Samstag, 20. April 2024

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Demo am Hambacher Forst
"Es wird heute ein absolutes Freudenfest werden"

Der Sprecher der Bürgerinitiative „Buirer für Buir“, Andreas Büttgen, hat die Gerichtsentscheidungen zum Hambacher Forst begrüßt. Die heutige Großdemo werde zum Freudenfest, sagte er im Dlf. Die Kohlekommission müsse nun schnell einen Weg zum Ausstieg aus der Braunkohle finden.

Andreas Büttgen im Gespräch mit Stefan Heinlein | 06.10.2018
    Ein Protestzug unterwegs in Richtung Hambacher Forst. Er wird von Polizisten begleitet.
    Aktivisten protestieren während eines Demonstrationszuges in der Nähe von Kerpen Buir. (imago stock&people, 85476046 )
    Stefan Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt Andreas Büttgen, er ist Sprecher der Initiative "Buirer für Buir", ein Bürgerverein für Umweltschutz und gegen den Braunkohletagebau in der Region. Guten Morgen, Herr Büttgen!
    Andreas Büttgen: Ja, schönen guten Morgen, Herr Heinlein!
    Heinlein: Nein zur Rodung, Ja zur Demo – doppelt gute Nachrichten waren das gestern für Sie von den Gerichten in Aachen und in Münster. Wird das heute also ein Freudenfest am Hambacher Forst und keine Protestkundgebung?
    Büttgen: Beides. Ich glaube, es ist erst mal ein wenig wie Hambacher Fest 2.0, es ist erst mal ein Freudenfest, dass wir wieder in demokratische Grundzüge zurückgekehrt sind, nachdem ja sowohl die Demo als auch die Räumungen und zugleich auch Rodungen im Hambacher Wald doch arg Zweifel am Politik- und am Demokratieverständnis unserer Landesregierung haben aufkommen lassen.
    Die richterliche Entscheidung gestern in beiden Fällen ist, glaube ich, etwas, was das Herz jedes Deutschen wieder höherspringen lässt im Sinne von demokratischer Grundordnung, und das gilt es zu feiern. Es gilt aber auch, darauf aufmerksam zu machen, wie fragil dieses ganze System auch ist und wie schnell es gekapert werden kann von Interessen.
    "Bin extrem froh darüber, dass diese Strategie nicht aufgegangen ist"
    Heinlein: Die Entscheidungen der Gerichte, diese doppelte Entscheidung, diese positive Entscheidung, hat das also Ihr Vertrauen in den Rechtsstaat, in die freiheitlich-demokratische Grundordnung wieder gestärkt?
    Büttgen: Absolut. Es war schon eine große Befürchtung, dass tatsächlich die Strategie von RWE aufgehen könnte, so viel vom Hambacher Wald zu roden, so viel zu vernichten, dass ein Gericht nachher sagen müsste und würde, es ist nicht mehr aus Artenschutzgründen zu erhalten.
    Ich bin persönlich extrem froh darüber, dass diese Strategie nicht aufgegangen ist, sondern dass tatsächlich die Richter unabhängig davon geurteilt haben und ganz klar gesagt haben: Alles das, was vom Hambacher Wald vorhanden ist, ist schützenswert und es dürfen erst mal, bevor nicht wirklich das endgültige Urteil gesprochen ist im Hauptverfahren, keine irreparablen Schäden angerichtet werden.
    Heinlein: Also alle Mythen, alle Verschwörungstheorien über die Macht der Konzerne und das gemeinsame Spiel von Konzernen, Industrie und Politik müssen zunächst einmal zumindest mit Blick auf den Hambacher Forst beerdigt werden?
    Büttgen: Für eine Zeit sicherlich. Man darf aber ja nicht übersehen, wie viel Schaden in den letzten wenigen Wochen angerichtet wurde. Wer den Wald kennt ungefähr Anfang September und wer ihn heute sieht, hat Tränen in den Augen, denn das, was früher schmale Waldwege waren, was schmale Forstwege waren, eingebettet in wunderschöne alte Bäume, da sind heute Highways im Wald angelegt mit Sand, mit Kies drauf, mit Schotter.
    Und da, wo die Baumhäuser waren, sind riesige Flächen, fußballfeldgroß, ausgerodet worden, da sind Lichtungen, wo früher kein Lichtstrahl herkam, ist es dort taghell. Also der Wald hat wirklich fundamentale Schäden erlitten durch diese, na ja, völlig unsinnigen und aus meiner Sicht auch nach dem gestrigen Urteil unrechtmäßigen Arbeiten. Dennoch, der Wald ist genauso stark wie der Widerstand, der Wald wird sich erholen und wir als Widerstand werden für den Wald alles geben, damit er eben erhalten bleibt und sich wieder auch wirklich in Würde erholen kann.
    Heinlein: Verstehe ich alles, was Sie sagen, Herr Büttgen. Aber die Frage war, ob der Mythos, dass RWE der Landesregierung in Düsseldorf die Gesetze diktiert, jetzt endlich beerdigt werden muss?
    Büttgen: Das hängt an der Landesregierung. RWE wird das weiter tun, so wie sie das gewohnt sind. RWE hat, glaube ich, dieses Unternehmensverständnis, diese Unternehmenskultur, anderen zu sagen, was sie zu tun haben, das ist, ich nenne das immer Gutsherrenart. Und aus Sicht von RWE ist das Land NRW eher der Vogt, der dann auszuführen hat. Dass das nicht immer klappt, hat jetzt RWE Gott sei Dank, auch für uns Menschen, ganz klar die Gerichte gezeigt und da bin ich sehr froh und dankbar drüber.
    "Es geht letztendlich darum, dass unsere Erde zu schützen ist"
    Heinlein: Es bleibt also ein Grundmisstrauen, das höre ich, Herr Büttgen. Letztendlich rettet die Bechsteinfledermaus den Hambacher Forst, das ist die Schlagzeile heute vieler Zeitungen heute, wenn Sie sie aufschlagen.
    Büttgen: Ja, das ist ein ganz possierliches Tierchen und wir lieben es. Also das ist ja verrückt in unserer Welt, dass oft Artenschutz vor Menschenschutz geht. Für uns ist es gut, für viele Menschen in anderen Prozessen, Verfahren auch, dass Tiere oder bedrohte Arten die Kraft haben, tatsächlich auch für den Menschen wirksam zu sein. Im Grunde genommen geht es ja letztendlich darum, dass unsere Erde zu schützen ist, und da ist es völlig egal, ob das ein kleiner Regenwurm, eine Bechsteinfledermaus oder ein Feldhamster ist.
    Heinlein: Die Mitarbeiter von RWE dürften anders sehen. Der Kurs ihres Unternehmens ist eingebrochen, das Unternehmen, der Konzern rechnet mit dreistelligen Millionenbeträgen jedes Jahr, die jetzt an Verlusten drohen. Zahlen letztendlich die Mitarbeiter von RWE die Zeche für den Schutz dieser Fledermaus?
    Büttgen: Nein. Die Mitarbeiter, das wissen wir ja alle auch durch Studien, haben ja überhaupt kein Problem. Es wird weiter ja Kohle gefördert, der Tagebau Garzweiler läuft, der Tagebau Inden läuft. Es wird jeden Tag weiter Kohle verstromt. Und es gibt ja noch kein Ausstiegsszenario irgendwo in, ich sage mal, vier, fünf, sechs, acht, zehn Jahren, sondern nach wie vor ist ja jetzt erst mal nur die Rodung im Hambacher Wald unterbrochen.
    Und der BUND hat ja eindrucksvoll nachgewiesen, dass noch für mehrere Jahre auch mit den bestehenden Tagebaugrenzen der Tagebau Hambach weiterentwickelt werden kann. Von daher ist es jetzt wichtig, auch für die Mitarbeiter, ganz besonders auch für die Mitarbeiter, dass jetzt die Kohlekommission einen guten Ausstiegsweg beschreibt, der dann von der Bundesregierung zügig umgesetzt wird, in Gesetze gefasst wird, und dass klare Rahmenbedingungen für alle hier im Konflikt Beteiligten geschaffen werden.
    Und das ist eben für die Mitarbeiter auch wichtig, dass sie genau wissen, wann geht es in den Kohleausstieg, wann ist tatsächlich das letzte Kraftwerk abgeschaltet. Und dann ist es wichtig, dass das Unternehmen und auch die Gewerkschaft IG BCE an der Stelle den Mitarbeitern einen klaren Kurs vorgeben, was das für sie bedeutet.
    "Es ist eigentlich alles angerichtet für das Hambacher Fest 2.0"
    Heinlein: Reden wir, Herr Büttgen, zum Schluss unseres Gespräches noch kurz über die Demonstration heute, über das Freudenfest. Wo werden Sie die Kundgebung stattfinden lassen und ist das alles sicher? Die Polizei hat ja hier im Vorfeld ganz massive Sicherheitsbedenken.
    Büttgen: Also erstens wird es ein Freudenfest, da bin ich überzeugt von. Keiner, glaube ich, weiß wirklich, wie viele Menschen kommen werden nach den letzten auch schwierigen Verhandlungen gestern und vorgestern. Es wird stattfinden zwischen Buir und zwischen dem Hambacher Wald, also von meiner Haustüre aus entfernt vielleicht zum Wald hin einen guten Kilometer Luftlinie, auf einem abgeernteten Feld, also auch da sind also jetzt keine Ernteausfälle, keine großen Schäden zu erwarten. Und ich glaube, es wird heute in der Tat ein absolutes Freudenfest werden.
    Die Sicherheitsbedenken: Es gibt nie wirkliche Sicherheit. Ich glaube, es gibt kein Festivalgelände, was man hundertprozentig sichermachen kann. Wenn es überhaupt Bedenken geben kann, dann muss man sich fragen, ob dieses Verzögern und Taktieren der Landesregierung nicht dazu geführt hat, dass möglicherweise Sicherheitsprobleme entstehen könnten. Ich habe aber gestern gesehen, wie mit wahnsinniger Energie, mit unheimlicher Freude gearbeitet wurde, um dort alles aufzubauen, hinzustellen und sicherzumachen. Die Konzepte sind mit der Bahn besprochen, die Bahn fährt im 20-Minuten-Takt über den ganzen Tag, es fahren über 100 Busse, die gut gesteuert werden. Es ist eigentlich alles angerichtet für, ja, Hambacher Fest 2.0.
    Heinlein: Können Sie verhindern, dass einzelne Personen versuchen werden, auf das Gelände in den Hambacher Forst vorzudringen? Das ist ja verboten.
    Büttgen: Nein, ich glaube nicht, dass man das verhindern kann, das ist auch nicht Aufgabe der Menschen, die heute diese Veranstaltung organisieren. Es ist eine Standkundgebung, die vor Ort stattfindet. Und wenn Menschen sich eben zum Beispiel dann von dieser Standkundgebung wegbewegen, dann verlassen diese Menschen diese Versammlung. Und es wird nicht Aufgabe sein jetzt zum Beispiel von irgendwelchen Sicherheitskräften, aus der Demo heraus etwas zu tun.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.