Mittwoch, 27. März 2024

Archiv

Der Balkan und die Kriegsverbrechen
Verklärte Helden, verurteilte Mörder

Die Arbeit des Haager UN-Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien geht zu Ende, die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen wird aber fortgesetzt. Neben der Justiz sind es vor allem zivilgesellschaftliche Initiativen, die dafür sorgen, dass die Wahrheit nicht in Vergessenheit gerät.

Von Dirk Auer | 15.06.2019
    Forensische Experten vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal in den Haag untersuchen einen Massengrab in Pilica nordöstlich von Sarajevo
    Forensische Experten vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal in den Haag untersuchen ein Massengrab in Pilica nordöstlich von Sarajevo (AFP/Odd Andersen)
    Gerichte in Sarajevo oder Belgrad tragen nun die Verantwortung dafür, dass sie nicht ungesühnt bleiben. Selbst zwei Jahrzehnte nach dem Ende der kriegerischen Konflikte ist das allerdings sehr schwierig: Nationalisten geben in vielen Balkan-Staaten den Ton vor.
    Politiker weigern sich bis heute, Kriegsverbrechen anzuerkennen, die im Namen der eigenen Volksgruppe verübt worden sind. Verurteilte werden auch in großen Teilen der Bevölkerung wie Helden verehrt, das Leid der Opfer einfach ausgeblendet.
    Es gibt auch eine andere Seite, doch neben der Justiz sind es vor allem zivilgesellschaftliche Initiativen, die dafür sorgen, dass die Wahrheit nicht in Vergessenheit gerät.
    Gegen einen Schlussstrich in Kroatien
    Das Ende des Kriegs ist vielen Kroaten noch heute Anlass für Heldengedenken: 1995 eroberten kroatische Soldaten von serbischen Einheiten besetzte Landesteile zurück. Für das Schicksal der serbischen Bevölkerung im Land ist im offiziellen Geschichtsbild jedoch kein Platz.
    Ein Porträt des Kriegsverbrechers Ratko Mladic auf dem Transparent eines seiner Anhänger
    Selektives Erinnern in Serbien
    In Serbien wird mancher Kriegsverbrecher heute noch als Held verehrt - oder hat gar ein wichtiges Amt inne. Einen wirklichen Neustart habe es nie gegeben, sagt der Menschenrechts-Aktivist Marko Milosavljevic. Er sieht eine historisch ahnungslose Generation heranwachsen.
    Wo Gedenkorte zur Provokation werden
    Im Bosnienkrieg wurde in Lagern nahe Prijedor gefoltert, vergewaltigt, gemordet. Der Opfer zu gedenken, sei nicht einfach im serbisch kontrollierten Landesteil von Bosnien-Herzegowina, sagt der Aktivist Ervin Blazevic.
    "Wir müssen befreit werden von diesem kriminellen Netzwerk"
    Die kosovo-albanische Guerillaarmee UCK kämpfte 1998 und 1999 für die Loslösung des Kosovo von Serbien. Kriegsverbrechen sind bislang nur unzulänglich aufgearbeitet. Mancher hofft nun auf ein neues Sondergericht in Den Haag - auch Fetah Rudi.
    "Wir erinnern uns", steht auf dem Banner, dass diese Menschen am 16. April 2019 halten, dem 26. Jahrestag des Massakers an 116 bosnischen Zivilisten in Vitez, heute Bosnien-Herzegowina
    Früher waren sie Feinde, jetzt gedenken sie gemeinsam
    In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien ist es immer noch weit verbreitet, dass jede Ethnie ausschließlich der eigenen Toten gedenkt. Doch es gibt auch Initiativen, die bewusst einen anderen Weg gehen - einen gemeinsamen.