Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Die Biochemikerin Rosalind Franklin
Wegweisend für die Entdeckung der DNA-Struktur

Die britische Biochemikerin Rosalind Franklin war maßgeblich an der Entschlüsselung der Struktur der DNA, der Desoxyribonukleinsäure, beteiligt. Sie wäre eine mögliche Kandidatin für den Nobelpreis gewe­sen, doch leider hat es das Schicksal mit dieser Frau nicht immer gut gemeint. 

Von Irene Meichsner | 25.07.2020
    Rosalind Franklin widmete ihr Leben der Forschung. Wegen ihres frühen Todes konnte sie den Nobelpreis für diese Arbeit aber nie entgegennehmen.
    Rosalind Franklin widmete ihr Leben der Forschung. Wegen ihres frühen Todes hatte sie aber keine Chance auf einen Nobelpreis. (dpa / picture alliance / Jewish Chronical)
    Kärin Nickelsen: "Ich glaube, dass sie gar nicht das Ziel hatte, Ruhm zu erlangen, sondern sie hatte das Ziel, Wahrheit zu finden. Und Erkenntnis. Und es war ihr wichtig, das zu tun in einem Umfeld, das sie natürlich anerkannte und schätzte - und zwar das direkte Umfeld, nicht die Weltöffentlichkeit. Und sie brauchte ein Umfeld, dem sie selbst mit hohem Respekt begegnete."
    Rosalind Franklin war eine brillante britische Chemikerin. Sie war maßgeblich an der Entschlüsselung der Struktur der DNA, der Desoxyribonukleinsäure, beteiligt, hatte aber gar nicht den Drang, im internationalen Wettlauf um die Lösung dieses Rätsels obsiegen zu wollen.
    "Unglaubliche Leidenschaft und Besessenheit"
    Der amerikanische Molekularbiologe James Watson, Franklins großer Antipode, war in dieser Hinsicht ein ganz anderer Charakter. Die Münchener Wissenschaftshistorikerin Kärin Nickelsen sagte dazu in einem Radiobeitrag: "Franklin in ihrer Arbeit ist sehr sachorientiert, möchte über ihre Daten erst sprechen, wenn sie sicher ist. Watson ist jemand, der sehr selbstdarstellungsorientiert ist und überhaupt nicht zögerte, mit einer Publikation, die doch auf sehr schwankendem Boden stand, sofort an ‚Nature’ und in die Öffentlichkeit zu treten."
    Die Schauspielerin und Intendantin des Ernst Deutsch Theaters Isabella Vértes-Schütter spielt in Hamburg als "Rosalind Franklin" auf der Fotoprobe von "Foto51". Die deutschsprachige Erstaufführung feiert ihre Premiere am 19.01.2017 am Ernst Deutsch Theater.
    Die Intendantin des Ernst Deutsch Theaters Isabella Vértes-Schütter bei der Verkörperung von Rosalind Franklin (picture alliance / dpa / Markus Scholz)
    "Franklin hatte diese unglaubliche Leidenschaft und Besessenheit, was ihre Forschung anbelangte. Sie hat sich unwahrscheinlich um Genauigkeit, Exaktheit bemüht und hat auf diese Weise versucht, den genetischen Code zu entschlüsseln und die Struktur der DNA herauszubekommen", sagte Isabella Vértes-Schütter, die Intendantin des Hamburger Ernst Deutsch Theaters, 2017 anlässlich der deutschsprachigen Erstaufführung eines Theaterstücks über Rosalind Franklin, mit der es das Schicksal leider nicht immer gut gemeint hat.
    Die selbständige Frau eckt bei den Männern an
    Franklin, am 25. Juli 1920 in London geboren, hatte sich schon als junges Mädchen für die Naturwissenschaften begeistert. Nach dem Studium der Chemie, Physik und Mathematik bekam sie eine Stelle bei einer Forschungsgemeinschaft für Kohleverwertung. Danach ging sie für einige Jahre nach Paris, wo sie sich auf die Strukturanalyse von Molekülen mit Hilfe von Röntgenstrahlen spezialisierte.
    1950 kehrte sie, finanziell durch ein Forschungsstipendium abgesichert, nach England zurück. Sie sollte sich am renommierten King’s College in London mit der Röntgenstrukturanalyse von DNA-Fasern beschäftigen, aber die Arbeitsatmosphäre missfiel ihr von Anfang an.
    Franklins Kollege Maurice Wilkins wusste mit dieser klugen, selbständigen Frau offenbar ebensowenig anzufangen wie James Watson, der in Cambridge, zusammen mit dem Engländer Francis Crick, an DNA-Modellen bastelte. Zitat: "Trotz ihrer scharfen Züge war sie nicht unattraktiv, und sie wäre sogar hinreißend gewesen, hätte sie auch nur das geringste Interesse für ihre Kleidung gezeigt", schrieb Watson später in seinem Bestseller "Die Doppelhelix" - eine Frechheit, umso mehr, als er sehr genau wusste, wie viel er dieser Frau in der Sache verdankte.
    Von Watson und Crick hintergangen
    Wilkins hatte ihm Unterlagen von Franklin gezeigt, darunter auch das legendäre Röntgenbild "Nr. 51", auf dem deutlich zu erkennen war, dass die DNA spiralförmig aufgebaut sein musste. Zitat: "In dem Augenblick, als ich das Bild sah, klappte mir der Unterkiefer herunter, und mein Puls flatterte. Das Schema war unvergleichlich viel einfacher als alle, die man bis dahin erhalten hatte."
    Franklin wusste nichts von den vertraulichen Kontakten zwischen den beiden Männern. Sie wusste auch nicht, dass ein Gutachter Watson und Crick einen von ihr verfassten, unveröffentlichten Forschungsbericht ausgehändigt hatte, der detaillierte mathematische Berechnungen enthielt. Auf dieser Grundlage entwickelten Watson und Crick ihr berühmtes Modell von der DNA als einer Doppelhelix, mit den vier Nukleinbasen - Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin - in der Mitte, in denen der genetische Code verankert war. Hätte auch Franklin das Rätsel knacken können?
    Manche glauben, sie sei nur noch zwei oder drei Denkschritte von der Lösung entfernt gewesen. Doch Franklin hatte sich innerlich vom King’s College ohnehin längst verabschiedet und im Frühjahr 1953 eine neue Stelle am Birkbeck College in Bloomsbury angenommen, wo sie sich anderen Themen zuwenden wollte. Viel Zeit blieb ihr dafür leider nicht mehr. Franklin starb 1958 im Alter von nur 37 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung. Vier Jahre später wurden Watson, Crick und Wilkins für die Entdeckung der DNA-Struktur mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet.