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Der Mond und seine Masse

Planetologie.- Im Abstand von 200 Kilometern fliegen die NASA-Sonden GRAIL 1 und GRAIL 2 um den Mond. Ihre Mission: das Schwerefeld des Erdtrabanten zu untersuchen. Das nämlich ist den Wissenschaftlern nach wie vor ein Rätsel. Es zieht Raumsonden mal mehr und mal weniger an – ohne sichtbaren Grund, ohne Auffälligkeiten auf der Mond-Oberfläche.

Von Guido Meyer |
    Die Überlegungen der US-Raumfahrtbehörde NASA waren so einfach wie naheliegend: Überfliegt ein Raumschiff einen Mondberg, wird es für kurze Zeit ein wenig mehr angezogen und dabei ein wenig näher an den Mond herangeführt. Damit vergrößert sich gleichzeitig sein Abstand zu einem hinter ihm fliegenden zweiten Raumschiff. Diese minimale Veränderung ist es, die die beiden GRAIL-Satelliten messen sollen, die fliegenden Gravity Recovery And Interior Laboratories.

    Ins "Zentrum des Mondes" – so der NASA-Sprecher - würden die beiden Raumschiffe jedoch nicht direkt vorstoßen. Vielmehr sollen sie aus einer Umlaufbahn heraus zu verstehen helfen, was den Mond im Innersten zusammenhält. Unebenheiten auf seiner Oberfläche sind es, die die beiden Satelliten gemessen haben. Denn daraus können Geologen Rückschlüsse auf Massekonzentrationen im Mondinnern ziehen. Ein erstes Ergebnis der Mission ist nun, dass nicht jede Masseansammlung auch optisch als solche zu erkennen ist, wie die Geophysikerin Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge erläutert, Mitglied im GRAIL-Team der NASA.

    "Das war für uns eine Überraschung. Normalerweise schließen wir aus flachem Gelände auch auf eine geringe Anziehungskraft. Einige Krater auf dem Mond sind jedoch von Vulkanausbrüchen geradezu geflutet worden. Diese Lava ist dichter als die Mondkruste drumherum. Diese unsichtbaren Massekonzentrationen in ebenem Gelände sorgen für eine verstärkte Anziehungskraft."

    Mit diesen Erkenntnissen gibt sich die NASA noch nicht zufrieden. Sie hat deswegen die GRAIL-Mission bis Ende November verlängert. Nach einer Pause sollen die beiden Sonden ihre Messungen ab September noch einmal wiederholen – diesmal jedoch mit höherer Auflösung, wie David Smith erläutert, ebenfalls vom MIT und im Wissenschaftsteam der Mission.

    "Beim nächsten Mal werden wir die Umlaufbahn von 55 auf durchschnittlich 23 Kilometer Höhe absenken. Dann werden wir auch kleinere Krater auf mögliche Massekonzentrationen hin untersuchen können. Stellenweise wollen wir bis auf sieben Kilometer hinuntergehen. Damit befinden wir uns dann schon in Höhen, die hochfliegende Flugzeuge beispielsweise über dem Atlantik erreichen."

    Gefährlich soll das nicht sein, auch wenn die beiden GRAIL-Satelliten damit tiefer fliegen als die höchsten Gebirgserhebungen auf dem Mond hoch sind. Wo diese Gipfel sind, ist den Wissenschaftlern jedoch bekannt. Folglich sollen sie umflogen werden. Ende November schließlich dürfte sich der Treibstoff an Bord dem Ende neigen. Beide Raumschiffe werden dann auf den Mond stürzen, jedoch ohne nennenswertes Aufsehen zu erregen.

    "Sie sind klein, sie sind leicht, und sie bewegen sich nicht wirklich schnell, verglichen mit anderen Objekten, die normalerweise auf den Mond stürzen und Krater verursachen. Es dürften Einschlagkrater von nur ein oder zwei Meter Größe entstehen."

    Von der Erde aus werden diese letzten bleibenden Eindrücke der GRAIL-Mission auf dem Mond nicht zu beobachten sein, im Gegensatz zur LCROSS-Mission von 2009. Damals hatte die NASA durch den Absturz einer Raketenstufe bewusst einen großer Krater verursacht. Einziges Ziel sei diesmal ein kontrollierter Absturz, so David Smith vom MIT.

    "Am Ende wird ein letzter Rest Treibstoff übrig sein. Mit ihm wollen wir den Aufschlag der Satelliten auf den Mond von wertvollen Plätzen weglenken wie den Landestellen der Apollo-Missionen. Das wäre schon sehr unglücklich, wenn wir mit unbemannten Raumschiffen einen Ort zerstören würden, den bereits Menschen besucht haben und mit dem uns eine gemeinsame Geschichte verbindet."