Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


"Die Energiewende funktioniert. So."

Energiewende und Landwirtschaft sind nicht nur typische grüne Themen, sondern auch typische Bärbel-Höhn-Themen. Unermüdlich reist die ehemalige NRW-Umweltministerin durch Deutschland, denn "wenn jemand sagt, Politik ist anstrengend, dann soll er es nicht tun."

Von Catrin Stövesand | 21.08.2013
    "Dort haben wir die Fotovoltaik-Anlagen. 24.000 Module sind dort verbaut worden."

    Ortstermin für Bärbel Höhn in der westfälischen Gemeinde Saerbeck - in der selbst ernannten Klima-Kommune Saerbeck.

    "So sehen die Bunker - ich sag‘ mal - nackend aus."

    Bauamtsleiter Andreas Fischer fährt die Grünen-Politikerin und andere Gäste in einem Kleinbus durch den Bioenergiepark. Auf den Bunkerdächern des früheren Munitionsdepots wurde eine riesige Fotovoltaikanlage installiert - finanziert und betrieben von der Bürgergenossenschaft "Energie für Saerbeck". Außerdem entstand eine Biogasanlage. Sieben Windräder gehen bis Ende Oktober in Betrieb und Anfang kommenden Jahres eine Kompostierungsanlage - bei der Vergärung wird ebenfalls Energie gewonnen.

    Saerbeck - ein Vorzeigeort der Energiewende - und die ist das grüne Wahlkampfthema Nummer eins. Bärbel Höhn ist als stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag unter anderem für die Bereiche Energie und Umwelt zuständig. Sie vertritt die Kompetenz von Bündnis 90 / Die Grünen bei diesen Themen - natürlich vor allem jetzt im Wahlkampf.

    "Also für mich selber, ich bin ja Spezialistin für Energiewende, sind jetzt die Themen Energiewende und Landwirtschaft die beherrschenden, auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Veranstaltungen Richtung Soziale Gerechtigkeit, weil die Soziale Frage ist ein sehr wichtige."

    Im Jahr vor der Bundestagswahl hat Bärbel Höhn etliche Veranstaltungen zu diesen drei Themengebieten besucht, sie hat mit Bürgern diskutiert, Vorträge gehalten, sich mit den japanischen Grünen vernetzt, die den Atomausstieg forcieren wollen oder, wie hier in Saerbeck, sich über regionale Projekte informiert. Im Zentrum der Gemeinde steht seit drei Jahren die gläserne Heizzentrale. Von hier aus werden die Gesamtschule, die Grundschule, die Kirche und weitere Gebäude mit Wärme versorgt - mit einer Holzpelletheizung. Die Kessel der modernen Anlage blinken im Tageslicht. Es ist sehr warm und laut in dem hohen verglasten Raum.

    "Ich weiß nicht, wenn Sie Lust haben, können wir reingucken?" – "Ja, ich kenne das natürlich von uns zu Hause."

    Bärbel Höhn hat selbst eine Pelletheizung, erzählt sie.

    "Hier sind ja die Holzpellets, nicht wahr."

    Die grüne Bundestagsabgeordnete wird in einem straffen Zweistundenprogramm durch die Klima-Kommune geführt. Die Pelletheizung und der Bioenergiepark sind die Kernstücke des Energie-Konzepts der Gemeinde. Bis 2030 will Saerbeck die komplette Strom- und Wärmeversorgung selbst bestreiten - mit erneuerbaren Energien. Bei diesem Projekt ziehen alle Parteien und Beteiligten an einem Strang.

    "Also im Prinzip sind hier gute Strukturen geschaffen worden, um überhaupt diese Energiewende zu schaffen. Und das ist eigentlich das Spannende in Saerbeck, glaube ich. - Also, es wird regionale Lösungen geben - meiner Meinung nach ..."

    Regionale Lösungen - so sehen es die Grünen auch in ihrem Wahlprogramm vor. Die Bürger sollen die Energiewende selbst in die Hand nehmen. Schon jetzt werde ein Großteil des Stroms aus erneuerbaren Energien von kleinen Unternehmen, Genossenschaften, Bürgerwindparks oder Stadtwerken erzeugt.

    "Auch diese ganzen Proteste gegen Windkraftparks oder so hat man nicht, wenn die Leute davon selber profitieren. - Genau das ist die Akzeptanz."

    Mehr als ein Viertel des Stroms bundesweit stammt schon heute aus regenerativen Quellen, bis 2030 wollen die Grünen 100 Prozent schaffen. Eine wichtige Rolle beim Konzept der regionalen Lösungen spielt der ländliche Raum. Hier gibt es den Platz für neue Anlagen. Landwirte sollen nach den Vorstellungen der Grünen auch Energiewirte sein. Und in den Gemeinden sollen sich Bürger, Handwerker und lokale Investoren zusammentun:

    "Eine enorme Möglichkeit im ländlichen Raum, Arbeitsplätze zu schaffen, Wertschöpfung in diesen ländlichen Raum reinzubringen, denn das wird derjenige sein, der die Energie der Zukunft eben produziert. Und es geht natürlich nicht nur um Strom, sondern auch um Wärme, denn auch die wird natürlich teurer ..."

    Eindringlich erläutert Bärbel Höhn schon Monate vor der Bundestagswahl im münsterländischen Greven die Chancen, die die Energiewende ihrer Ansicht nach bietet. Zu der Veranstaltung in einer dunklen, urigen Kneipe in der Innenstadt sind etwa 30 interessierte Bürger sowie ansässige Handwerker und eine Vertreterin der Stadtwerke gekommen. Wahlkampf ist immer: Die Grünen-Politikerin will kontinuierlich mit den Bürgern im Gespräch bleiben, sie mit ins Boot holen, sie von der steigenden Energiesicherheit der Alternativen Quellen überzeugen.

    "Dann gibt es durchaus die Situation mit Erneuerbaren, dass sie eben nicht mehr so fluktuierend sind wie früher. So eine Windkraftanlage, die auf 200 Meter gebaut wird, hat viel längere Betriebszeiten als eine niedrige, weil oben in den höheren Sphären viel mehr der Wind weht und kontinuierlicher der Wind weht."

    Die 61-Jährige wirkt stets informiert und gut vorbereitet. Sie weiß um die Bedenken und Schwierigkeiten der Menschen, auf die sie trifft, und spricht diese direkt an. Damit verschafft sie sich Gehör. In Greven thematisiert Höhn, dass der Mittelstand bei entsprechender Förderung bessere Möglichkeiten der Energiespeicherung anbieten könnte. Die örtlichen Installateure geben ihr Recht:

    "Das ist noch ein bisschen teuer, wird sich aber nach und nach durchsetzen."

    Ein bisschen teuer, das ist ein wichtiges Stichwort bei der Energiewende. Die Strompreise steigen stetig. Das schmälert beim Verbraucher bzw. Wähler die Begeisterung für die Energiewende. Aber ist der Ausbau der Erneuerbaren tatsächlich der Grund für die erhöhten Kosten? Nach Ansicht der Grünen nur zum Teil. Bärbel Höhn hält immer wieder Vorträge zum diesem Thema - wie an diesem Abend im westfälischen Telgte - im Festsaal eines Landgasthofs startet sie ihre Power-Point-Präsentation, bewegt sich zwischen Publikum und Schautafel, ihre Schuhe quietschen auf dem Parkett.

    "Bitte nächste Seite - so - die Energiewende funktioniert. So und dann gucken wir uns mal, ja, das ist einen Applaus wert ... so."

    "So", das sagt Bärbel Höhn gern, wenn sie ihre Recherchen präsentiert, wenn sie ihre Sicht der Dinge darlegt. Und "so" erklärt sie, dass der Ausbau der Erneuerbaren zwar Geld kostet, aber nicht der eigentliche Preistreiber auf dem Strommarkt sei. An der Leipziger Energiebörse sei der Strom sogar günstiger geworden, eben aufgrund des Ausbaus der erneuerbaren Energien:

    "Die drücken nämlich mit ihrem Strom ins Netz. Damit ist mehr Strom auf dem Markt, weniger muss von Kohlekraftwerken, Atomkraftwerken geliefert werden. Und deshalb sinkt der Preis."

    Das heißt, an der Börse wird der Strom immer günstiger - für die Wirtschaft, die ihn dort einkauft. Für die Verbraucher wird es teurer, weil einiges draufgeschlagen wird, etwa die EEG-Umlage und die Netzgebühren. Die EEG-Umlage steigt, das heißt, die Umlage, die für den Ausbau der Erneuerbaren berechnet wird. Über diese Gebühr muss die Differenz zwischen Abnahme- und Börsenpreis ausgeglichen werden. Für die Grünen ist diese Umlage aber mittlerweile ein Mogeletikett.

    "Warum steigt eigentlich die EEG-Umlage um 1,7 Cent, wenn der Ausbau der Erneuerbaren nur 0,5 Cent betragen hat? Es fallen alle möglichen Kosten darein. Es werden alle möglichen Ausnahmen, die Ausnahmeregelungen für die Wirtschaft haben sich enorm erhöht. Das heißt, die Kosten werden hier auch aufgebläht."

    Konkret lautet der Vorwurf an die jetzige Regierung: Sie habe zu viele Unternehmen von der EEG-Umlage und vom Netzentgelt befreit, und das was die nicht zahlen, wird den Privatverbrauchern und dem Rest der Wirtschaft draufgeschlagen.

    Schwarz-Gelb hat inzwischen angekündigt, die Ausnahmen einzuschränken. Hintergrund: Die EU-Kommission hat mit Sanktionen gedroht, weil sie wettbewerbsrechtliche Probleme sieht.

    Die Strompreise haben sich - fast schon unabhängig von der Energiewende - zu einem eigenen Wahlkampfthema entwickelt. Die Parteien überbieten sich mit Ideen, Gegenkonzepten und Rechenbeispielen. Die Grünen nutzen die Gunst der Stunde, wird ihnen doch eine hohe Kompetenz bei der Frage zugesprochen - wie kann die Energiewende gelingen. Aber wie schafft man es, umzusteuern, ohne Bürger und Wirtschaft dabei über Gebühr zu belasten?

    "Die ökologische und die soziale Frage, die wird sich immer mehr miteinander verbinden. Und da müssen wir eben auch Antworten drauf geben."

    Einige dieser Antworten lauten Stromspartarif und Energiesparfonds. Die Grünen wollen, dass jeder Energieversorger mindestens einen Tarif anbietet, der eine Grundversorgung zu einem niedrigen Preis sicherstellt. Jede Kilowattstunde, die dann zusätzlich anfällt, würde entsprechend teurer. Ein diskussionswürdiger Ansatz, wie sich in Telgte zeigt:

    "Aber der Spartarif muss doch zumindest die Kosten decken." – "Ja, natürlich kann der auch die Kosten decken, indem man sagt, die ersten Kilowattstunden sind ein niedriger Preis. Wer mehr braucht, muss mehr zahlen. Und dann kann der Energieversorger genau ausrechnen, wie hoch der dann ansteigen muss." – "Aber das muss man dann wählen." – "Ja, jeder kann diesen Tarif wählen. Richtig. Aber jemand, eine ältere Dame, die nur noch ihren Fernseher hat und dann auch noch ein Röhrengerät und ansonsten hat sie noch ein paar Lampen in der Wohnung, die kann dann auch mit weniger auskommen. Und das wäre auch gerecht und in Ordnung."

    Bärbel Höhn macht es anschaulich, bricht es auf die konkreten Probleme der Verbraucher und der Kommunen runter. Letztere sollen von einem Energiesparfonds profitieren. Drei Milliarden Euro sollen bereitgestellt werden, um etwa Gebäude zu sanieren, Stichwort Energieeffizienz, oder einkommensschwachen Haushalten stromsparende Geräte zur Verfügung stellen zu können. Um diese Summe aufzubringen, wollen die Grünen klimaschädliche Subventionen streichen oder begrenzen, wie etwa das Dienstwagenprivileg. Das Geld solle hier gerechter verteilt werden.

    Mehr Gerechtigkeit - das ist ein zentraler Punkt im Wahlprogramm der Grünen. Die schlechte Lage der öffentlichen Haushalte wollen sie mit einer Steuerreform in den Griff bekommen - zulasten der Wohlhabenden. Der Spitzensteuersatz für Einkommen ab 80.000 Euro soll von derzeit 42 Prozent auf 49 Prozent steigen. Die Erbschaftssteuer soll verdoppelt werden. Außerdem planen die Grünen eine einmalige und zeitlich befristete Vermögensabgabe, die insgesamt 100 Milliarden Euro einbringen soll. Diese Pläne sorgten rund um den Programmparteitag im April für Aufsehen und Aufregung. Bärbel Höhn hatte damit gerechnet:

    "Es ist ungewöhnlich zu sagen - wir wollen die Steuern erhöhen - aber es ist, finde ich, ehrlich. Weil wir können nicht auf der einen Seite feststellen, überall verrotten die Straßen, verrotten die Schulgebäude, verrotten die Kanäle. Es gibt in den Kommunen nicht mehr ausreichend Geld, auch für die Bildung der Kinder und der Jugendlichen. Und wir haben doch auch enorme Schulden aufgebaut durch die Euro-Krise. Und da ist am Ende die Frage, wer soll sie zahlen. Sollen’s dann nicht die zehn Prozent zahlen, die mehr haben als die anderen 90? Oder soll’s am Ende wieder jeder zahlen? So, und da haben wir uns festgelegt, und ich denke, das können wir gut bestehen."

    Bärbel Höhn wird an diesem Abend im Juli in ihrer Heimatstadt Oberhausen - eine der Kommunen, von denen sie sprach - eine Podiumsdiskussion leiten. Es geht um eine bessere Finanzausstattung der Gemeinden, die in der Zwickmühle - hohe Arbeitslosigkeit, hohe Kosten, geringe Steuereinnahmen - stecken. Mit dabei - Spitzenkandidat Jürgen Trittin, er präsentiert viele Zahlen, benutzt Politikerfloskeln wie "ein Stück weit", bringt die Vorhaben seiner Partei aber auch auf den Punkt:

    "Wir wollen lebenswerte Städte, in denen Menschen Arbeit finden, zu vernünftigen Preisen wohnen können, in denen ihre Kinder in guten Schulen unterrichtet werden, in denen Frauen nicht vor die Wahl gestellt werden, auf ihren Beruf zu verzichten oder Kinder zu haben, indem es ein gutes Angebot für Kinder gibt, ordentlich betreut in einer Kita zu sein. Und wir wollen auch Einrichtungen, das ist doch der Kern einer kommunalen Gemeinschaft, in denen man sich treffen kann, in denen man Kultur und Ähnliches erleben kann. Wenn das ein Grundbedürfnis ist und wenn das ein Kern unserer Demokratie ist, das muss man diesen Kern der Demokratie anständig finanzieren."

    Anständig soll auch die Bezahlung der Beschäftigten im Land sein. Die Grünen fordern einen Mindestlohn von 8,50 Euro. In diesem Zusammenhang gab es für Bärbel Höhn im Frühsommer schlechte Presse. Es ging um einen bezahlten Praktikumsplatz, den ihr Kreisverband ausgeschrieben hatte. Er sollte etwa für Politologiestudenten angeboten werden.

    "Aber so ein Kreisvorsitzender ist eben auch ehrenamtlich und hat bei der Stellenausschreibung im Internet sich alles Mögliche zusammenkopiert - Copy and paste - und offensichtlich festgestellt, dass die Anforderungen ansonsten eben auch sehr hoch sind an Praktikanten, und hat viel zu hohe Anforderungen in dieses Ausschreibungsprofil reingeschrieben."

    Was in der Presseberichterstattung den Zungenschlag bekam: Bärbel Höhn zahlt Wahlkampfmitarbeiter nur vier Euro pro Stunde.

    "Ja, ich ähm, muss sagen, dass ich einfach total perplex war, dass mir plötzlich eine Praktikantenstelle medial um die Ohren geworfen wurde, mit der ich praktisch gar nichts zu tun hatte."

    Politik mache sie gern, sagt Bärbel Höhn, sie gebe ihr sehr viel, weil sie immer wieder dazu lerne und auch Dinge durchsetzen könne. Und arbeitsreiche Phasen wie der Bundestagswahlkampf gehörten eben dazu:

    "Also, ich mache gerne Wahlkampf. Und wenn jemand sagt, Politik ist anstrengend, dann soll er es nicht tun."

    Teil der sommerlichen Wahlkampftour sind auch Auftritte in Bayern, dort wird bald ein neuer Landtag gewählt. Höhns Hauptthemen auch hier die Energiewende und die Zukunft der Landwirtschaft. Beides übrigens decken die zwei erst platzierten grünen Schlüsselprojekte ab, für die Bärbel Höhn sich eingesetzt hat. Schlüsselprojekte, das sind die neun Vorhaben, die die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung als erstes umsetzen wollen. Sie wurden durch einen Mitgliederentscheid festgelegt. Auf Rang 1 landete die Forderung nach dem kompletten Umstieg auf Erneuerbare Energien, auf Platz zwei das Ende der Massentierhaltung.

    Als erste grüne Landwirtschaftsministerin hat sich Höhn in den 90er Jahren in Nordrhein-Westfalen für eine andere, eine nachhaltige Agrarpolitik eingesetzt.

    "Eine Landwirtschaftspolitik, von der ich merke, dass immer mehr Bauern letzten Endes sagen, so ganz Unrecht hat sie nicht."

    Und in Nordrhein-Westfalen, diesmal in Vreden im Kreis Borken, will sie an diese Politik anknüpfen - weg von der industriellen, hin zur bäuerlich familiären Landwirtschaft, das bedeutet regionale, kurze und transparente Wege für Lebens- und Futtermittel. Eine Diskussion im März dieses Jahres mit rund 50 ansässigen Bauern und anderen Interessierten - unter dem Titel "Grüne im Dialog". Das Banner im Veranstaltungssaal ziert ein rosafarbenes Nutztier - der Slogan "Lass die Sau raus". Es geht um artgerechte Tierhaltung und Lebensmittelsicherheit.

    In beiden Punkten steht der Kreis Borken nicht gut da. Er leidet unter den Auswüchsen der industriellen Agrarproduktion. Viele traditionelle Bauern haben aufgegeben. Gewerbliche Mastbetriebe haben sich breitgemacht; und es kommen weitere hinzu. Die Nitratwerte im Boden und im Grundwasser sind durch den verstärkten Einsatz von Dünger und Gülle sehr hoch. Die industrielle Fleischproduktion steigert die Nachfrage nach Fläche, weil sie diese nicht nur für die Ställe, sondern auch für die Entsorgung der Gülle der Tiere braucht. Das hat die Pachtpreise in die Höhe getrieben. Viele Bauern stehen wegen dieser Kosten und hoher Investitionen in immer größere Anlagen finanziell mit dem Rücken an der Wand.

    Die Emotionen schlagen hoch an diesem Abend - Wie soll es weiter gehen - wie sollen unsere Kinder den Hof weiterführen?

    Die Grünen fordern eine Kehrtwende. Das sorgt für Kontroversen. "Wir müssen die gewerbliche Tierhaltung zurückfahren - das ist sicher", ruft einer der Landwirte. Der nächste gibt ihm Recht, aber wie sie aus dem Konzept "Wachsen oder Weichen", das ihnen der Bauernverband Jahrzehnte lang empfohlen hat, wieder herauskommen sollen, das wissen sie nicht. Sie stecken in einer Sackgasse, zahlen Kredite ab, sind auf Subventionen angewiesen. Finanziellen Spielraum zum Umsteuern haben sie nicht. Der Bauernverband ist an diesem Abend nicht anwesend, kriegt aber sein Fett ab von ehemaligen Anhängern, frustrierten Bauern und von Theo Schwarte. Der Landwirtschaftsexperte hat nicht nur dem Bauernverband den Rücken zugekehrt, sondern auch gleich auch der CDU. Sein Parteibuch hat er erst vor Kurzem gegen eine Mitgliedschaft bei den Grünen eingetauscht:

    "Wo ist denn der Bauernverband, der für eine gerechte Umverteilung sorgt, damit wir die Familienbetriebe erhalten können. - Der Bauernverband ist dazu da, uns zu sagen, dass wir größer werden müssen, damit der was zu tun hat. - Der Bauernverband ist ´ne Mafia, das wissen wir doch alle."

    Bärbel Höhn setzt auf den Konsens, dass es ein "weiter so" in der Landwirtschaft nicht geben kann. Rettungsversprechen macht sie nicht, Angebote schon.

    "Wir können nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern wir können gemeinsam überlegen, in welche Richtung könnte es selbst auch in Borken gehen. Insofern werden wir natürlich Angebote machen für alle die Bauern, die sagen, wir gehen diesen anderen Weg mit."

    Ein grundsätzlich strittiges Thema zwischen den Grünen und den Bauern sind die Biogasanlagen. Die Landwirte haben sich auf die Subventionsbedingungen eingestellt und noch mehr Maismonokulturen angebaut, die das ökologische Gleichgewicht stören. Bei der Förderung sei einiges schief gelaufen, räumt Bärbel Höhn ein. Man müsse nun beim EEG die Bedingungen ändern und genau festlegen, wie viel Prozent Mais maximal verwendet werden darf und dass verschiedene andere Pflanzen als Biomasse eingesetzt werden müssen.

    "Es gibt zwei Stellschrauben in Richtung Maismonokulturen: die erste ist, dass man beim EEG entsprechend die Vorschriften ändert. Und die zweite ist, dass man nicht mehr diese Fleischproduktion so fördert. Weil 70 Prozent vom Mais gehen ins Futter und 30 Prozent in die Biogasanlagen."

    Damit schiebt Höhn den Schwarzen Peter wieder zurück zur industriellen Landwirtschaft. Und sie weist darauf hin, dass die Grünen bei der Landtagswahl in Niedersachsen gerade in ländlichen Regionen stark dazugewonnen, der CDU Stimmen abgenommen hätten. Das Konzept von Bündnis 90 / Die Grünen, verstärkt konservative Wähler anzusprechen, ist bei den jüngsten Landtagswahlen aufgegangen. Bärbel Höhn setzt auch für die Bundestagswahl darauf.

    Am kommenden Montag beginnt sie ihre Wahlkampftour durch Nord-Rhein-Westfalen, 67 Termine in knapp vier Wochen, als Direktkandidatin für den Bundestag:

    "Also, ich werde auf jeden Fall in NRW auf Platz 1 kandidieren, dann schauen wir mal, aber ich glaube, das könnte klappen."