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Im Tandem um den Mond

Auch Jahrzehnte nach seiner Bezwingung gibt der Mond Rätsel auf. Eines davon ist sein unregelmäßig erscheinendes Schwerefeld. Um besser zu verstehen, auf welche Kräfte man sich bei künftigen Mondmissionen einstellen muss, schickt die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA gleich zwei Sonden los.

Von Guido Meyer |
    Seit einem halben Jahrhundert fliegt die Menschheit zum Mond. Und gleich bei den ersten Missionen in den 60er-Jahren wunderten sich die Raumfahrtingenieure: Obwohl die frühen Mondsonden teilweise über flache Ebenen flogen, wurden sie mal mehr und mal weniger angezogen.

    "Über ebenem Gelände sollte die Umlaufbahn einer Raumsonde eigentlich stabil sein. Tatsächlich jedoch haben die Sonden sich dem Mond teilweise angenähert, ohne ersichtlichen Grund. Heute wissen wir, dass es unterirdische Gesteinsvorkommen gibt. Aufgrund ihrer hohen Dichte üben sie eine größere Schwerkraft auf alles aus, was in ihre Nähe kommt. Normalerweise handelt es sich dabei um Überreste von Meteoriten, die auf den Mond eingeschlagen sind und unter seiner Oberfläche begraben wurden, also unsichtbar sind. Sie verraten sich jedoch durch ihre gravitativen Effekte."

    Sami Asmar vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der US-Raumfahrtbehörde NASA in Pasadena, Kalifornien. So viel also wissen die Astronomen: Gebirge sind Masseansammlungen und ziehen überfliegende Raumsonden stärker an. Ebenes Gelände übt weniger Schwerkraft auf alles aus, was darüber fliegt. Es sei denn, unter ihnen sind Gesteinsansammlungen von hoher Dichte vergraben. Doch es gibt einen weiteren Fall: Eine Sonde fliegt über einen Berg - und nichts passiert.

    "Wir sprechen dann von einem hydrostatischen Ausgleich. Der Himmelskörper hat die erhöhte Masseansammlung durch einen Berg ausgeglichen, indem sich unter ihm Schichten von geringerer Dichte befinden. Planetare Objekte mögen es, wenn der Druck auf ihrer Oberfläche gleichmäßig verteilt ist. Hat sich der Berg zu einer Zeit gebildet, in der der Mond noch jung, heiß und seine Oberfläche von Lavaströmen bedeckt war, kann solch ein hydrostatischer Ausgleich stattfinden. Ist die Masse jedoch erst später durch einen Meteoriteneinschlag hinzugefügt worden - und zwar als der Mond bereits fest war -, gelingt solch ein Druckausgleich nicht mehr. Diesen Effekt wollen wir nachweisen."

    Mit "wir" meint Sami Asmar die NASA, die zu diesem Zweck zwei baugleiche Sonden mit dem Namen GRAIL zum Mond schicken will - die Gravity Recovery And Interior Laboratories, zwei Laboratorien also zur Untersuchung von Schwerkraft und innerem Aufbau des Mondes. Die beiden Sonden sollen in nur sechzig Kilometer Höhe über die Pole fliegen, wie Michael Watkins, ebenfalls vom JPL, erläutert.

    "Der zweite Satellit fliegt in einem Abstand von rund 200 Kilometern hinter dem ersten her. Mit Mikrowellen überwachen wir die Entfernung zwischen den beiden bis auf wenige Mikrometer genau. Überfliegt GRAIL-1 einen Berg, wird er ein wenig mehr angezogen und ein wenig näher an den Mond herangeführt. Damit vergrößert sich gleichzeitig sein Abstand zum hinter ihm fliegenden GRAIL-2. Diese Veränderung wollen wir messen. Derselbe Tanz wiederholt sich mit umgedrehten Vorzeichen, wenn die hinten fliegende Sonde später vom Berg angezogen wird, während die vordere auf ihrer Umlaufbahn bereits über ihn hinweg ist."

    Ziel der NASA: einen dreidimensionalen Globus des Mondes zu erstellen, der nicht die Konturen auf seiner Oberfläche zeigt, sondern die Massekonzentrationen - damit künftige Raumschiffe keine bösen Überraschungen erleben und eine Bruchlandung hinlegen, weil sie stärker angezogen wurden als vorausberechnet.