Die Autobahn von Hamburg nach Bremen, irgendwann im Winter 1946. Hier sind gerade zwei Lastwagen unterwegs. Am Steuer sitzen Mitarbeiter einiger Hamburger Theater um den Verwaltungsdirektor des Schauspielhauses, Otto Burrmeister. Sie wollen ins Ruhrgebiet, um dort Kohle zum Heizen zu organisieren. In Hamburg gibt es nämlich keine Kohle und keine Briketts mehr, seit Schnee und Kälte die Bahnstrecken blockieren und kein Güterzug mehr durchkommt.
Einer der kältesten Winter seit Menschengedenken hat Europa getroffen – und damit auch das kriegsverwüstete Deutschland. Hamburgs Erster Bürgermeister Max Brauer, gerade erst ins Amt gewählt, hatte schon Ende November eine desaströse Lage skizziert.
Eine katastrophale Verknappung von allem
„Frierend hocken unterernährte Hunderttausende in herbstfeuchten Wohnungen. Sitzen in ungeheizten Kontoren und Werkstätten und sind den steigenden Gefahren der gesundheitlichen Anfälligkeit ausgesetzt. Hinzu kommt die immer katastrophaler werdende Verknappung von wärmender Kleidung, von Schuhwerk und allem, was dazugehört.“
Bereits im Oktober 1946 war es mit andauernden Temperaturen um den Gefrierpunkt ungewöhnlich kalt gewesen. In Hamburg, aber auch in München, Leipzig oder an der Ruhr. Es fehlte an allem, erzählt der Düsseldorfer Historiker Prof. Christoph Nonn.
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„Das Hauptproblem in Nordrhein-Westfalen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war zunächst mal der Hunger. Und dazu kam noch die Wohnungsnot. Durch den Bombenkrieg – ungefähr ein Drittel der Wohnungen war ja zerstört. Das heißt, das größte Problem, das die Menschen damals hatten, war zunächst mal: Wo schlafen wir denn morgen? Wo kriegen wir ein Dach überm Kopf? Und was kriegen wir morgen auf den Tisch? Kriegen wir morgen was auf den Tisch?“
Ein rigoroses Rationierungssystem
Für die Bevölkerung wurden zwar Lebensmittelkarten ausgeteilt. Doch was man dafür bekam, reichte kaum zum Überleben. Bemessen wurde nach Kalorien: 1.500 am Tag wollte man pro Kopf erreichen, mit Hilfe eines rigorosen Rationierungssystems. Hier kamen die Erzeuger ins Spiel – wie die unter US-amerikanischer und britischer Ägide produzierte Wochenschau ‚Welt im Film‘ berichtete: „Der Beruf des Bauern besteht darin, für das ganze Land die Nahrung zu schaffen. Das Ablieferungssoll ist das Mindestmaß seiner Leistung“, hieß es da.
Und weiter: „Millionen Werktätige der Großstädte aber sind nicht ausreichend ernährt. So geht Tag für Tag ein Strom von Menschen aufs Land, mit Lastwagen, zu Fuß, mit Fahrrädern, auf der Suche nach etwas Essbarem.“
„Wie ein Rudel gewalttätiger, gieriger Ratten“
Im Herbst 1946 beobachtete der Journalist Walter Henkels, wie auf einem Kartoffelacker die Ernte eingebracht wurde – während vierzig bis fünfzig hungrige Stadtbewohner am Feldrand darauf warteten, die Reste aufzusammeln. Der Bauer wollte die Nachlese eigentlich selbst machen – doch weit kam er nicht.
„Als er in diesem Augenblick am Feldweg sein Gespann wenden wollte, fasste ihn die Frau, die das Wort führte, unmissverständlich am Arm, schwang mit der Rechten ihre kurzstielige Hacke über des Bauern Kopf und sagte wahrhaftig: Sie würde ihm dies Ding in den Kopf schlagen, wenn er ein zweites Mal das Feld nachlesen werde – was jetzt noch liege, gehöre ihnen, den Leuten aus der Stadt. Der Bauer wurde weiß. Der Hass war plötzlich nackt zwischen ihnen. Wie ein Reptil – ein funkelnder, gefährlicher, maßloser, entschlossener Hass. Wie ein Rudel gewalttätiger, gieriger Ratten stürzte die Menge nun aufs Feld zur letzten, gründlichen Nachlese.“ So schilderte es Henkels in seiner Zeitungsreportage ‚Reise mit dem Kartoffelzug‘.
Weit friedlicher gesonnen waren die Theaterleute aus Hamburg auf ihrem Weg ins Ruhrgebiet. Trotz vereister Straßen erreichten sie mit ihren beiden Lkw tatsächlich ihr Ziel: eine Zeche in Recklinghausen. Und obwohl sie vielleicht nicht so recht daran geglaubt hatten – die Kumpel luden ihre zwei Lastwagen voll mit Kohle. Mit dem Heizmaterial an Bord fuhren die Hamburger zurück an die vereiste Elbe – eine Hamsterfahrt der besonderen Art, der in diesem Hungerwinter noch einige weitere folgen sollten.
Unterwegs waren sie an vielen Menschen vorbeigefahren, die auf der Straße zusammenstanden: sie wollten Geschäfte machen. Wer noch Dinge von Wert hatte – vielleicht Goldschmuck, Meißner-Porzellan oder eine luxuriöse Contax-Kamera, der tauschte sie in Lebensmittel um, oder in das stabilste Zahlungsmittel der Zeit: in Zigaretten. Solche Schwarzmarkt-Geschäfte wurden auf der Straße abgeschlossen – stets mit dem Risiko, dabei von der Polizei gestört zu werden.
Kinder ohne jede Spur von Kindlichkeit
Ein Reporter des Nordwestdeutschen Rundfunks NWDR konnte das in Duisburg miterleben. „Und wir sehen jetzt, wir haben gehalten, die Polizisten sind von ihren Fahrzeugen gesprungen. Haben die Schwarzhändler auch schon etwas gemerkt, nach allen Richtungen hin spritzen sie auseinander. Junge Kerle mit kleinen Päckchen unter den Armen, Erwachsene mit großen Koffern oder Taschen, aber der Polizeiriegel war schnell, und sicher ist er geschlossen worden, die Kette ist dicht, alles, was drin ist, ist mitgehangen und mitgefangen und kommt nicht raus.“
Aber was waren das für Menschen, die der Polizei hier ins Netz gingen – und von denen sie die meisten, ohne Ware, bald wieder laufenließ? Eine Frage, die sich auch der NWDR-Reporter Hasso Wolf stellte. Kurz nach dem Ende der Abendschicht suchte er sie auf: in der Nähe eines Fabriktors in Köln.
„Neun, zehn, vielleicht auch elf Jahre alt mögen sie sein. Und kaum, dass man in ihren Gesichtern noch eine Spur von Kindlichkeit findet. Was haste denn?“ „Kleider, Nähjarn!“ „Und was kost‘ das Nähgarn?“ „Nähjarn zwanzich!“ „Na, gib mal ne Rolle her. Dankeschön. Und was verdienst Du am Tag?“ „Ach, kütt all janz drauf an. Manchmal, wenn et jutjeht, auch 50 Mark und so... manchmal kömmt auch jar nix.“
„Ja, wir müssen doch leben!“
Kurz darauf kam Reporter Hasso Wolf mit der Mutter des Mädchens ins Gespräch, als er spätabends an ihrer Haustür klingelte. Ob spontan und ungeplant, darüber lässt sich heute nur spekulieren. In jedem Fall aber spiegelte der damalige Dialog millionenfache deutsche Wirklichkeit in diesem Winter.
„Ja, wir müssen doch leben! Wovon soll‘n wir denn sonst leben? Mein Mann is‘ in Russland, in Gefangenschaft, vier Kinder hab ich noch, die Erika ist die älteste, ich selbst kann nicht weg, ich kann nicht arbeiten, ich muss meine Kinder versorjen – kann sie ja nich‘ verhungern lassen, die Kinder!“ „Haben Sie keine Angst mal um das Mädchen?“ „Ach, Angst – die kann juut laufen, wenn die Polizei kommt.“ „Ja, ich meine, so für später.“ „Ach, so oder so kapott, ob dat jetz‘ oder… wann. Ich mein, jetzt könn‘ wir wenigstens leben, wenn sie so auf den Schwarzen Markt geht und ein bisschen was verkauft, ne? Muss ja nu‘ schließlich sein!“
Frauen und Kinder als Grenzschmuggler
Auf dem Land nutzte man noch andere Möglichkeiten, um sich über Wasser zu halten. Zum Beispiel in Lichtenbusch in der Nähe von Aachen, wo heute die Autobahn 44 die Grenze nach Belgien kreuzt. Was der Radioreporter Hans Jesse und seine Kollegen dort tief in der Nacht beobachteten, das konnte man noch an unzähligen anderen Orten erleben: von Ostfriesland bis hinunter zum Bodensee.
„Das sind Menschen! Abgehärmte, hungrige Menschen. Immer tragen sie eine Last bei sich. Sie schleppen, geduckt und um sich spähend. Auf ein verdächtiges Geräusch hin drücken sie sich in den Dreck. Lauern sichernd rundum. Kriechen voran. Meter um Meter. Was sind das für Menschen? Viele Frauen und Kinder sind darunter.“
„Und was sie grenzwärts schleppen, sind Bestecke, Bohrer, Fahrrad-Freiläufe, Fotoapparate, Schreibmaschinen, Schuhe, Glühbirnen, Aspirin, Kochtöpfe. Auch Vieh geht vorüber. Tragende Kühe, Schweine, Pferde. Und Gold und Perlen und Uhren.“
„Zurück kommt nur Kaffee. Viel schlechter Kaffee, eine kleinere Menge Zigaretten und Tabak, Kakao und sonstige Lebensmittel.“
Ein Christstollen aus Kartoffeln
Unter solchen Vorzeichen begann die Weihnachtszeit 1946. Mit Grenzschmuggel, mit Obdachlosigkeit und Hunger – und mit eiskalten Nächten. In Hannover und Braunschweig sank das Thermometer auf minus 18 Grad. Doch nicht überall wollte man sich die Stimmung verderben lassen; und so kursierten sogar Rezepte für die beliebten Christstollen. Mit den feinen Rezepturen, die etwa Leipziger und Dresdner Hausfrauen seit Jahrzehnten wie ein Familiengeheimnis hüteten, hatten die allerdings nur noch wenig gemein.
„Man nehme: 600 Gramm Mehl und 25 Gramm Kartoffelmehl. 375 Gramm am Vortag geriebene Kartoffeln. Zur Füllung eignet sich Kartoffelmarzipan: 124 Gramm lässt man mit zwei Esslöffeln Wasser kochen, gibt 250 Gramm frische, geriebene Pellkartoffeln hinzu, rührt alles zusammen, bis sich die Masse vom Topf löst, und schmeckt nach Erkalten mit Aroma ab.“
Ein Kardinal, der Diebstahl nicht verurteilt
Ein luxuriöses Rezept – mit insgesamt einem ganzen Kilo Mehl und Kartoffeln. Wohl nur wenige Menschen konnten sich das in diesem Winter leisten. Denen, die nicht einmal das Allernötigste zum Überleben hatten, gestattete der Kölner Kardinal Joseph Frings in seiner Silvesterpredigt, sich dieses Allernötigste notfalls auch erst einmal einfach zu nehmen. Als „Fringsen“ sollte dieses Verhalten in die Geschichte eingehen – und es sollte den Kardinal zu einer bis heute legendären Figur machen. Dennoch erlebten die meisten Menschen ein tristes Weihnachtsfest. Gerade in Großstädten wie Köln, Berlin oder Hamburg mit ihren beengten Wohnverhältnissen.
„Jetzt wohnen unzählige Familien in einem und demselben Wohngefängnis!“, so Hamburgs Bürgermeister Max Brauer. „Durcheinander. In der Küche streiten sich fünf Parteien und mehr um die gleiche Herdflamme. Den gleichen Wasserhahn. Und den gleichen Kehrichteimer.“
Freuden der Freiheit
Nur einen schwachen Trost boten da jene Freuden, von denen die WDR-Journalistin Carola Stern noch dreißig Jahre später in einer Geschichtssendung erzählte.
„Konzert und Oper. Kino, Kabarett, Theater. Das war der einzige Luxus, den wir uns für unsere Reichsmark leisten konnten. Niemals wieder habe ich so intensiv wie damals das Theater, die Musik erlebt. Stundenlang wanderten wir durch die Berliner Trümmerlandschaft, um zu hören und zu sehen, was zwölf Jahre lang verboten gewesen war. Im Titania-Palast, einem Kino, spielten die Philharmoniker unter Celibidache Felix Mendelssohn Bartholdy. Im Theater sahen wir Paul Wegener als Nathan den Weisen, Iphigenie, Macbeth.“
Doch die Weihnachtsferien mit ihren kleinen Zerstreuungen gingen vorüber, die Schule begann wieder. „In den Hamburger Volksschulen gehen 30 bis 50 Prozent der Schulkinder völlig barfuß oder waten mit zerfetzten Schuhen durch Kälte und Regen. An den Arbeitsplätzen lichten sich die Reihen der Belegschaften bedenklich, weil die in ihren dürftigen Lumpen frierenden Menschen Erkältungskrankheiten erliegen.“
Leid wie in einer klassischen antiken Tragödie
Zu Weihnachten war es mit minus fünf Grad vergleichsweise mild gewesen. Doch im neuen Jahr sank die Temperatur zeitweise auf bis zu minus 25 Grad. Ein Notprogramm von Bürgermeister Brauer sah zudem vor, dass Privathaushalte nur noch für zwei Stunden am Tag Strom bekamen. Auch an der Ruhr zog die Kälte wieder an. Der Journalist Maximilian Scheer beobachtete dort, wie die Menschen auf ihre Lebensmittelkarte fünf Pfund Brot erhielten. Nicht am Tag – in der Woche. Dazu ein halbes Pfund weiterer Getreideerzeugnisse oder ähnliches. Mehr nicht. Kein Fett, kein Fleisch, kein Gemüse, kein Obst. Statt der erhofften 1.500 Kalorien gab es täglich nur noch 800.
Gerüchte machten die Runde: Im hessischen Gießen gebe es Butter! Und etliche Frauen hätten sich dorthin auf den Weg gemacht – 170 Kilometer weit. Die Kartoffeln, die viele vor Weihnachten für Januar und Februar aufgespart hatten, waren in der Kiste erfroren. Eiweiß, Fett und Vitamine hatten die Menschen schon seit Jahren zu wenig bekommen. Sie starben an Krankheiten, mit denen sie normalerweise leicht fertiggeworden wären, und viele verloren die Hoffnung. Die Berliner Polizei verzeichnete allein im Januar 1947 200 Selbstmorde. Berlins Oberbürgermeister Otto Ostrowski sah Parallelen in der klassischen antiken Tragödie.
„Ein großes Sterben ist ausgebrochen“
„Wir haben vor unseren Augen eine bis aufs Äußerste von Kälte und Hunger gemarterte Stadt. Wir können mit Sophokles sagen: Zu sehr leidet die Stadt schon, sie kann ihr Haupt nicht mehr erheben aus der Verzweiflung. Ein großes Sterben ist ausgebrochen, und täglich steigt die Zahl der Todesopfer. Das ist wirklich das Schicksal Berlins in diesem langandauernden, grauenvollen Winter. Und wie im Oedipus des Sophokles seufzt die Bevölkerung unter der schweren Last und ruft um Hilfe. Wir können nicht mehr! Helft uns, rettet uns!“
Dabei hatte es eiskalte Winter wie diesen schon häufig gegeben; 1929 war dabei sogar die Ostsee zugefroren. Aber 1946 hatte Deutschland gerade zwei Weltkriege hinter sich. Den zweiten hatten sie mutwillig vom Zaun gebrochen, am ersten trugen sie zusammen mit ihrem damaligen Verbündeten Österreich-Ungarn die Hauptschuld. [*] All das, was den Deutschen 1946 fehlte, hatten sie 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, noch reichlich besessen: Nahrung, Kleidung, Wohnungen, Öfen und Kohle zum Heizen.
Ein aufstrebendes Land stürzt in den Abgrund
Damals, vor 1914, war Deutschland auf dem besten Weg gewesen, ökonomisch zur globalen Nummer zwei hinter den USA zu werden – ein boomendes Land, das die Nobelpreisträger fast am Fließband hervorbrachte. Deutschland war einmal die Apotheke der Welt gewesen – jetzt musste jeder, der mit einer einfachen Blinddarmentzündung ins Krankenhaus kam, auf Schlimmes gefasst sein – wie der Hamburger Bürgermeister Max Brauer schon Ende November gewarnt hatte.
„In der Chirurgie der Krankenhäuser fehlt es an fast allem, besonders an Verbandsstoffen und Narkotika. Dadurch ist mancher Todkranke zu einem qualvollen Sterben verurteilt, sodass wir nur mit Grausen diesem Geschehen zusehen können und uns nichts anderes übrigbleibt, als auch hier die Menschlichkeit derer anzurufen, die nicht so arm sind wie wir.“
Das Erbarmen der Alliierten
Jeder wusste, wen Brauer meinte: die alliierten Besatzungsmächte. Und tatsächlich hatten dort viele ein Einsehen. Ex-US-Präsident Herbert Hoover besuchte in diesem Februar Deutschland. Nach Amerika zurückgekehrt, redete er Klartext.
„Die große Masse des deutschen Volkes ist, was Ernährung, Heizung und Wohnung anlangt, auf den niedrigsten Stand gekommen, den man seit hundert Jahren in der westlichen Zivilisation kennt.“
Und so griffen die Siegermächte tief in die Tasche: Sie lieferten Nahrungsmittel ins besiegte Deutschland. Monate später bilanzierte der stellvertretende US-Militärgouverneur George P. Hays aus britischer und amerikanischer Sicht: „Nahezu siebeneinhalb Millionen Tonnen Lebensmittel im Wert von über 967 Millionen Dollar wurden seit dem 8. Mai 1945 bis zum 16. Oktober 1947 auf Kosten der Steuerzahler beider Länder in die Bizone eingeführt. Und ich möchte hinzufügen, dass dies eine äußerst großzügige Behandlung ist, die Deutschland als besiegter Nation durch seine Sieger zuteilwird.“ So Hays in der damaligen Übersetzung von RIAS Berlin.
Aus Dank wird Kultur
Sein Stichwort „Bizone“ markierte bereits ein Stück Hilfe zur Selbsthilfe. Zwischen britischer und US-Zone gab es seit der Jahreswende erstmals regulären Handel ohne Zollgrenze. Fünf Monate später entwickelte der amerikanische Außenminister George Marshall jene Ideen einer Wirtschaftshilfe für Europa, aus denen im März 1948 der vielzitierte Marshall-Plan werden sollte. Aber trotz Wirtschaftshilfe und Bizone: Es dauerte, bis die Bevölkerung sich von Kälte und Mangel erholte. Erst Ende Februar überschritt das Thermometer wieder den Nullpunkt – nach 40 Tagen Dauerfrost. Und erst am 19. März wehte die ersehnte milde, warme Luft durch das Land.
Der Winter des Schreckens war zu Ende. Das erlebten auch Otto Burrmeister und seine Mitstreiter vom Schauspielhaus Hamburg. Sie wollten sich bei den Bergleuten von Recklinghausen, die ihnen mit Kohle ausgeholfen hatten, gern bedanken. Und so gastierten im darauffolgenden Sommer Hamburger Schauspieler im Ruhrgebiet. Entstanden ist daraus das bis heute lebendige Kulturfestival, bei dem 1951 dieser Konzertmitschnitt entstand: die Recklinghausener Ruhrfestspiele.
[*] An dieser Stelle haben wir eine Formulierung präzisiert.