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Diesel-Fahrverbote
"Die Bundesregierung ist mittlerweile unter enormem Druck"

Wenn Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) jetzt über technische Nachrüstungen für ältere Diesel nachdenke, dann zeige das, wie stark der Druck inzwischen sei, sagte Automobilexperte Stefan Bratzel im Dlf. Es gebe einen riesigen Frust bei den Dieselfahrern, die sich erst vor wenigen Jahren einen neuen Wagen gekauft hätten.

Stefan Bratzel im Gespräch mit Daniel Heinrich | 15.09.2018
    Das Auspuffrohr eines älteren Fahrzeugs ist an einer befahrenen Durchgangsstraße in Stuttgart zu sehen.
    In Stuttgart gibt es bald Fahrverbote für ältere Diesel-Autos. (dpa-Bildfunk / Bernd Weißbrod)
    Daniel Heinrich: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) deutet Nachrüstungen für alte Pkws an, der Bericht war das von Marcel Heberlein. Am Telefon ist Stefan Bratzel, Automobilexperte vom Center für Automotive Management an der FH Bergisch-Gladbach. Guten Abend, Herr Bratzel!
    Stefan Bratzel: Schönen guten Abend, Herr Heinrich!
    Heinrich: Lassen Sie uns mal auf das Zitat gucken von Herrn Scheuer: "Technische Gedanken machen, um bestehende Fahrzeuge noch sauberer zu bekommen". Das sagt er, der Herr Scheuer. Kommt das für Sie überraschend?
    Bratzel: Es kommt nicht ganz überraschend angesichts der Tatsache, dass die Regierung es ja nicht geschafft hat, ihr ursprüngliches Ziel zu realisieren, und zwar, Fahrverbote zu vermeiden. Und das vor dem Hintergrund verschiedener Länderwahlkämpfe, die gerade laufen, ist das nicht völlig überraschend. Aber das Scheuer das nun zugeben muss, zeigt, der Druck war anscheinend zu groß, und jetzt muss man sich mehr überlegen als das, was bislang auf dem Tisch liegt.
    Heinrich: Sie spielen auf die Strategie an, Fahrverbote zu vermeiden. Das hat übrigens Andreas Scheuer auch noch gesagt in seiner Video-Botschaft. Mutet ja ein bisschen merkwürdig an, oder, wenn wir gucken, dass zum Beispiel in Stuttgart und Frankfurt Fahrverbote kommen werden.
    "Jetzt sind Fahrverbote eigentlich nicht mehr zu verhindern"
    Bratzel: Ja, das ist richtig. Im Prinzip hat man sehr lange gewartet und hat es sehr weit kommen lassen. Jetzt sind Fahrverbote eigentlich nicht mehr zu verhindern, oder nur noch sehr, sehr schwer. Aber vielleicht will man diese einzelnen Fahrverbote, die ja jetzt beschlossen sind quasi – also Hamburg spielt ja eine geringe Rolle, weil es sich da nur um ein paar Straßen handelt. Aber Frankfurt ist natürlich enorm relevant, und Stuttgart ist enorm relevant. Und vielleicht will man mit den entsprechenden Maßnahmen, die man jetzt auf den Weg bringt, zumindest diese weiteren Fahrverbote, die in vielen Städten jetzt anstehen, vermeiden.
    Heinrich: Also mit Salamitaktik zur Hardwarenachrüstung für 6,3 Millionen Dieselfahrzeuge?
    Bratzel: Ja, leider ist es so ein bisschen das. Man darf natürlich nicht vergessen, dass die Bundesregierung mittlerweile unter enormem Druck ist. Es gab einen großen Vertrauensverlust, weil viele Dieselfahrer ja noch vor wenigen Jahren sich darauf verlassen haben, dass sie ein umweltfreundliches Fahrzeug haben. Und sie sind jetzt in einer Situation, in der sie zum einen enorme Wertverluste für Ihr Fahrzeug hinnehmen müssen, falls sie es verkaufen wollen, oder auch Probleme haben, gegebenenfalls in die Innenstädte zu kommen. Das schafft riesigen Frust bei den Verbrauchern, bei den Dieselfahrern und setzt die Regierung unter Druck. Es muss jetzt etwas passieren. Mal sehen, ob jetzt ein vernünftiges Konzept auf den Tisch kommt.
    Heinrich: Sie sagen, Dieselfahrer. Aber ist denn Dieselfahrer in dem Fall gleich Dieselfahrer?
    "Die Automobilhersteller müssen sich bewegen"
    Bratzel: Nicht gleich, aber man muss natürlich die Größenordnungen sehen. Betroffen sind ja erst mal in den nächsten Monaten, wenn sie in bestimmten Regionen wohnen, die Fahrzeuge der Abgasnorm 4 und schlechter. Da handelt es sich auch um einige Millionen möglicherweise betroffene Dieselfahrer, aber die große Menge sind ja die sogenannten Normen Euro-5. Da handelt es sich um fünf bis sechs Millionen Diesel auf deutschen Straßen, und das wird ja ab September 2019 relevant. So hat ja das Verwaltungsgericht entschieden, dass ab dann eben auch für diese große Menge an relativ neuen Fahrzeugen – sie wurden ja bis zum Jahr 2015 zugelassen – dann entsprechende Fahrverbote drohen können.
    Heinrich: Diese Hardwarenachrüstung, Herr Bratzel, wer soll das denn eigentlich alles bezahlen?
    Bratzel: Das ist, glaube ich, die entscheidende Frage, weswegen eben auch der Verkehrsminister Scheuer angedeutet hat, dass sich hier die Automobilhersteller bewegen müssen.
    Heinrich: Entschuldigung -- werden die das tun? Bisher sagen die, ich habe vorher noch mal nachgelesen: Der Verband der Automobilindustrie, VDA, sagt zum Beispiel, die Autobauer bezahlen ja schon die Softwareupdates, und außerdem beteiligen wir uns am Fonds in Anführungsstrichen "Saubere Luft". Da scheint sich ja erst mal nichts zu bewegen.
    Bratzel: Es ist ja, wie gesagt, die Frage, ob man die Automobilhersteller dazu bringen kann, noch mehr zu tun, auch für Hardwarenachrüstung zu sorgen. Es wird sich zum einen die rechtliche Frage stellen, kann man die Automobilhersteller tatsächlich zwingen, hier für entsprechende Updates zu sorgen, oder ist das rechtlich nicht möglich, weil sich die Automobilhersteller auf den Standpunkt stellen, dass sie ja eine Typgenehmigung haben. Und ansonsten haben sie sich eben an Recht und Gesetz gehalten, weil eben die Grauzonen es eben ermöglichen, vielleicht ermöglicht haben, da sind ja die Juristen teils unterschiedlicher Ansicht, dass die Grauzonen sozusagen eingehalten wurden und entsprechend man nicht das Gesetz gebrochen hat. Klar ist natürlich, man hat sehr illegitim gehandelt, wenn Abschalteinrichtungen teilweise schon bei zehn Grad plus die Abgasreinigung herunterregeln.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.