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Die Banken in die Pflicht nehmen

Dänemark hat angesichts der sich ausweitenden Finanzkrise - wie viele europäische Staaten - eine Staatsgarantie abgegeben, aber die Regierung in Kopenhagen nimmt die Verantwortlichen stärker in die Pflicht: Den Banken selbst wurde auferlegt, einen milliardenschweren Fonds einzurichten, der Not leidenden Banken helfen und die Einlagen der dänischen Sparer zu hundert Prozent garantieren soll. Über diese dänische Antwort auf die Krise berichtet Marc-Christoph Wagner.

    Auch in turbulenten Zeiten gibt es Traditionen, die unumstößlich sind. Am ersten Dienstag im Oktober wird das dänische Parlament nach langer Sommerpause erneut eröffnet. Die gesamte Königsfamilie ist anwesend. Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen spricht zur Lage der Nation. Und so rückte die Finanzkrise gestern doch wieder in den Mittelpunkt des Interesses:

    "Dunkle Wolken ziehen sich am Horizont zusammen. Kollabierende Banken. Fallende Immobilienpreise. Ein hoher Ölpreis. Teure Lebensmittel. Das alles macht den Menschen Sorgen."

    Schon am Montag hatte die dänische Regierung auf die turbulente Entwicklung an den Finanzmärkten reagiert. Zusammen mit den dänischen Banken hatte sie sich an einen Tisch gesetzt und ein eigenes Auffangmodell für kriselnde Geldinstitute geschaffen.

    Die Bürger könnten nachts ruhig schlafen, hatte Wirtschaftsministerin Lene Espersen nach der Einigung stolz verkündet, ihre Anlagen seien gesichert. Das Besondere an dem Modell: In Dänemark sind es die Banken, nicht der Staat, die ihren angeschlagenen Konkurrenten zunächst unter die Arme greifen. In den kommenden zwei Jahren zahlen sie rund zwei Milliarden Euro an den dänischen Staat, insgesamt bürgen die Finanzinstitute mit bis zu 4,7 Milliarden Euro - eine Summe, die zwei Prozent des dänischen Bruttosozialproduktes entspricht. Erst darüber hinaus springt der dänische Staat in die Bresche. Lene Espersen:

    "Ich finde es problematisch, wenn die europäischen Staaten nun anfangen, mit ihren Staatskassen und auf Kosten der Steuerzahler zu konkurrieren. Ich finde es richtig, dass der Finanzsektor, der über viele Jahre sehr viel Geld verdient hat, mithilft, die Rechnung zu bezahlen, jetzt wo das Fest vorbei ist. Die dänischen Banken zeigen hier eine große gesellschaftliche Verantwortung, indem sie sich an der Finanzierung eines Sicherheitsnetzes beteiligen."

    Der Deal ist einfach. Der Staat bürgt für den Finanzsektor, agiert dabei aber wie eine Versicherung und lässt sich seine Bürgschaft etwas kosten. Die zwei Milliarden Euro, die die Banken in die dänische Staatskasse zahlen, sind die Prämie, die 4,7 Milliarden Euro, für die die Geldinstitute insgesamt bürgen, das Selbstrisiko.

    "Die zwei Milliarden Euro gehen dem dänischen Finanzsektor ein für alle Mal verloren, gewiss. In diesen so unruhigen Zeiten aber ist diese Versicherungsprämie das kleinere Übel. Derzeit ist so viel Unsicherheit im Markt, niemand weiß, wo das alles enden wird. Dieser Rettungsplan wird die Situation in Dänemark beruhigen und davon profitieren auch wir Banken,"

    sagt Steen Bocian, Chefökonom der Danske Bank, des größten Finanzinstituts Dänemarks. Überhaupt ist Bocian mit dem vereinbarten Rettungsplan zufrieden und zeigt sich optimistisch:

    "Es ist schwer zu sagen, ob der dänische Staat am Ende nicht doch noch einspringen muss. Es gibt keine Garantien, im Moment entwickelt sich die Krise von Stunde zu Stunde. Im Grunde aber sind die dänischen Banken solide und so hoffen wir, dass wir die Bürgschaft des Staates nicht in Anspruch nehmen müssen."
    Doch es gibt auch kritische Stimmen - Stimmen, die behaupten, die zwei Milliarden Euro würden die Banken nun an ihre Kunden weiter geben, über höhere Zinsen und Gebühren. Am Ende sei Ottonormalverbraucher doch wieder der Gebeutelte. Der aber zeigt sich bislang nicht sonderlich besorgt. Befragt nach der aktuellen Finanzkrise zucken die meisten Passanten in der Kopenhagener Fußgängerzone mit der Schulter. Viele sehen den Rettungsplan von Banken und Regierung als adäquate Antwort auf turbulenten Zeiten:

    "Ich bin Mieterin. Ich habe keine großen Ersparnisse, jedenfalls nicht mehr als vom Staat garantiert wird. Ich mache mir keine Sorgen."

    "Ich bin weder besorgt noch unbesorgt. Irgendetwas musste man jetzt tun, Krisen haben wir ja auch in der Vergangenheit immer wieder mal erlebt. Ich rechne fest damit, dass die Wogen sich in einem halben Jahr geglättet haben."