Venedig, die nasse Schöne. Erbaut auf Pfählen im schlammigen Grund der Lagune, begehbar zu Fuß, befahrbar nur mit Boot oder Wasserbus. Das Gewirr der Gassen und Kanäle reicht bis an die S-förmige Hauptverkehrsader, den Canal Grande. Ich stehe auf der Piazzetta beim Dogenpalast und Markusdom und sehe gegenüber die spitze Landzunge mit dem Punto della Dogana. Hinter diesem historischen Zollgebäude, heute das neue Museum für Gegenwartskunst, ragt eines der Wahrzeichen von Venedig in den trüben Novemberhimmel: die Kirche Santa Maria della Salute. Hier wirkt Don Lucio als Rektor der Basilica und des zugehörigen Seminars, das Schülern und Studenten eine theologisch fundierte Ausbildung bietet.
"Diesen Ort hier liebe ich ganz besonders. Unser Seminar befindet sich genau an der Spitze der Dogana. Von hier sieht man die ganze Bucht von San Marco. Für mich ist das eine der schönsten Stellen von ganz Venedig. Den Ort für die Kirche hat man aus ästhetischen Gründen gewählt, wegen der schönen Lage am Canal Grande."
Wie in William Turners berühmten Gemälde vom Canal Grande versinkt an diesem Morgen die Silhouette der Kirche im Frühnebel. Himmel und Wasser sind eins. Das barocke Gotteshaus schimmert in mattem Grau.
Zwei Tage vor dem Fest putzt sich die Salute-Kirche heraus: Seminaristen behängen die Wände mit scharlachrotem Samt. Zuletzt werden Borten an den Säumen der Wandbespannung befestigt. Hoch oben hängt ein bestickter Vorhang über der Schwarzen Madonna. Sie trägt den Beinamen "Salute" - Gesundheit.
"Für die Venezianer ist die Gesundheit zur Zeit die Gesundheit des Körpers und der Seele."
Ich sitze mit der Venezianerin Mariangela Du Chaliot in der fast menschenleeren Salutekirche.
"Venedig trägt eine Maske. Und nicht alles, was das Auge trifft, ist unbedingt echt. Wir sehen den schönen Marmor, und dahinter steckt im Gegenteil der einfache Ziegelstein. Man muss auch daran denken, dass die Menschen damals die Baumaterialien verwendet hatten, die sie vor Ort hatten. Und so wurde die Stadt ab dem 14. Jahrhundert nur aus Ziegelsteinen gebaut. Früher war eine hölzerne Stadt."
Eine mit Stein verkleidete hölzerne Kuppel krönt auch die Salute-Kirche. Denn massiver Stein hätte das Bauwerk zu tief ins Wasser gedrückt. Seit dem Mittelalter wurde Venedig immer wieder von Pestepidemien heimgesucht. Man entwickelte strenge Hygienevorschriften und stellte auswärtige Besucher unter Quarantäne. Doch bei der großen Pest von 1630 war alle Vorsorge vergebens: ein Drittel der Bevölkerung - 50.000 Menschen - wurde dahingerafft.
"Der Senat, die Regierung der Republik, die ganze Bevölkerung gemeinsam flehen die Muttergottes um Hilfe. Und die versprechen, dass sie eine Kirche bauen werden, also ein offizielles feierliches Gelübde. Und es wird eine Wallfahrt sein, und zwar jedes Jahr am Tag des Endes der Pest. Am 21., 22. November."
Seit der Einweihung der Salute-Kirche anno 1687 erfüllen die Venezianer ihr Gelübde und pilgern jedes Jahr am 21. November hierher:
"Auch wer nie in die Kirche geht, einmal im Jahr muss man hier zur Salute. Wir kaufen eine Kerze, hier vor der Kirche zum Beispiel und wir kommen hinein. Wir gehen zur Ikone der Muttergottes, die das Wunder bewirkt hat. Da sind Tausende von Kerzen da, es ist ja unwahrscheinlich voll. Trotzdem wissen wir, dass unser Gebet akzeptiert wird."
"Ich finde diese Kirche sehr schön. Was mir an der Architektur gefällt: diese runde Kuppel in der Mitte, dann das Altarbild, eine aus Kreta stammende Madonnen-Ikone und die Statuen ringsum. Das schafft wirklich eine schöne, andächtige Atmosphäre."
In den Beichtstühlen herrscht Hochbetrieb, Gottesdienste und Rosenkranzgebete lösen einander ab. Im Halbdunkel der Kirche flackern Hunderte von Kerzen. Venedig, 21. November. Der Morgendunst lässt keinen Sonnenstrahl hindurch. Ich kaufe eine Kerze auf dem Campo di Giglio und gehe über die hölzerne Votivbrücke zur Salute-Kirche. Patriarch Angelo Scola wird die 10-Uhr-Messe halten.
"Ich nehme dabei die starke Zärtlichkeit Mariens wahr. Ich glaube fest an die Verbindung zur Madonna. Sie ist wirklich eine Mutter, die uns zu Jesus begleitet, dem Sohn Gottes, der das Rätsel des Menschen gelöst hat."
Ich sitze auf einer Bank neben dem Altar und bestaune den prachtvollen Aufzug der Honoratioren von Kurie und Kommune: Männer in Maltesertracht, schmucke Carabinieri, Vertreter der Bruderschaften, der Confraternite, im blauen Umhang. Nach dem Gottesdienst versuche ich vergeblich, mir einen Weg durch die verstopften Gassen zu bahnen. Immer mehr Menschen strömen über die Votivbrücke zur Kirche. Selbst den nur 30 Meter entfernten Bootsanleger erreiche ich nicht. Rigoros leiten Polizisten den Menschenstrom ins Innere des Dorsoduro-Viertels um.
"Diesen Ort hier liebe ich ganz besonders. Unser Seminar befindet sich genau an der Spitze der Dogana. Von hier sieht man die ganze Bucht von San Marco. Für mich ist das eine der schönsten Stellen von ganz Venedig. Den Ort für die Kirche hat man aus ästhetischen Gründen gewählt, wegen der schönen Lage am Canal Grande."
Wie in William Turners berühmten Gemälde vom Canal Grande versinkt an diesem Morgen die Silhouette der Kirche im Frühnebel. Himmel und Wasser sind eins. Das barocke Gotteshaus schimmert in mattem Grau.
Zwei Tage vor dem Fest putzt sich die Salute-Kirche heraus: Seminaristen behängen die Wände mit scharlachrotem Samt. Zuletzt werden Borten an den Säumen der Wandbespannung befestigt. Hoch oben hängt ein bestickter Vorhang über der Schwarzen Madonna. Sie trägt den Beinamen "Salute" - Gesundheit.
"Für die Venezianer ist die Gesundheit zur Zeit die Gesundheit des Körpers und der Seele."
Ich sitze mit der Venezianerin Mariangela Du Chaliot in der fast menschenleeren Salutekirche.
"Venedig trägt eine Maske. Und nicht alles, was das Auge trifft, ist unbedingt echt. Wir sehen den schönen Marmor, und dahinter steckt im Gegenteil der einfache Ziegelstein. Man muss auch daran denken, dass die Menschen damals die Baumaterialien verwendet hatten, die sie vor Ort hatten. Und so wurde die Stadt ab dem 14. Jahrhundert nur aus Ziegelsteinen gebaut. Früher war eine hölzerne Stadt."
Eine mit Stein verkleidete hölzerne Kuppel krönt auch die Salute-Kirche. Denn massiver Stein hätte das Bauwerk zu tief ins Wasser gedrückt. Seit dem Mittelalter wurde Venedig immer wieder von Pestepidemien heimgesucht. Man entwickelte strenge Hygienevorschriften und stellte auswärtige Besucher unter Quarantäne. Doch bei der großen Pest von 1630 war alle Vorsorge vergebens: ein Drittel der Bevölkerung - 50.000 Menschen - wurde dahingerafft.
"Der Senat, die Regierung der Republik, die ganze Bevölkerung gemeinsam flehen die Muttergottes um Hilfe. Und die versprechen, dass sie eine Kirche bauen werden, also ein offizielles feierliches Gelübde. Und es wird eine Wallfahrt sein, und zwar jedes Jahr am Tag des Endes der Pest. Am 21., 22. November."
Seit der Einweihung der Salute-Kirche anno 1687 erfüllen die Venezianer ihr Gelübde und pilgern jedes Jahr am 21. November hierher:
"Auch wer nie in die Kirche geht, einmal im Jahr muss man hier zur Salute. Wir kaufen eine Kerze, hier vor der Kirche zum Beispiel und wir kommen hinein. Wir gehen zur Ikone der Muttergottes, die das Wunder bewirkt hat. Da sind Tausende von Kerzen da, es ist ja unwahrscheinlich voll. Trotzdem wissen wir, dass unser Gebet akzeptiert wird."
"Ich finde diese Kirche sehr schön. Was mir an der Architektur gefällt: diese runde Kuppel in der Mitte, dann das Altarbild, eine aus Kreta stammende Madonnen-Ikone und die Statuen ringsum. Das schafft wirklich eine schöne, andächtige Atmosphäre."
In den Beichtstühlen herrscht Hochbetrieb, Gottesdienste und Rosenkranzgebete lösen einander ab. Im Halbdunkel der Kirche flackern Hunderte von Kerzen. Venedig, 21. November. Der Morgendunst lässt keinen Sonnenstrahl hindurch. Ich kaufe eine Kerze auf dem Campo di Giglio und gehe über die hölzerne Votivbrücke zur Salute-Kirche. Patriarch Angelo Scola wird die 10-Uhr-Messe halten.
"Ich nehme dabei die starke Zärtlichkeit Mariens wahr. Ich glaube fest an die Verbindung zur Madonna. Sie ist wirklich eine Mutter, die uns zu Jesus begleitet, dem Sohn Gottes, der das Rätsel des Menschen gelöst hat."
Ich sitze auf einer Bank neben dem Altar und bestaune den prachtvollen Aufzug der Honoratioren von Kurie und Kommune: Männer in Maltesertracht, schmucke Carabinieri, Vertreter der Bruderschaften, der Confraternite, im blauen Umhang. Nach dem Gottesdienst versuche ich vergeblich, mir einen Weg durch die verstopften Gassen zu bahnen. Immer mehr Menschen strömen über die Votivbrücke zur Kirche. Selbst den nur 30 Meter entfernten Bootsanleger erreiche ich nicht. Rigoros leiten Polizisten den Menschenstrom ins Innere des Dorsoduro-Viertels um.