Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv

Deutsch-Französische Versammlung
"Europa auch den Bürgern näher bringen"

Im Élysée-Vertrag von 2019 wurde eine neue europäische Institution beschlossen, die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung. Sie kommt jetzt erstmals zusammen. Der Historiker Ulrich Pfeil sagte im Dlf, die Versammlung sollte sich vor allem um grenzüberschreitende, bürgernahe Probleme kümmern.

Ulrich Pfeil im Gespräch mit Anja Reinhardt | 24.03.2019
Die deutsche und die französische Flagge wehen vor einem grauen Himmel.
Die neue Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung tritt erstmals in Paris zusammen, mit dabei 50 Deutsche (imago)
Eine besondere Bedeutung in Europa kommt der Deutsch-Französischen Freundschaft zu. Denn diese war nach 1945 nicht selbstverständlich. Nicht nur, weil die Wehrmacht in Frankreich einmarschierte, sondern auch, weil die Geschichte der Feindschaft lange zurückreicht. Mit dem Élysée-Vertrag wurden die neuen Beziehungen 1963 vertraglich festgehalten und mit dem neuen Élysée-Vertrag, der im Januar unterzeichnet wurde, wurde nun auch eine Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung beschlossen. Am Montag (25.03.2019) tritt sie zum ersten Mal in Paris zusammen. Der Bundestag und die Nationalversammlung stellen jeweils 50 Abgeordnete, zweimal im Jahr will man tagen.
"Die Grundlage für und die Annäherung der europäischen Staaten damals nach dem zweiten Weltkrieg beruhte auf der deutsch-französischen Annäherung", sagte Historiker Ulrich Pfeil, Professor für Deutschlandstudien an der Université de Lorraine in Metz, im Dlf. Sonst hätte keine europäsche Integration stattfinden können, das sei allen Mächten klar gewesen. "Auf dieser historischen Grundlage basierte ab Ende der 50er-Jahre die europäische Gemeinschaft. Wenn man in die 70er-Jahre guckt, kam das Bild des deutsch-französischen Motors immer stärker in die Medien in die Öffentlichkeit und dominiert auch heute noch."
"Über Vorschlägemachen geht die Rolle nicht hinaus"
Der Kritik an einer weiteren Institution in Europa, die über eine Statistenrolle nicht hinauskommt, weil sie keine Beschlüsse verabschieden kann, begegnet Pfeil mit Verständnis. Die Versammlung könne Diskussionen flankieren, sensibilisieren, Vorschläge machen, darüber ginge diese Rolle aber nicht hinaus. Dennoch sieht Pfeil wichtige Aufgaben auf die Parlamentarier zukommen. Die Diskussion sei aktuell, wie man Europa den Bürgern näher bringe; nicht, dass Europa aus Brüssel und Straßburg von oben beschlossen werde, sondern die Bürger mehr einbeziehe. "Da sehe ich die Rolle der deutschen und französischen Parlamentarier. Vor allem in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit liegt eine der Aufgaben dieser Parlamentariergruppe. Wenn man sich Gedanken macht über gemeinsame Zugverbindungen, Bildung, Sprache, europäische Universitäten." In dieser Gruppe seien viele Politiker, die aus der Grenzregion kommen.
Und wenn der Brexit komme, richte sich der Blick noch viel stärker auf Paris und Berlin, so Pfeil. "Beide bekommen dann eine noch viel größere Verantwortung für eine weitere Stärkung Europas, eine Vertiefung von Europa. Ohne Frankreich und Deutschland geht in Europa nichts voran." Deutschland, indem es keine Vorschläge macht, müsse jedoch aufpassen, dass sich Frankreich sich zukünftig vielleicht auch in großen Fragen, Rüstungsfragen, andere Partner sucht.