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Depression
"Ich habe dann nur noch geweint"

Viele depressive Menschen haben das Gefühl, einfach nicht mehr weitermachen zu können. Sie schlafen oftmals schlecht, grübeln viel und müssen weinen. Der Patient Thorsten Stelter berichtet über seine Erfahrungen mit der Krankheit.

Von Mirko Smiljanic | 17.01.2017
    Mann mit gesenktem Haupt sitzt auf einer grünen Parkbank in Berlin.
    Mann mit gesenktem Haupt sitzt auf einer grünen Parkbank in Berlin. (imago/imagebroker)
    Depressionen schleichen sich mitunter langsam in das Leben von Patienten ein, so langsam, dass sie vergleichsweise spät die Krankheit registrieren. Dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Thorsten Stelter ist genau das passiert:
    "Also, es ging Ende 2011, Anfang 2012 los, ich habe damals als Rechtsanwalt in einer Kanzlei in Düsseldorf gearbeitet. Die Arbeitsbelastung war halt sehr hoch, der Druck war enorm hoch und hinzukam mit der Zeit ein kleiner interner Kanzleikonflikt, der geschwelt hat und irgendwann auch ausgebrochen ist.
    Es war so, dass ich Schlafprobleme hatte, ich konnte nicht mehr durchschlafen, bin nachts aufgewacht, musste dauernd grübeln, hatte auf einmal Zukunftsängste, fing auch an, meine bisherige Laufbahn infrage zu stellen.
    "Heulend zusammengebrochen"
    Es war dann eines Morgens im Dezember: Ich habe mich ganz normal fertiggemacht und wollte in die Kanzlei fahren. Da, wo ich wohne, gab es eine Kreuzung, ich hätte links abbiegen müssen. Ich konnte es auf einmal nicht. Ich bin dann geradeaus in den Wald gefahren, habe mich dort auf den Parkplatz gestellt und bin dann dort heulend zusammengebrochen. Also, ich hab dann nur noch geweint.
    Irgendwann habe ich dann meine Partnerin angerufen und habe gesagt, 'ich steh hier im Wald und weiß nicht weiter'. Dann sagte sie, 'okay, beruhige Dich, fahr zum LVR-Klinikum'. Das ist eine Klinik für psychische Erkrankungen, die haben halt auch eine Notfallambulanz.
    Wobei der erste Kontakt eigentlich eher negativ war, weil der erste Arzt, bei dem ich dort vorstellig geworden bin, hat das nicht ganz so ernst genommen und hat mir Schlaftabletten mitgegeben, oder so ein Beruhigungsmittel. Ich sollte doch erst mal nach Hause fahren und mich beruhigen und dann wird schon wieder alles.
    Diagnose "Depression"
    Das war ja keine Lösung in dem Sinne, und meine Partnerin hat dann gesagt, 'komm, wir gehen da noch mal gemeinsam hin.' Und dann muss ich sagen, hatte ich eine ganz tolle Ärztin erwischt. Die hat sich anderthalb Stunden Zeit genommen für mich, hat mit mir geredet, ich bin dann dort regelmäßig hingegangen. So ging das dann los, und in dem Zusammenhang wurde dann auch die Diagnose "Depression" gestellt.
    2013 habe ich gesagt, 'okay, jetzt ziehe ich erst einmal die Reißleine, ich muss wirklich mal komplett Abstand von allem gewinnen', hab dann da erst mal einen Cut gemacht. Und als ich gemerkt habe, es wird wieder besser, habe ich überlegt, was mach ich jetzt eigentlich.
    Berufliche Neuorientierung
    In den Rechtsbereich wollte ich erst mal nicht wieder rein und dann bin ich über eine Stellenanzeige gestolpert aus einem Weinladen. Dann habe ich mich dort beworben und hab der Eigentümerin des Ladens eine E-Mail geschrieben und habe ihr meine Geschichte erzählt. Das fand sie sehr beeindruckend, ja, und seitdem verkaufe ich Wein."