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Die Hoffnung stirbt zuletzt

Auf Zypern werden die von der UN vermittelten Verhandlungen über eine Wiedervereinigung wieder aufgenommen. Zum wievielten Mal wissen selbst viele beteiligten nicht, doch die Vereinten Nationen sind die ritualisierten Verhandlungen müde.

Von Susanne Güsten | 30.08.2010
    Aus Aluminium-Wellblech sind die niedrigen Kasernenbauten im UN-Camp in Famagusta errichtet, als wären sie nur provisorisch hier aufgestellt - dabei stehen sie schon sehr lange hier, wie Oberleutnant Peter Melnik vom slowakischen Kontingent sagt:

    "Alles hier ist sehr alt, die Gebäude, das ganze Lager. Unsere Mission, die Friedensmission der Vereinten Nationen in Zypern, wurde im März 1964 von der UN entsandt und ist heute die viertälteste Mission der Welt. Sie ist schon mehr als 45 Jahre hier."

    Hier ist die Kommandozentrale ... .

    "Wir arbeiten hier alle zusammen: Hier sitzt ein Offizier aus Ungarn und der ist aus der Slowakei. In unserer Mission sind insgesamt 17 Nationen vertreten."

    Seit fast einem halben Jahrhundert bewachen Soldaten aus aller Welt die Demarkationslinie zwischen Zyperntürken und Zyperngriechen, seit Jahrzehnten versuchen die Vereinten Nationen eine Wiedervereinigung der Insel zu vermitteln.

    Doch damit könnte nun bald Schluss sein. In seinem jüngsten Bericht an den Sicherheitsrat betonte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, bis zum Ende dieses Jahres müsse es endlich eine Einigung geben. In einer Fernsehansprache an die Zyperntürken stellte sich deren Volksgruppenführer Dervis Eroglu vor der Wiederaufnahme der Gespräche in dieser Woche hinter dieses Ziel:

    "Seit 40 Jahren verhandeln wir, wir haben längst alle Argumente und Positionen ausgetauscht. Wir brauchen nur noch den politischen Willen zur Einigung. Wenn beide Seiten diesen Willen aufbringen, so denken wir, müsste eine Einigung bis zum Jahresende möglich sein. Ich für meinen Teil werde alles dafür tun. Wie die UN schon erklärt haben: Das Ende dieses Jahres ist der Wendepunkt für Zypern."

    Unerwartete Töne sind das von einem Mann, der bis zu seiner Wahl zum Präsidenten der international nicht anerkannten Republik Nordzypern im Frühjahr dieses Jahres als Gegner einer Einigung mit dem griechischen Süden galt. Bewirkt wurde dieser Sinneswandel von der Türkei, sagt der deutsch-türkische Sozialdemokrat Ozan Ceyhun, der als Berater der nordzyprischen Regierung tätig ist:

    "Das ist auch die Position der türkischen Regierung in Ankara, das ist die gemeinsame Position. Das muss sein, weil die nordzyprische Republik hat momentan Probleme: Die Airline existiert nicht mehr, die ganzen staatlichen Behörden sind erledigt. Ohne dass ein Cent aus der Türkei überwiesen wird, läuft gar nichts. Das kann weder in Nordzypern noch in Ankara so weitergehen. Und aus diesem Grund macht die türkische Seite riesigen Druck eine Lösung zu haben."

    Was aber, wenn es bis zum Jahresende keine einvernehmliche Lösung gibt? Die südzyprische Presse wirft der türkischen Seite vor, nur pro forma eine Einigung bis zum Jahresende anzustreben, um dann nach Ablauf dieser Frist die endgültige Teilung der Insel auf die Tagesordnung setzen zu können. Eine berechtigte Sorge, meint Ceyhun:

    "Das würde ich ernst nehmen, wenn ich die griechische Seite wäre. Wenn ich ein südzypriotischer Politiker wäre, würde ich da ganz vorsichtig sein. Weil es wirklich eine solche Möglichkeit gibt."

    An eine eigenständige Zukunft für Nordzypern nach dem Vorbild von Taiwan wird demnach in Ankara gedacht: ein international nicht anerkannter Staat, mit dem international dennoch Handel und Austausch getrieben wird. Sollte die Einigung in diesem Jahr trotz sichtbaren Kompromisswillens auf türkischer Seite erneut an den Zyperngriechen scheitern, könnte die Staatengemeinschaft endlich bereit sein, diesen Weg mitzugehen und die Embargos gegen Nordzypern aufzuheben, hoffen türkische Diplomaten.

    Alles hängt vom Verlauf der Verhandlungsrunde ab, die nun beginnt, und vom nächsten UN-Bericht im November. Ein Routinebericht werde das nicht sein, hat die UN bereits wissen lassen und auch schon Konsequenzen angedeutet – bis hin zum Abzug des UN-Vermittlers.