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Die USA und das Klimaabkommen
"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht übertreiben"

Der CDU-Europapolitiker Herbert Reul hält den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen für ein "Riesen-Problem". Er sagte im Dlf, so beschaffe sich das Land Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig warnte er mit Blick auf den Arbeitsmarkt vor Mehranstrengungen im Bereich Klimaschutz für die anderen Unterzeichner-Staaten.

Herbert Reul im Gespräch mit Dirk Müller |
    Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.
    Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. (dpa / Michael Kappeler)
    Dirk Müller: Donald Trump erfüllt aus der Perspektive gesehen ein zentrales Wahlversprechen, zumindest für diejenigen, die in den Vereinigten Staaten gewählt haben, und steigt aus aus dem Klimaschutz. Am Telefon begrüße ich nun Herbert Reul (CDU), Chef der deutschen Unions-Abgeordneten im Europäischen Parlament, zugleich Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie. Wir erreichen ihn heute Morgen in Berlin. Guten Morgen!
    Herbert Reul: Schönen guten Morgen.
    Müller: Herr Reul, haben wir jetzt den Salat?
    Reul: Na ja. Zumindest ist es alles andere als angenehm. Es ist ein Riesen-Problem. Welche Auswirkungen es haben wird, kann man jetzt im Grunde genommen noch gar nicht genau sagen. Da muss man auch ein Stückchen abwarten. Aber überraschend ist es nicht. Er hat es im Wahlkampf immer gesagt und im Moment sieht es ja so aus, dass er das, was er angekündigt hat, auch umsetzt.
    Müller: Haben Sie ihn immer ernst genommen mit solchen Forderungen?
    Reul: Ich habe auf der Strecke eigentlich nie ganz genau gewusst, was ich da ernst nehmen soll. Weil manche Sachen waren so außergewöhnlich und auch neben der Spur, dass ich gedacht habe, so ein Geschäftsmann, der erfolgreich ist, kann solche Projekte doch gar nicht anfangen, allein schon aus dem Gesichtspunkt, er will eine erfolgreiche Politik machen. Aber hat er gemacht.
    "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht übertreiben"
    Müller: Erfolgreiche Wirtschaftspolitik, ist das jetzt noch möglich?
    Reul: Ich glaube, da irrt er sich. Es kann sicherlich erst mal einen Vorteil geben. Sie müssen nicht zahlen, das ist ein Vorteil. Der zweite Vorteil ist, dass natürlich die Industrie von möglichen Belastungen ein Stück entlastet wird. Das kann dazu führen, dass es im internationalen Wettbewerb einen Vorteil für amerikanische Industrien gibt. Das war ja unser Problem. Deswegen waren wir alle so interessiert daran, dass es eine Verabredung gibt, die fast alle auf der Welt mit unterzeichnen, damit die Belastungen auch gleichmäßig verteilt werden oder auch keiner einen Wettbewerbsvorteil hat. Das ist ein echtes Problem. In welchem Maße, muss man abwarten. Für die Frage CO2-Reduzierung – da hat der Kollege eben schon drauf hingewiesen –, auch das ist nicht hundertprozentig festzulegen, denn der größte Teil der CO2-Reduzierung, die die Amerikaner erreicht haben, ist ja dadurch erreicht worden, dass er weniger Kohle gemacht hat und Gas-Fracking an die Stelle getreten ist. Auch da ist abzuwarten, ob da wirklich ein solcher radikaler falscher anderer Wert erreicht wird.
    Müller: Entlastung der Industrie ist ein Stichwort. Darüber haben wir beide auch schon häufiger im Deutschlandfunk diskutiert. Sie sind ja schon jemand, der Wirtschaftsinteressen, energiepolitische Interessen auch ganz zentral häufig in den Vordergrund einer politischen Auseinandersetzung stellt. Das heißt, Sie haben aber in dem Punkt bei Trump überhaupt kein Verständnis für das Thema Entlastung der Industrie? Das ist ja ein Argument, was oft auch hier in Deutschland immer noch benutzt wird.
    Reul: Es ist ja auch wahr. Ich bleibe auch dabei, dass wir aufpassen müssen bei allen Klimaschutzanstrengungen, dass wir das nicht übertreiben, weil wir auch noch Arbeitsplätze brauchen. Es geht nicht um entweder/oder, sondern wie kann man es klug zusammenbringen.
    "Die Frage ist, in welchem Maße ist es vernünftig"
    Müller: Ist das immer noch ein Widerspruch?
    Reul: Ein Widerspruch – es kommt immer aufs Maß an. Erst mal im Prinzip ist es ein Widerspruch, weil jede Mehranstrengung für den Klimaschutz bedeutet Belastungen für die Industrie. Das ist relativ klar. Die Frage ist, in welchem Maße ist es vernünftig und wo geht man zu weit. Insofern kann ich kritische Anmerkungen verstehen. Aber Aussteigen ist der falscheste Weg, weil die Leistung dieses Pariser Abkommens ja war, dass jetzt alle in einem Boot sind und damit genau auch diese Frage, wie stark wird eine Industrie in irgendeinem Land mehr belastet als woanders. Das war doch unser europäisches Problem immer. Man kann auch darüber streiten, mit welchen Mitteln man das erreicht, ob die Politik vorschreiben muss, mit welchen Instrumenten. Da bin ich sehr kritisch. Und ich habe auch überhaupt keine Einwände an die Amerikaner, wenn die sagen, wir machen das technologieoffen, wir machen das anders, und die haben ja die CO2-Werte reduziert, obwohl am Anfang auch von der Obama-Zeit sie nun nicht gerade die Förderer dieses Projektes waren. Das Schlimme ist jetzt, dass es zwei schlimme Entwicklungen gibt. Die eine ist, hat das jetzt wirklich große Auswirkungen auf die Reduzierung von CO2 in Amerika. Das wäre Relevanz, weil Amerika einen großen Beitrag in der Weltverschmutzung leistet. Das ist einfach eine riesen Volkswirtschaft. Und das Zweite ist, gibt es daraus möglicherweise Vorteile, einseitige Vorteile für amerikanische Industrien oder nicht. Zum Beispiel kann es ja auch sein, weil die Technologien im Bereich der CO2-Vermeidung, der Erneuerbaren-Einsetzung ja bald weitergehen werden. Wenn einer aussteigt, das ist ein Problem, aber wenn der Rest weitermacht, ist das ja zumindest in den Auswirkungen überschaubar.
    Müller: Aber das gilt für Sie, wenn ich Sie hier noch mal unterbrechen darf, Herr Reul, immer noch nicht, dass Umwelttechnologie und alternative Energien, verschmutzungsfreie Energien immer noch nicht die klare definierte erfolgreiche Zukunft sind?
    Reul: Natürlich ist es die Zukunft, sich um neue Technologien zu kümmern. Immer! Die Frage ist nur, ich nehme mal ein Beispiel an, in welchem Maße, wie stark, und zweitens, wie stark staatliche Vorschrift und mit welchen Instrumenten.
    "Ich bin für mehr Realismus"
    Müller: Sind wir denn zu weit gegangen in den Regulierungen?
    Reul: Ich glaube schon, dass es da Beispiele für gibt. Nehmen wir mal das Europäische Parlament. Wir glauben schon oft, mehr erneuerbare Energien fordern oder mehr Energieeffizienz, bei jeder Runde habe ich den Eindruck, der ist der Gute, der immer noch ein paar Prozent mehr fordert, ohne Rücksicht darauf, ob man es hinkriegt, wie man es hinkriegt, wie teuer es wird. Und da bin ich für mehr Realismus in der Frage. Man kann dasselbe Ziel auch erreichen mit anderen Instrumenten.
    Müller: Jetzt haben wir uns ja auch ein Ziel gesetzt. Ich meine damit die Bundesregierung, also Deutschland. Reduzierung CO2-Ausstoß um 40 Prozent bis 2020. Ausgangsniveau war 1990. Da räumt jetzt auch schon die Bundesregierung ein, das schaffen wir auf keinen Fall, dieses Reduzierungsziel einzuhalten. Könnte man doch jetzt umgekehrt interpretieren, zu wenig Regularien und Beschränkungen für die Industrie.
    Reul: Nun gut, Sie können sagen, wir wollen mehr erreichen, dann müssen wir mehr Regulierung haben. Die Frage ist, will ich das nun oder will ich das nicht. Dann gehöre ich zu denen, die sagen, ich halte das für einen Fehler. Wir können allen Leuten vorschreiben, dass sie ihre Häuser dämmen müssen, alle ihre Heizungsanlagen ausbauen müssen. Das kann man alles machen. Aber wer bezahlt das, was würde das politisch bedeuten, welche Auswirkungen hat das, was hätte das für Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Ich bin da anderer Meinung. Ich glaube, man kann eine ganze Menge erreichen über Anreize. Das passiert ja mittlerweile auch. Man kann eine ganze Menge erreichen dadurch, dass man in die technologische Offensive investiert, in Forschung. Wir brauchen einfach neue Instrumente, neue Motoren. Die ganze Debatte ist doch breit und bekannt. Das können wir auch nicht per Verordnung lösen und ich weiß auch nicht, ob der Staat immer genau weiß, was die richtige Technologie ist, um da voranzukommen, also kostengünstig plus Klimaschutz.
    "Ich bin für einen pragmatischen Weg"
    Müller: Dann war das Ziel im Grunde ein bisschen Quatsch, ein bisschen Augenwischerei, Reduzierung bis 2020?
    Reul: Das Ziel war im Prinzip richtig. Man kann sich über die Einzelmaßnahmen streiten. Da bin ich kritisch, ob wir immer wieder weiter das erhöhen und dann am Ende dazu kommen, dass wir plötzlich ein Problem haben, jetzt können wir keine Dieselfahrzeuge mehr in die Innenstadt holen, oder die Automobilindustrie fängt an herumzutricksen, weil sie das technisch hinkriegt oder wir überfordern diejenigen, die Gebäude haben, private Häuschenbesitzer. Das kann man alles diskutieren, da bin ich auch kritisch. Ich bin für einen pragmatischen Weg, für einen technologieoffenen Weg, für weniger staatliche Vorgaben. Aber das Ziel, dass man da reduziert, da habe ich überhaupt kein Problem mit. Das ist korrekt!
    Müller: Bleiben wir bei Ihrer pragmatischen Einstellung. Jetzt können wir aus vielerlei politischen Andeutungen und Entwicklungen in den vergangenen Wochen und Monaten sagen, die Kanzlerin hat das auch gesagt – und jetzt noch einmal Klima; das ist jetzt unser spezielles Thema heute Morgen, Herr Reul -, jetzt haben wir die USA irgendwie in den vergangenen Monaten verloren, weil die USA vielleicht einen anderen Kurs eingeschlagen haben. Jetzt können wir froh sein, meine Frage, dass jetzt China einspringt?
    Reul: Ja, das ist natürlich von Vorteil, dass ein anderer riesengroßer Verschmutzer jetzt mitmacht. Nun hat der natürlich auch von den Auflagen her das ein bisschen leichter, klar, weil der auch viel mehr nachzuholen hat, darauf ist ja auch Rücksicht genommen worden. Wenn dort jetzt was in Schwung kommt, hilft uns das mehr, und vielleicht kommt dann sogar mehr in Schwung am Ende, als wir erwartet haben, kann man nicht ausschließen, wenn das für deren Ansehen, für deren Einfluss in der Welt und für auch deren wirtschaftlichen Fortschritt von Sinn ist. Insofern: Diese ganzen Prognosen sind natürlich immer ein bisschen problematisch. Wichtig ist ja nur die Frage, wohin wollen wir. Weniger wichtig ist die Frage, was ist jetzt genau der Prozentsatz. Wir können hier jetzt nur aufpassen, dass jetzt nicht die Fanatiker an der Front sagen, jetzt sind die Amerikaner raus, jetzt müssen wir alle noch mal ein Prozent mehr machen oder was. Das, glaube ich, wäre falsch. Wir sind jetzt schon an der Grenze. Lassen wir uns das ordentlich machen, aber wirklich machen, was wir uns vorgenommen haben.
    Müller: Ist China glaubwürdig, kompetent genug, das alles so zu lösen, wie wir uns das im Moment vorstellen?
    Reul: Kann ich nicht beantworten. Weiß ich wirklich nicht genau. Im Moment sieht es so aus.
    "China ist nicht der Idealfall einer demokratischen Gesellschaft"
    Müller: Haben Sie politische Vorbehalte in dem Punkt?
    Reul: Ja, natürlich! China ist ja nun nicht der Idealfall einer demokratischen Gesellschaft. Es ist ja eine Riesen-Gesellschaft. Sie ist darauf angewiesen, die politische Führung, dass sich wirtschaftlicher Erfolg einstellt, weil diese Bevölkerung, die man ja nur begrenzt an den politischen Möglichkeiten beteiligt, die wird man nur ruhig halten können, wenn man der auch Erfolge liefert, und zwar permanente Erfolge. Da haben die schon ein Riesen-Problem, was die lösen müssen.
    Müller: Bei uns heute Morgen live im Deutschlandfunk Herbert Reul (CDU), Chef der deutschen Unions-Abgeordneten im Europäischen Parlament. Danke, dass Sie wieder für uns Zeit gefunden haben.
    Reul: Herzlichen Dank.
    Müller: Ihnen noch einen schönen Tag.
    Reul: Danke sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.