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Die CO2-Speicherung und ihre Nebenwirkungen

Geologie.- Kohlekraftwerke sollen nur noch eine Zukunft haben, wenn das entstehende Kohlendioxid verflüssigt und unter der Erde gelagert wird. US-Forscher warnen nun aber: Die Injektion von flüssigem CO2 in die Erde könnte Erdbeben auslösen.

Von Volker Mrasek | 19.06.2012
    Mark Zoback ist Professor für Geophysik an der Stanford University in Kalifornien und einer der beiden Autoren des frisch veröffentlichten Fachaufsatzes. Eigentlich hat Zoback nichts gegen CCS und geplante Untertage-Deponien für Kohlendioxid:

    "Grundsätzlich ist an CCS nichts verkehrt. Es gibt geeignete Standorte, wo CO2 sicher eingelagert werden kann. Das Problem sind aber die schieren Mengen Kohlendioxid, die unter die Erde müssen, wenn CCS tatsächlich dem Klima nutzen soll."

    Über drei Milliarden Tonnen CO2 aus Kohlekraftwerken und Zementöfen - so viel müsste in Zukunft jährlich eingelagert werden, schreiben die US-Forscher. Dafür benötige man mehr als 3000 Untertage-Deponien in tiefen, porösen Gesteinsschichten.

    Doch gerade dort, wo viele der großen CO2-Schleudern stehen, nämlich im Inneren der Kontinente, sei CCS problematisch. Dort gebe es immer wieder Verwerfungen im Gestein, also Brüche, und damit auch große Spannungen. Durch das Verpressen riesiger Mengen verflüssigten Kohlendioxids könnten daher Erdbeben ausgelöst werden, fürchtet Mark Zoback.

    "Tiefengestein, das sich für CCS eignet, enthält Poren, die mit Salzwasser gefüllt sind. Injiziert man CO2 in ein solches Reservoir, erhöht sich der Druck, unter dem das Salzwasser steht. So kann es leichter zu Erdbeben kommen. Im vergangenen Jahr hat das Verpressen von Abwasser im Untergrund gleich an mehreren Orten in den USA Erdbeben verursacht. Auch durch die Injektion von Wasser bei Geothermie-Projekten ist so etwas schon passiert."

    Selbst schwächere Erdstöße könnten die dauerhafte Deponierung von CO2 unter Tage gefährden, warnt der Geophysiker:

    "Nehmen wir ein Erdbeben der Stärke 4, das man sicher weiträumig spürt, das aber kaum oder überhaupt keine Schäden an der Oberfläche verursacht. Schon ein solches Beben könnte zu Rissen im Tiefengestein führen und den CO2-Speicher undicht werden lassen."

    Bestätigt sieht sich Mark Zoback in dieser Sorge durch den Nationalen Forschungsrat der USA. Der veröffentlichte vor wenigen Tagen ebenfalls einen Bericht, in dem auf das Erdbebenrisiko durch die Tiefeninjektion von Flüssigkeiten hingewiesen wird.

    Was sagen Befürworter von CCS zu dem neuen Fachaufsatz? Peter Cook hatte bereits Gelegenheit, ihn zu lesen. Der Australier ist Professor für Geowissenschaften an der Universität Melbourne und gilt als einer der weltweit führenden CCS-Experten:

    "Ich glaube nicht, dass es generelle Zustimmung zu der These gibt, dass an vielen potenziellen CO2-Speicherstandorten Erdbeben ausgelöst werden könnten. Ich will hier nichts unter den Teppich kehren! Professor Zoback ist ein angesehener Wissenschaftler, und man sollte nicht ignorieren, was er vorbringt. Aber das Erdbeben-Risiko ist uns durchaus geläufig. Viele CO2-Speicherprojekte werden deshalb seismisch überwacht. Ich glaube nicht, dass das Problem so groß ist, wie es der Fachartikel nahelegt."

    Mark Zoback wiederum sagt, das Erdbebenrisiko lasse sich vorab kaum abschätzen – auch nicht in laufenden CCS-Pilotprojekten. Denn die seien zu klein dimensioniert und die injizierten CO2-Mengen viel zu gering, um verlässliche Aussagen zu erhalten.

    Für unproblematisch hält der US-Forscher dagegen erschöpfte Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten, wo sich kein so hoher Gesteinsdruck mehr aufbauen könne. Nur gibt es von dieser Sorte CO2-Speicher nicht genug, um in Zukunft Abermilliarden Tonnen des Treibhausgases aufzunehmen. Sicher scheint im Moment nur eines: Mark Zobacks Aufsatz wird eine neue Diskussion über CCS und seine breite Anwendung auslösen.