Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Digitale Pflegehilfen
Ein Roboter für den Senioren-Haushalt

In der Pflege werden händeringend Fachkräfte gesucht. Um eine angemessene Betreuung auch in Zukunft sicherzustellen, werden immer mehr digitale Assistenzsysteme erprobt. Damit sollen Senioren auch möglichst lange aktiv im eigenen Haushalt bleiben.

Von Anke Petermann | 25.02.2020
Das FZI erforscht die Interaktion des Menschen mit Robotern im Smart Home
Das FZI in Karlsruhe erforscht die Interaktion des Menschen mit Robotern im Smart Home (FZI Forschungszentrum Informatik)
Allein kochen geht nicht mehr? Ein Roboter gibt Anweisungen. Sein Greifarm bewegt sich auf einer Schiene an der Küchenarbeitsplatte. In welche Richtung zeigt jeweils das Licht einer LED Leiste an.
"Er wird mich jetzt auffordern, Nudeln in die Dose zu geben und wird es dann abwiegen."
Roboter-Stimme: "Bitte geben Sie die gewünschte Menge Nudeln in die Dose."
Marc Schroth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karlsruher FZI (Forschungszentrum Informatik), hat Nudeln in den Messbehälter gegeben. Der Greifarm hebt den Behälter auf eine Küchenwaage.
Senioren sollen aktiv bleiben
"Wir messen 32 Gramm, das entspricht 114."
…Kalorien, das hat der Roboter vergessen zu sagen. Er ist erst ein Prototyp, noch nicht marktreif. Mit Unterstützung der Berliner Charité und des Deutschen Roten Kreuzes testen und verbessern ihn die Forscher am FZI. Mit Blick auf die Aktivitäten der Pflegebedürftigen sagt Marc Schroth: "Es wird Teile geben, die der Roboter übernimmt, aber auch Teile, die der Mensch machen soll. Also ganz bewusst, damit eben auch Senioren - dafür ist es gedacht – möglichst lange aktiv in ihrem eigenen Haushalt sein können. Das Ganze könnte so aussehen, dass wir einen Senior haben, der Schwierigkeiten hat, schwere Gegenstände zu heben. Das heißt, der Roboterarm könnte den Topf dann auf den Herd stellen. Und der Nutzer könnte dann Dinge übernehmen, die für ihn leichter sind."
Wenn der Senior körperlich noch rüstig, aber leicht dement ist, könnte sich der Roboter auf Anweisungen beschränken – und der intelligente Herd würde sich am Ende – falls der Koch es vergisst - selbst abschalten. Systeme, die es schon zu kaufen gibt, listet das FZI in seinem Online-Wegweiser Alter und Technik auf: Großtastentelefone mit Fotokurzwahltasten plus besonders großer Notruftaste zum Beispiel. Oder einfach verständliche Universalfernbedienungen, mit denen sich Fernseher, Licht und weitere Haustechnik steuern lassen.
Hausnotruf intelligenter machen
Der Internet-Wegweiser gibt Tipps, welche Produkte erstattungsfähig sein könnten. Erforscht werden am Karlsruher FZI zunehmend Systeme, die den Pflegebedürftigen zuhause mit seinen Angehörigen anderswo vernetzen. Eines dieser Systeme haben Unternehmensgründer auf den Markt gebracht, weiß Lukas Kohout, wissenschaftlicher Mitarbeiter am FZI: "Die haben zum Beispiel den Hausnotruf intelligenter gemacht: Dass ich nicht nur den Knopf daheim habe, den man klassisch kennt, wenn ich gestürzt bin, muss ich drauf drücken. Sondern ich habe noch Sensorik im Haus verbaut, und wenn die feststellt, irgendwas stimmt nicht, der Bewohner ist nicht aufgestanden, oder die Haustür steht schon seit ein paar Stunden offen, dann kriegen zum Beispiel die Angehörigen oder irgendeine Bezugsperson eine Nachricht aufs Smartphone: 'Guck mal nach deinem Angehörigen'."
EasierLife heißt der intelligente Hausnotruf, den Professor Wilhelm Stork, Direktor am FZI, unter Einbeziehung von 100 Testhaushalten mit entwickelt hat. Von 20 Sensoren, die man erprobt wurden, blieben am Ende die zwei aussagefähigsten übrig: ein Bewegungsmelder im Flur und ein Türkontaktsensor am Eingang.
"Der Bewegungsmelder am Korridor ist wichtig, weil, was immer man tut - vom Wohnzimmer ins Bad oder in die Küche zu gehen - man kommt immer dran vorbei. Und das wird gemessen und dann in der Cloud abgelegt."
Angst vor Überwachung
Das Assistenzsystem erfasst Gewohnheiten und Verläufe, das soll helfen, Verschlechterungen zu prognostizieren und zu vermeiden.
"So dass wir Pflegepersonen oder Angehörigen sagen können: 'Ihr solltet irgendetwas tun, um die Person zu aktivieren, denn sonst geht es Richtung Sturz'."
Mit digitalen Produkten im Gesundheitswesen ein Geschäft zu machen, sei wegen veralteter Gesetze und Berufsordnungen schwierig, sagt Professor Stork - selbst wenn das FZI mit Hilfe von Bundes- und Landesgeldern dafür Forschungsleistungen liefert. Stork wünscht sich mehr wissenschaftsbasierte Start-Ups wie "EasierLife".
"Wo ich in der Pflege oder im Gesundheitswesen den schnellst möglichen Erfolg sehen kann, wäre insbesondere in der Dokumentation, die wir von Papier auf digital umsetzen können."
Pflegekräfte könnten Tätigkeiten mit Hilfe digitaler Brillen aufzeichnen und damit objektiv auswertbare Daten liefern. Bei den einen löst die automatisierte Dokumentation Angst vor Überwachung aus. Bei anderen die Hoffnung, mehr Zeit für die Betreuung Pflegebedürftiger zu haben.