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"Die klassische Achse Berlin-Washington funktioniert im Klimaschutz nicht mehr"

Auf der Klimakonferenz in Durban habe Deutschland einen wichtigen Impuls gesetzt, indem es seine Beteiligung an einem Global Climate Fund zugesagt hat, findet Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Der Fonds soll Entwicklungsländern Mittel für den Klimaschutz bereitstellen.

Reimund Schwarze im Gespräch mit Bettina Klein |
    Mario Dobovisek: Die reichen Länder, sie verursachen den Klimawandel; vor allem die armen müssen ihn ausbaden. Zur Hilfe bei der Anpassung an das wärmer werdende Klima will der Klimagipfel in Durban einen grünen Fonds ins Leben rufen. Seinen Sitz soll er möglicherweise in Deutschland bekommen. Doch die Gründung hängt davon ab, ob sich der Gipfel auch in anderen Fragen einigen kann. In unserer Sendung "Das war der Tag" gestern Abend hat meine Kollegin Bettina Klein mit Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung gesprochen. Ihre erste Frage lautete: Hat Sie der deutsche Umweltminister in Durban überzeugen können?

    Reimund Schwarze: Ich denke, er hat heute einen wichtigen Impuls gesetzt, auf den wir eigentlich schon die ganze Woche gewartet haben, aber der sicher zur Kenntnis genommen wurde. Der Vorstoß Deutschlands, jetzt am Aufbau des Global Climate Fund sich zu beteiligen durch Infrastruktur und Mittel, wird sicher zur Kenntnis genommen und wurde zur Kenntnis genommen.

    Bettina Klein: Das ist dieser Klimafonds, der in Deutschland aufgebaut werden soll. Der soll Entwicklungsländern ab 2020 helfen, jährlich 100 Milliarden Dollar zur Anpassung an den Klimaschutz und den Klimawandel zu bekommen. Weshalb ist das so wichtig, dass er in Deutschland aufgebaut wird?

    Schwarze: Ich denke, das ist nicht wichtig, dass es in Deutschland aufgebaut wird, aber es ist wichtig, dass Deutschland jetzt ein Signal setzt, dass es bereit ist zu einer Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern. Die klassische Achse Berlin-Washington funktioniert im Klimaschutz nicht mehr. Wir brauchen neue Allianzen und der Schritt von Herrn Röttgen war deutlich ein Schritt zu auf die Chinesen und aber auch die größere Gruppe der Entwicklungsländer rund um die G77.

    Klein: Weshalb war das ein Schritt zu auf die Chinesen und auf Entwicklungsländer?

    Schwarze: Ich denke, das Ganze muss man diplomatisch interpretieren, denn die 40 Millionen sind natürlich nur ein ganz kleiner Tropfen auf einen ganz heißen Stein, jedenfalls in der Zukunft, und insofern ging es jetzt zunächst darum, ein diplomatisches Signal zu setzen. Ich sehe diese Bereitschaft Deutschlands zum Aufbau dieses Fonds daher auch nicht isoliert, sondern im Kontext mit der Rede von Herrn Röttgen auch als Schritt zu auf die Entwicklungsländer und auf China, und Röttgen hat auch im Gespräch gesagt, er sucht neue Kontakte zu den Chinesen, nachdem es ja Mitte der Woche ganz verfahren erschien.

    Klein: Vielleicht noch ein Wort zu diesem Klimafonds. Ist denn eigentlich klar, wo genau das Geld herkommen soll, und wird es tatsächlich dann eingenommen werden?

    Schwarze: Das ist die große Frage gewesen im Vorfeld. Es war das Drängen der Präsidentschaft, hier zu einer Klärung zu kommen. Was das Aufbringen der Mittel angeht, ist der letzte Textentwurf leider sehr unklar und undeutlich, so dass wir hier noch Debatten erwarten müssen. Dennoch spürt man allerorten in Durban, dass hier auf ein Ergebnis seitens der Präsidentschaft gedrängt wird, und ich denke, jedenfalls die Informationen, die mir vorlagen, waren, dass auf dem Weg zu den 100 Milliarden schon gut ein Drittel vor einigen Wochen erreicht war als freiwillige Zusagen, sodass vielleicht der erste Schritt wäre, sich langsam den 100 Milliarden zu nähern durch den Aufbau so eines Fonds. Aber Sie sehen: Daran gemessen sind die 40 Millionen natürlich in der Tat nur ein diplomatisches Aufbruchsignal.

    Klein: Sie haben es angedeutet: Die Augen haben sich vor einigen Tagen bereits sehr stark auf China gerichtet. Man hatte den Eindruck, die Chinesen würden sich bewegen. Inwiefern lässt das, was Sie jetzt gerade beschrieben haben, erwarten, dass wir vielleicht noch in den nächsten Tagen dort einen entscheidenden Durchbruch sehen werden?

    Schwarze: Einen entscheidenden Durchbruch in der Frage der Verlängerung des Kyoto-Protokolls und auch der Entstehung eines neuen internationalen Abkommens nach Kyoto erwarte ich jetzt nicht mehr in Durban. Das war vielleicht auch nicht die Messlatte, an der Durban sich messen lassen musste, sondern hier ging es darum, einen Fahrplan zu beschließen, ein Mandat abzuschließen wie seinerzeit das Berliner Mandat vor dem Kyoto-Protokoll, wie man in einigen Jahren dazu kommt. Die Bewegung am Anfang der Woche wurde aus meiner Sicht nicht richtig eingeschätzt. Da war tatsächlich ein bisschen Bewegung drin, und die etwas harsche Reaktion aus den USA hat hier sicher bei den Chinesen erst mal zu einem Zurückrudern geführt, was sehr deutlich war. Ich denke aber, dass jetzt das Signal von Röttgen und anderen - Norwegen und andere Länder unterstützen das ja auch massiv - sicher noch mal eine Chance bietet für ein Fenster zu Verhandlungen, die jedenfalls auch den Weg zu einem solchen Abkommen hier freifahren können.

    Klein: Es heißt ja immer, bei diesen Gipfelveranstaltungen wird mitunter erst ein Durchbruch oder ein entscheidendes Zugeständnis in der letzten Nacht erarbeitet. Rechnen Sie mit so etwas?

    Schwarze: Ich habe meinen Flug nicht auf Freitag und auch nicht auf Samstag Früh gelegt. Ich rechne in der Tat mit langen Nachtsitzungen hier in Durban. Auch wenn es letztlich vielleicht sogar nur um die Frage des kleinen Erfolgs geht, also der Gründung eines solchen Global Climate Funds, denke ich noch, dass einige Hürden zu nehmen sind. Viele Länder haben auch ihre Bereitschaft jetzt an der Beteiligung des Global Climate Funds noch abhängig gemacht von glaubhaften Schritten auf dem Weg zu Kyoto II. Insofern ist mit Nachtsitzungen zu rechnen, möglicherweise sogar noch mit Sitzungen am Samstag bis zum Mittag.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.