nach der Eröffnung gehen. Die Umdeutung der polnischen Geschichte reicht aber weiter.

Von Sabine Adler | 05.08.2018
    Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig gespiegelt im Wasser im März 2017
    Das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig - zehn Jahre vergingen von der Idee bis zur Umsetzung. (imago stock&people)
    Die Bücherverbrennung der Nazis auf dem Berliner Opernplatz gehört zum historischen Filmmaterial, das das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig in seiner Ausstellung zeigt. Das Exponat ist unstrittig, was man selten sagen kann, wenn von dem jüngsten, teuersten aber auch am meisten umkämpften Museum Polens die Rede ist. Hauptgegner von Anfang an war Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der konservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit. Die Idee für das Weltkriegsmuseum hatte Pawel Machcewicz, der sie dem damaligen Premier Donald Tusk antrug, und damit dem falschen, aus der Sicht Kaczynskis.
    "Jaroslaw Kaczynski hat schon 2008, als das Museum wenig mehr als eine Idee war, davon gesprochen, dass es zur Desintegration der polnischen Nation führen wird. Ab da bekam das Museum scharfen Gegenwind zu spüren, voller Fremdenfeindlichkeit und Isolationismus."
    Das Museum – und damit die Deutungshoheit über den Zweiten Weltkrieg – geriet zwischen die Fronten.
    "Die PiS-Regierung möchte Andersdenkende herausdrängen und lässt unsere Sicht auf den Zweiten Weltkrieg nicht zu. Wir verstehen die polnische Geschichte als einen Teil der europäischen. Für die PiS ist das eine Bedrohung. Das Heldentum und Leid der Polen käme darin nicht vor."
    Kontroversen um die Polen als Täter
    Die Polen streiten nicht erst seit dem Weltkriegsmuseum, sondern weit länger und so erbittert wie kaum eine andere Nation über ihre Geschichte. Und weil die Parteien deutlich lauter zanken als die Historiker forschen, geht so manches ihrer Ergebnisse unter. Die Kontroversen entbrennen erwartungsgemäß immer dann besonders heftig, wenn es um Polen als Täter geht.
    "Als Historiker haben wir uns mit schwierigen Kapiteln auseinandergesetzt. Seit den 1990er Jahren zum Beispiel mit den Vertreibungen der Ukrainer und Deutschen. Geradezu traumatisch verlief die Diskussion über die Pogrome in Jedwabne und anderen Orten. Die PiS lehnt jede Diskussion darüber ab und bezichtigt die Historiker, eine Pädagogik der Schande zu betreiben. Paradoxerweise bekommt sie dafür in der Gesellschaft große Unterstützung, was nicht verwundert, denn es ist eine besonders schmerzhafte Geschichte."
    Jedwabne steht für ein Pogrom, das 1941 in dem gleichnamigen ostpolnischen Ort stattfand. Polen verbrannten Juden in einer Scheune, was zumindest mit Billigung der deutschen Besatzer geschah. Die Geschichte der beiden Nachbarländer ist oft schmerzhaft und eng verwoben, die Aufarbeitung hierzulande erregt nicht selten zusätzlich Anstoß in Polen, somit ist Deutschland häufig nolens volens Gegenstand polnischer Geschichtsdebatten.
    "Als im Umfeld der Jedwabne-Diskussion Berlin laut über ein Denkmal der Vertriebenen diskutierte, das besonders von Erika Steinbach befürwortet wurde, hatten die Polen das Gefühl, dass die Deutschen jetzt als Opfer dastehen wollten und in den Polen die Täter sahen. Und diese Angst machte sich die PiS zunutze."
    Das Geschehen in Jedwabne wird umgedeutet
    Der 52-jährige Historiker Pawel Machcewicz aus Warschau kann ein Lied von den heftigen Diskussionen in seiner Heimat singen, gerade erscheint sein Buch, das die Auseinandersetzung um das Danziger Museum Revue passieren lässt. Zuvor hatte er das polnische Institut für Nationales Gedächtnis gegründet. Schon als Redakteur und Autor einer zweibändigen Ausgabe über Jedwabne wurde er nicht mit Samthandschuhen angefasst.
    "Wir Historiker haben das Geschehen in Jedwabne Minute für Minute rekonstruiert, dass die Mörder Polen waren, von den Deutschen angestiftet. Als die Partei Recht und Gerechtigkeit an die Macht kam, stellte sie als Regierungspartei diese Wahrheit in Frage und der jetzige Direktor des Instituts für Nationales Gedächtnis sagte, dass Deutsche die Juden von Jedwabne getötet hätten, wobei sie einige kriminelle polnische Helfershelfer an die Seite geholt hätten."
    Solche Umdeutungen und Polens derzeitige Streitkultur könne er nicht mehr emotional nennen, sondern nur noch brutal. Das Ganze sei Teil einer viel größeren Auseinandersetzung.
    "Es geht um das Selbstverständnis Polens als Nation, seine Kultur. Für mich war eine der wichtigsten Errungenschaften seit 1989 der Pluralismus. Für jeden gab es einen Platz. Aber jetzt hat nur noch die PiS das Sagen, sie beansprucht für sich das Monopol auf die Wahrheit. Und wer anderer Meinung ist, ist kein Pole."
    Pawel Machcewicz ist optimistisch, dass es sich nur um eine Übergangsphase handelt.