„Wir sehen ein Erstarken der extrem-rechten Organisierung in den letzten zehn Jahren. Und damit ist auch ihr Einfluss gewachsen, den sie auf Sportdisziplinen nehmen.“ Seit Jahren untersucht Robert Claus in seiner Forschung Gewalt und Rechtsextremismus im Sport. Schon einzelne homophobe oder rassistische Kommentare können für Claus Hinweise auf eine rechtsextreme Ideologie sein.
Wie weit die in der Gesellschaft verbreitet ist, zeigt die aktuelle Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Laut ihr zeigen acht Prozent der Befragten eine klar rechtsextreme Orientierung.
Sport kann zweckentfremdet werden
Gerade der im Sport angelegte Konkurrenzkampf „Wir gegen die Anderen“ kann zweckentfremdet werden: Gegner werden zu Feinden, es wird nicht für den sportlichen Wettkampf, sondern für den Straßen- oder Endkampf trainiert: „Gleichzeitig haben wir dann einen propagandistischen Zweck: Schaut her, hier ist die große Stärke - die harten Almans! Komm, schließ dich uns an!“, erklärt Tobias Ginsburg, der als Journalist in der rechten Szene investigativ recherchiert. „Und dann ist es natürlich auch ein finanzielles Mittel. Also plötzlich kannst du mit Kampfsport-Vereinigungen, mit dem eigenen Gym, mit MMA-Veranstaltungen, auch mit einem Fußballverein plötzlich Geld machen. Du kannst auch international plötzlich auftreten, dich wunderbar vernetzen.“
Vor allem Kampfsport und Fußball sind für die rechte Szene interessant, weiß Robert Claus: „Und mittlerweile auch sehr viele sportnahe Aktivitäten. Da werden kommerziell betriebene Schießanlagen besucht, da geht es auch teilweise um so Outdoor-Survival-Hindernisläufe. Sie interessieren sich zum Beispiel auch sehr für den Bereich der Selbstverteidigung, weil Selbstverteidigungstechniken sehr anwendbar sind im Straßenkampf.“
Rechtsextremismus verfolgt keine geheime Strategie
Nichts davon ist geheim. Gerade auf Social-Media-Accounts und Homepages der Vereinigungen ließen sich die Ziele und Intentionen nachlesen, sagt Claus: „Also den Begriff der Unterwanderung, den teile ich in Bezug auf Rechtsextremismus und Sport nicht, weil in den allermeisten Fällen keine Unterwanderung stattfindet. Unterwanderung würde ja bedeuten, dass ein Sportverein mit einer geheimen Strategie gegen seinen Willen und gegen die Intention seiner Mitglieder irgendwie instrumentalisiert wird. Das ist aber selten der Fall.“
Denn entweder definieren sich Vereine schon bei der Gründung als rechtsextrem und im Kern neonationalsozialistisch. „Oder wir sprechen in vielen Fällen über Sportvereine, die in ihrer Vereinskultur kein sonderlich menschenrechtsorientiertes, demokratisches Gemeinwesen verkörpern.“
Demokratie ist mehr als Vorstandswahlen
In einem teilhabeorientierten, vielfältigen Verein hingegen werden sich Personen mit rechtem Weltbild nicht wohlfühlen, sagt Angelika Ribler, Psychologin und Sportwissenschaftlerin. Sie leitet das Referat Jugend- und Sportpolitik der Sportjugend Hessen und erarbeitet als Coach mit Vereinen ein eigenes Wertesystem und Handlungsleitfäden bei Verstößen.
Für sie ist Demokratie im Verein mehr als nur die Wahl eines Vorstands: „Wir setzen den Fokus auf die sogenannte Alltagsdemokratie. Das heißt, wir gucken auf Teilhabe und Mitbestimmung, insbesondere von Kindern, Jugendlichen, auf die Kinderrechte. Wie bringe ich meine Ideen ein, werden die gehört? Aber auch mal meine Kritik, habe ich eine Ansprechperson, wo ich mich hinwenden kann, wenn es mir nicht gut geht? All so was, das gehört alles mit zu Demokratiefacetten.“
Denkfabrik: Demokratie im Sport
Werte wie Toleranz, Respekt, Vielfalt, Gemeinschaft – werden sie im Verein gelebt, schaffe man damit ein generell täterunfreundliches Umfeld. Doch über solche Positivbeispiele werde öffentlich zu wenig berichtet, kritisiert Robert Claus: „Ich merke ja selber, wenn ich etwas twittere über eine extrem-rechte Kampfsportgruppe, kriege ich danach drei, vier, fünf Anfragen. Wenn ich etwas twittere zu einem gelungenen umgesetzten Präventionsprojekt zum Thema Vielfalt, dann ist es sehr schwer, dafür auch mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Ich will an der Stelle mit keiner Silbe sagen, dass man nicht mehr über Rechtsextreme reden soll. Wir können aber auch gelungene demokratische Vereinskultur mal beschreiben, damit positive Beispiele in die Debatte eingeführt werden.“
Rechtsextreme nutzen unregulierten Sportmarkt
Auch außerhalb des organisierten Vereinssports finden Personen rechter Gesinnung Anknüpfungspunkte: Gerade im stark gewachsenen kommerziellen, freien Sportmarkt – Fitnessstudios, Outdoor-Survival-Hindernisläufe, Kampfsport, sagt Wissenschaftler Robert Claus: „Auch Rechtsextreme haben verstanden, dass sie dort in diesem etwas unregulierten Markt sich viel besser ausleben können und dass sie sich viel besser organisieren können, weil man sie nicht aus einem Verband ausschließen kann und dass sie dort auch finanzielle Ressourcen generieren können für ihre politischen Aktivitäten.“
„Und wir können das nicht als eine Nebensächlichkeit behandeln, nicht so tun, als würde das wieder verschwinden, als könnten wir die einfach ignorieren", ergänzt Autor Tobias Ginsburg: „In dem Moment, wo wir Hinweise darauf haben - und noch mal diese Hinweise sind in seltenen Fällen subtil - in dem Fall muss man halt auch dagegen vorgehen, allein um andere Leute vor denen zu schützen. Also einfach: Wie weit kann deren Ideologie innerhalb der aufgebauten Strukturen wachsen?"
Sportvereine müssen sich ihrer gesellschaftlichen Rolle bewusst werden
Dennoch: Von einer Gesinnungsprüfung neuer Vereinsmitglieder hält Angelika Ribler nichts, ein konsequentes Handeln bei Vorfällen sei viel wichtiger, denn: „Sie sind halt da, sie sind Teil der Gesellschaft. Sie sind Fußballer, Handballer, Turner. Die Eltern sind da, die Opi und Omi und so weiter. Sie sind einfach mitten im Sportverein. Ich meine, der Sport ist die größte Bürgervereinigung Deutschlands. Die Wahrscheinlichkeit, dass da Menschen auflaufen, die eine rechtsextremen oder rechtspopulistische Gesinnung haben, ist nicht so klein.“
Und deshalb sei der erste Schritt, als Verein zu akzeptieren, dass es in den eigenen Reihen Vorfälle geben kann, und wie man damit umgehen möchte: „Und dann sind wir halt mit den Sportvereinen dabei zu klären, seid ihr politisch neutral? Ja, sie sind parteipolitisch neutral, aber eben nicht gesellschaftspolitisch neutral. Und das heißt, sie dürfen nicht nur zu bestimmten politischen Situationen was sagen, sondern sie sind sogar aufgefordert, das als zivilgesellschaftlichen Partner zu tun.“