"Ehrlich, ich habe Freudensprünge gemacht, als ich gehört habe, dass er bereit ist, das zu übernehmen. Weil er hat großartige Erfahrung als Spieler, als Trainer, als Manager", sagt Ex-DFB-Präsident Fritz Keller über Rudi Völler, der beim DFB nun Direktor für die Nationalmannschaft der Männer wird. Völler soll damit einen Neuanfang einleiten, eineinhalb Jahre vor der Europameisterschaft im eigenen Land. Und er soll damit helfen, wieder erfolgreich zu sein bei großen Turnieren. Der Weltmeister von 1990 und ehemalige Teamchef der Nationalmannschaft soll auch die Nähe und den Rückhalt bei den Fans wiederherstellen.
Das Ansehen der Nationalmannschaft hat in den vergangenen Jahren – auch nach mehreren sportlich missglückten Großturnieren merklich gelitten – das war auch Völlers Vorgänger Oliver Bierhoff zur Last gelegt worden. Keller sagt allerdings: "Das Hauptproblem waren diejenigen, die im Hintergrund entschieden haben, ohne dass sie irgendwelche Kompetenz oder irgendwelche Erfahrungen im Leistungssportbereich haben." Durch Kleinstaaterei seien im DFB Verbesserungen bei der Jugendarbeit verhindert worden. Es brauche auch dringend eine gute Fehlerkultur.
Völler als Wegbereiter für die Zukunft
Keller kritisiert aber auch Bierhoffs Entscheidungen: "Dass die Fans vermarktet werden mit einer Limonadenmarke (wie beim Fanclub Nationalmannschaft, d. Red.) das ist wirklich zum Fremdschämen, das muss man ehrlich sagen", sagt Keller und erhofft sich Besserung durch Völler: "Der Rudi hat genügend Chuzpe, dass er Nein sagen kann. Und das hat mir bei ihm auch immer gefallen." Allerdings sei das Sportliche entscheidend, so Keller.
Rudi Völler habe in den vergangenen Jahren gelernt zu managen und schnelle Entscheidungen zu treffen. Er traue Völler zu, nachhaltig gut zu entscheiden, auch die nächste und übernächste Mannschaft zu bedenken. Doch auch für die aktuelle Nationalmannschaft sieht Fritz Keller Völler als gute Besetzung: "Das Vertrauen von der Mannschaft und zur Mannschaft und des Abschirmen der Mannschaft von bestimmten Dingen, das steht im Vordergrund."
Die beschriebene ad-hoc-Entscheidung der DFB-Expertenkommission "aus dem Herzen heraus", finde er sympathisch, sagt Keller, obwohl Völler selbst Teil des Gremiums war. Es habe so keine Deals oder "quid pro quo" gegeben. Außerdem habe für einen langen Prozess die Zeit gefehlt.
"Ein bisschen mittelalterliche Strukturen" im DFB
Der Verband selbst brauche aber große Veränderungen, erklärt Keller im Dlf-Sportgespräch: "Eine ganz wichtige Geschichte im DFB ist: Da muss einige Erneuerung da sein. Ich habe ja damals schon diskutiert und verhandelt und hab gesagt: 'Ich komme nur, wenn professionalisiert wird, wenn schnellere Entscheidungsmöglichkeiten, wenn mehr Kompetenz kommt.' Das wurde dann nachher weggeblockt." Beim DFB habe man immer noch "ein bisschen mittelalterliche Strukturen", meint Keller. Die "Landesfürsten" in den Landesverbänden müssten lange gedient haben, Kompetenz spiele keine Rolle. Diejenigen, die am meisten blockiert hätten, seien inzwischen nicht mehr da, sagt Keller. Nun gebe es die Chance, mehr jüngere und weibliche Menschen einzubringen, die Interesse hätten, die Zukunft zu planen.
"Im DFB sind wirklich sehr, sehr gute Leute blockiert worden. Und was unbedingt geändert werden muss, dass ist dieses "Checks and Balance" – dass einfach ein sauberes Kontrollverständnis da ist."
Neben der Personalie Völler machte der DFB diese Woche auch noch bekannt: Dass dem Verband rückwirkend die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2014 und 2015 aberkannt worden ist – und der DFB 30 Millionen Euro Steuern nachzahlen muss. Eine Tatsache, die bei der Aufregung um Völler fast in den Hintergrund trat. Fritz Keller verweist im Sportgespräch zudem darauf, dass eine Anzeige wegen Sozialversicherungsbetrugs laufe. Solche Vorgänge seien in der Vergangenheit unter den Teppich gekehrt worden.
Euro 2024 als Chance, das Land zu einen
Die Heim-EM sieht Keller aber eine große Möglichkeit für die nahe Zukunft: "Die Euro '24 ist eine Chance, das Land wieder ein bisschen zu einen. Also, wir polarisieren an allen Polen. Und da ist die Chance des Fußballs: Ich träume da immer noch von 2006, was auf den Straßen gegangen ist." Er träume heute noch davon, "was wir für ein gutes Bild in der Welt durch diese Mitmenschlichkeit abgegeben haben." Der DFB müsse hören, was die Fans wollen und dann sehen, wie man darauf eingehen könne.