Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestreitet am Montag in Bremen gegen die Ukraine ihr 1.000 Länderspiel. Von den 999 bisherigen Spielen ist dem Journalist und Buchautor besonders das WM-Finale 2014 und das Tor von Mario Götze gegen Argentinien in Erinnerung geblieben: "Weil ich immer die Befürchtung hatte, wenn wir das Finale verlieren, werden wir auch ein taktisches Rollback haben im deutschen Fußball, auch was Ausbildung et cetera anbelangt. Dann wird man wieder mit den alten traditionellen Werten und Tugenden um die Ecke kommen. Insofern habe ich das Tor als eine riesige Erlösung gesehen." Gerade was die Nationalmannschaft anbelange, gebe es immer die "härtesten Diskussionen was den Spielstil anbelangt", so Schulze-Marmeling.
Besonders in Erinnerung seien ihm auch das 3:1 von Wembley gegen England bei der Europameisterschaft 1972 und das 7:1 gegen Brasilien bei der WM 2014. "Aber es gibt auch viele Länderspiele, die ich mir nur schwer antun konnte, weil ich sie furchtbar langweilig fand."
Länderspiel-Geschichte auch mit dunklen Seiten
Doch es gibt auch dunkle Stunden in der deutschen Länderspiel-Geschichte. Etwa der 21. Juni 1998, als deutsche Hooligans nach dem WM-Spiel gegen Jugoslawien in Lens den französischen Polizisten Daniel Nivel brutal niedergeschlagen haben. Nivel leidet noch heute unter den Folgen.
Was die Begleitumstände betreffe sei das die dunkelste Stunde der 1000 Länderspiele, so Schulze-Marmeling. "Ich fand das Publikum bei den Länderspielen nie so angenehm. Ich hab immer Vereinsspiele vorgezogen." Das Publikum bei Länderspielen sei häufig "plump nationalistisch, oft chauvinistisch" gewesen. "Insofern war das damals nicht so verwunderlich, dass sich dieses politische Spektrum so ein Länderspiel ausgesucht hat."
Rassismus im Fußball wieder ein Problem
Auch bei der WM 2006 in Deutschland habe ihm der Patriotismus in der deutschen Bevölkerung missfallen, sagte Schulze-Marmeling. "Zwar ist dieser Patriotismus nicht so aggressiv rübergekommen, aber wenn ich die Entwicklung von dort aus betrachte, würde ich die schon als eher negativ beschreiben." Rassismus sei im Fußball wieder ein akutes Problem, sagte Schulze-Marmeling. "Auch was die U17-Nationalmannschaft anbelangt, was die in den sozialen Medien für Rassismus über sich ergehen lassen mussten."
Eine Kehrtwende sei die WM 2018 und die Debatte um Mesut Özil und Ilkay Gündogan nach dem Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gewesen. "Die Kritik an dem Foto konnte ich absolut unterschreiben, was das Verhalten der Spieler anbelangt. Aber ich hab gemerkt, dass diese Kritik auch rassistische Untertöne hatte."
EM 2024 als Chance "sich ins Schaufenster zu stellen"
Mit der Heim-EM 2024 habe der DFB nun die Chance, das öffentliche Image zu ändern. "Ich denke, dass man schon bemüht ist, mit dieser EM in Kontrastprogramm zu der WM 2022 in Katar zu produzieren", sagte Schulze-Marmeling und verwies auf die Statements von Cheforganisator Philipp Lahm, der ein Turnier ohne politische Debatte in Aussicht stellte. "Jedes große Turnier, egal ob EM oder WM, bietet die Möglichkeit, sich ins Schaufenster und in ein positives Licht zu stellen. Ich hab das Gefühl, nachdem eine gewisse Abkehr von der Nationalmannschaft mit der WM in Katar zu beobachten war, dass man jetzt versucht, das durch die EM in eigenen Land zu korrigieren."