
Mit seinem Entschluss die Waffenlieferungen an Israel einzuschränken, hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für Kontroversen gesorgt. Gegenstand der Kritik war auch sein Alleingang. Entscheidungen über Waffenexporte werden im Regelfall innerhalb der Regierung abgestimmt.
Die Öffentlichkeit erfährt hingegen wenig darüber, welche Rüstungsgüter ausgeführt werden. Dabei steht Deutschland als Exporteur von Waffen weltweit auf Platz 5. Kritiker sagen, dass mehr Transparenz auch zu mehr Akzeptanz mancher Entscheidungen führen könne.
Wie werden Waffenexporte genehmigt?
Deutsche Waffenexporte werden durch einen Prozess genehmigt, der sehr stark von der Regierung geprägt ist, sagt Militärexperte Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies. Wenn ein Importeur Rüstungsgüter erhalten möchte und ein entsprechendes Angebot vorliegt, wird ein Antrag auf Genehmigung an die Bundesregierung gestellt.
Federführend ist dabei das Wirtschaftsministerium, so Mutschler. Die Entscheidungen werden jedoch in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium getroffen. Letztlich entscheidet aber die Regierung und in strittigen oder besonders wichtigen Fällen der Bundessicherheitsrat, ein Kabinettssauschuss, dem als Beobachter der Generalinspekteur der Bundeswehr und der Chef des Bundespräsidialamts angehören.
Die deutsche Regierung verfolgt eine Politik der fallweisen Entscheidung bei der Genehmigung von Waffenexporten nach Israel, unter Berücksichtigung der aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen. Der Bundestag stimmt nicht über diese Entscheidungen ab und wird auch nur in bestimmten Fällen informiert.
Wie unterscheiden sich Kriegswaffen von Rüstungsgütern?
Die deutsche Exportkontrolle unterscheidet Kriegswaffen von „sonstigen Rüstungsgütern“. Kriegswaffen werden von der Bundesregierung in der Kriegswaffenliste definiert. Rüstungsgüter hingegen unterliegen dem Außenwirtschaftsrecht und sind grundsätzlich genehmigungsfrei, erläutert der Straf- und Völkerrechtler Kai Ambros.
Ob die von Kanzler Merz angekündigte Einschränkung der Waffenlieferungen an Israel sich explizit auf Kriegswaffen bezieht oder auch Rüstungsgüter einschließt, ist unklar.
Allerdings besagt der internationale Waffenhandelsvertrag, dass Waffen ebenso wie Rüstungsgüter nicht exportiert werden dürfen, wenn damit schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte begangen werden könnten. Für die Prüfung vorab ist der Exportstaat zuständig. Israel soll sich der Ampelregierung gegenüber damit wohl einverstanden erklärt haben, berichtet Militärexperte Max Mutschler.
In manchen Fällen ist die Unterscheidung zwischen Kriegswaffen und Rüstungsgütern auch nicht ohne Weiteres klar. Militärexperte Mutschler nennt als Beispiel Korvetten. Diese Kriegsschiffe wurden von Israel zum einen zur Luftabwehr von Huthi-Raketen aus dem Jemen genutzt. Es gibt aber auch Berichte, dass sie als Abschussrampe für Ziele in Gaza dienten. In letzterem Fall dürfte Deutschland laut internationalem Waffenhandelsvertrag weder die Schiffe noch Ersatzteile und Komponenten liefern.
Bei Komponenten für Kampfpanzer, gepanzerte Fahrzeuge, Panzerfäuste oder bestimmten Kleinwaffen handele es sich eindeutig um Kriegswaffen, sagt Mutschler.
Welche offiziellen Informationen gibt es über Rüstungsexporte?
Die offiziellen Informationen über deutsche Rüstungsexporte zeichnen sich durch eine hohe Intransparenz der Bundesregierung aus. Selbst für Experten ist es schwierig nachzuvollziehen, um welche konkreten Rüstungsgüter es eigentlich geht.

Die Bundesregierung veröffentlicht den Wert der Exporte zwar im Rüstungsexportbericht, allerdings mit einer Verzögerung von einem Jahr. Der Bericht enthält zudem keine detaillierten Informationen über die Art der gelieferten Rüstungsgüter. Hohe Beträge lassen dabei nicht automatisch auf problematische Waffensysteme schließen. Ebenso können kleinere Beträge, etwa für Kleinwaffen, sehr großen Schaden anrichten, sagt Max Mutschler. In manchen Fällen könne Transparenz auch Akzeptanz schaffen, sagt Mutschler, insbesondere wenn es um Verteidigungssysteme geht.
Informationen über Waffenlieferungen kommen auch im Rahmen von Gerichtsverfahren ans Licht, wie das Friedensforschungsinstitut SIPRI berichtet. Als Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Klage gegen Deutschland eingereicht hat, gab Deutschland im April 2024 an, dass der Wert der genehmigten Exportlizenzen für Material seit November 2023 erheblich gesunken ist: von etwa 200 Millionen Euro im Oktober 2023 auf rund 24 Millionen Euro im November 2023 und etwa eine Million Euro im März 2024.
Welche Waffen liefert Deutschland an Israel?
Seit dem 7. Oktober 2023 hat Deutschland für „Kriegswaffen“ an Israel nach Angabe des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) in vier Fällen Exportgenehmigungen erteilt: zwei für Übungsmunition, eine für Treibladungen zu Testzwecken und eine für den Export von 3.000 tragbaren Panzerabwehrwaffen. Diese Informationen gab Deutschland gegenüber dem Internationalen Gerichtshof (IGH) im Verfahren mit Nicaragua an.
In den Jahren 2019 bis 2023 kamen nach SIPRI-Angaben 30 Prozent der israelischen Großwaffenimporte aus Deutschland, hauptsächlich Fregatten, Torpedos und gepanzerte Fahrzeugmotoren. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenexporteur für Israel.
Deutschland hat Israel auch U-Boote der Dolphin-Klasse geliefert. Sie dienen der nuklearen Abschreckungskapazität des Landes, da sie in die nukleare Abschreckungskapazität Israels integriert sind und nukleare Sprengköpfe verschießen können.
In den meisten Fällen liefert Deutschland aber keine kompletten Waffensysteme, sondern Komponenten und Ersatzteile für Kampfpanzer oder Getriebe und Sensorik für Kampfpflugzeuge. Diese Rüstungsgüter gelten nicht als Kriegswaffen, sagt Militärexperte Mutschler.
Warum ist die Unterscheidung in Kriegswaffen und Rüstungsgüter problematisch?
Die deutsche Unterscheidung zwischen Kriegswaffen und „sonstigen Rüstungsgütern“ sehen weder das Völkerrecht noch EU-Recht vor. Dadurch entsteht aus Sicht des Straf- und Völkerrechtlers Kai Ambros Raum für Schlupflöcher. Die Gefahr besteht, dass die strengere Kontrolle für Kriegswaffen umgangen wird, indem man bestimmte Waffen zu sonstigen Rüstungsgütern erklärt - oder ihre Bestandteile als solche exportiert.
Menschenrechtsorganisationen fordern seit langem ein Verbandsklagerecht, um Exportentscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen. Politisch gibt es dafür aber ebenso wenig eine Mehrheit wie für das schon während der Ampelregierung beerdigte Projekt eines Rüstungsexportkontrollgesetzes.
tha