Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Deutscher Wetterdienst kritisiert unzureichende Klimaschutzbemühungen

Spätestens rund um das Jahr 2050 sind die generellen Auswirkungen des Klimawandels auch hierzulande deutlicher und für alle spürbar sein, warnt der Deutsche Wetterdienst. Wenn es nicht gelingt, das Ruder schnell herumzureißen, werde man beim Klimaschutz auf Grund laufen.

Von Dieter Nürnberger | 26.07.2011
    Die Antwort der Wetterforscher, die ja stets auch Klimaforscher sind, ist bei solchen Fragen – und diese Fragen werden ja in diesem recht unbeständigen Sommer oft gestellt – stets die gleiche: Das Wetter ist sozusagen ein tagesaktueller Wert, das Klima hingegen berücksichtigt langfristige Beobachtungen – über Jahrzehnte hinweg. Deswegen kann auch nicht gesagt werden, dass ein heißer oder kalter Tag, ein sonniger oder verregneter Tag, eine unmittelbare Ableitung des Klimawandels seien.

    Zuallererst stellte der Deutsche Wetterdienst heute Vormittag den nationalen und vor allem auch internationalen Akteuren ein schlechtes Zeugnis aus. Die politisch Verantwortlichen hätten es nicht vermocht, die notwendigen Maßnahmen zur Verringerung des Klimawandels einzuleiten. Derzeit bestehende Minderungszusagen hinsichtlich der Treibhausgas-Emissionen und auch die bislang getroffenen Maßnahmen seien unzureichend, dem absehbaren Problemen nicht angemessen. Gerhard Adrian, der Präsident des Deutschen Wetterdienstes.

    "Es waren im letzten Jahr 31 Milliarden Tonnen CO2, das an die Atmosphäre abgegeben wurde. Das ist fast wieder ein Rekordwert, das heißt, die Minderungsmaßnahmen greifen nicht. Wir beobachten somit weiter einen Temperaturanstieg – das vergangene Jahr 2010 war das drittwärmste Jahr seit Beginn unserer Aufzeichnungen. Daraus schließen wir, dass die Maßnahmen nicht ausreichend sind."

    Somit warnt der Präsident des Deutschen Wetterdienstes entsprechend: Wenn es nicht gelänge, das Ruder schnell herumzureißen, dann werde man beim Klimaschutz auf Grund laufen. Wie sehen nun die langfristigen Klimavorhersagen für Deutschland aus? Sicher sei, bis zum Jahr 2100 werde sich das Klima auch hierzulande verändern. Gerhard Adrian.

    "Was wir annehmen, was das Ergebnis unserer Simulationen ist: Die Sommer werden trockener, die Winter werden feuchter. Das heißt, der Niederschlag verschiebt sich in Richtung Winter, ohne dass er insgesamt in der Jahressumme zunehmen wird. Und es wird weiter wärmer werden bei uns."

    Die Kritik an den unzureichenden Klimaschutzbemühungen ist das eine, notwendige Anpassungsstrategien an veränderte klimatische Bedingungen das andere, sozusagen eine zweite Klimaschutz-Säule. Der Klimawandel werde beispielsweise beträchtliche Auswirkungen auf das Bauen hierzulande haben. Allerdings sei bei diesem Aspekt noch vieles unklar, sagt Paul Becker, er ist der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes.

    "Wir werden einmal andere Normen haben, die werden sich verschieben. Sie werden berücksichtigen müssen, dass wir künftig ein wärmeres Klima haben. Es wird Einfluss auf den Einbau von Klimaanlagen und auch Heizungen haben. Das Bauen wird sich auf jeden Fall verändern. Andere, interessante Aspekte werden das Verschatten von Gebäuden betreffen. Der Klimawandel wird zudem in die Stadtplanung eingreifen, wir werden versuchen müssen, die Städte daran anzupassen."

    Hinsichtlich der Städte warnt der Experte beispielsweise vor Wärmestau. Ein Phänomen also, wo die warme Luft, die sich zwischen den zehntausenden Gebäuden einer Großstadt im Sommer ansammelt, nicht mehr oder nur sehr langsam wieder abziehen kann. Das sei eine große Aufgabe für die künftigen Stadtplaner.

    "Wir müssen Frischluftschneisen erhalten und auch verbreitern. Das heißt auch mehr Grünflächen! Das Zubetonieren darf nicht über ein bestimmtes Maß hinaus gehen. Das ist immer ein Spagat, zwischen dem, was stadtplanerisch gemacht werden muss und dem, was für ein gutes Klima relevant sein wird."

    Die Bauwirtschaft sei ja ohnehin vom Wetter und langfristig auch vom Klima recht abhängig, so Paul Becker. Die gute Nachricht sei, dass man in Deutschland wohl mit weniger Tagen an erschwerter Bautätigkeit rechnen müsse. Bei Frost können ja einzelne Baumaterialien nicht verarbeitet werden, solche Tage würde wohl weniger. Umgekehrt aber müsse man mit mehr Hitzeperioden rechnen, auch dies habe Auswirkungen auf die Arbeit mit bestimmten Baumaterialien.

    "Dann ist natürlich die Frage, inwieweit beispielsweise Asphalt bei erhöhten Temperaturen im Sommer noch einsetzbar ist. Auf der anderen Seite wird man im Winter dann womöglich bessere Verhältnisse haben. Ich denke, es wird auch neue Baumaterialien geben. Die Entwicklung in der Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die Menschheit stets etwas einfallen lässt, wenn sie sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen muss."

    Spätestens rund um das Jahr 2050 würden die generellen Auswirkungen des Klimawandels auch hierzulande deutlicher und erfahrbarer für alle spürbar sein, so die Bilanz des Deutschen Wetterdienstes.