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Diskussion um Ankerzentren
Kretschmer erhofft sich schnellere Asylentscheidungen

Sachsen wird sich als bisher einziges Bundesland neben Bayern an den geplanten Ankerzentren für Asylbewerber beteiligen. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte im Dlf, wenn man Asylentscheidungen an einer Stelle konzentriere, sei auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass deren Qualität steige.

Michael Kretschmer im Gespräch mit Sarah Zerback | 28.05.2018
    Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident Sachsen, diskutiert über den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.
    Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will sich an den von Innenminister Horst Seehofer (CSU) geplanten Ankerzentren beteiligen (dpa / Oliver Killig)
    Sarah Zerback: Asylprozesse beschleunigen, effektiv alles aus einem Guss, von der Ankunft bis zur Entscheidung – das steht im Zentrum des sogenannten Masterplans Migration des Bundesinnenministers. Auch als Antwort auf den aktuellen BAMF-Skandal, wie er gestern noch einmal betonte. Horst Seehofer will ein Konzept dazu bis Ende Mai, Anfang Juni vorlegen, hat er gesagt, also jetzt quasi. Wird auch Zeit, denn bis spätestens September sollen dann die ersten Pilotprojekte eröffnet sein. Die Idee stammt aus Bayern, Seehofer-Land, und soll bald in ganz Deutschland gelten. Nur will bisher keiner richtig mitmachen, außer Sachsen. Am Telefon begrüße ich jetzt Michael Kretschmer, sächsischer Ministerpräsident von der CDU. Guten Morgen, Herr Kretschmer!
    Michael Kretschmer: Guten Morgen.
    Zerback: Jetzt beklagen sich alle, dass sie nicht wissen, wie diese geplanten Asylzentren denn künftig überhaupt aussehen sollen. Sie machen trotzdem mit. Haben Sie da schon exklusive Informationen?
    Kretschmer: Ja. Wir haben das in den Koalitionsverhandlungen ja besprochen, sehr eingehend, und waren uns einig, dass Flüchtlinge und Asylbewerber nur dann in die Kommunen gegeben werden sollen, wenn sie tatsächlich eine dauerhafte Bleibeperspektive haben. Das macht man deswegen, um doppelte Enttäuschung zu vermeiden: Einmal bei denjenigen, die sich um Integration bemühen, bei den Bürgermeistern, bei den vielen Ehrenamtlichen, und natürlich auch bei den Schutz suchenden Menschen, denen man nur dann wirklich eine Hoffnung machen darf, wenn klar ist, dass sie in Deutschland bleiben können.
    "Erhoffe mir, dass es noch schneller und zügiger geht"
    Zerback: Aber da sagen jetzt die Innenminister aller anderen Bundesländer, außer Bayern natürlich: Wir wissen überhaupt nicht, wie das aussehen soll. Was wird denn jetzt anders bei diesen sogenannten Ankerzentren - anders über das hinaus, was jetzt schon gilt?
    Kretschmer: Das ist sehr unterschiedlich in den Bundesländern gehandhabt. Wir haben im Freistaat Sachsen mit der kommunalen Ebene das schon vor einem Jahr verhandelt. In Sachsen werden Flüchtlinge an die Kommunen nur dann gegeben, wenn sie eine Bleibeperspektive haben, wenn ihre Identität geklärt ist. Ich habe deswegen zugesagt, bei den Ankerzentren mitzumachen, weil ich mir davon erhoffe, dass es noch schneller und noch zügiger geht, dass noch mehr Mitarbeiter des BAMF vor Ort sind, dass wir es möglicherweise schaffen, die Altersfeststellung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in diesen Zentren zu organisieren, und vielleicht auch die Verwaltungsgerichte direkt vor Ort haben, damit die Entscheidungen schnell gehen.
    Zerback: Schnell ist ja relativ. Bisher bleiben die Flüchtlinge bis zu sechs Monate in so großen Einrichtungen und in Zukunft dann 18 Monate. Anderthalb Jahre ohne Perspektive, finden Sie das richtig?
    Kretschmer: Richtiger wäre, jetzt natürlich auch noch mal an der Gesetzgebung zu arbeiten, dass wir schneller und zügiger zurückführen können, denn diese 18 Monate entstehen ja in aller Regel nicht deswegen, weil das Verfahren so lange gedauert hat, sondern weil es Abschiebungshindernisse gibt. Die müssen wir versuchen, weiter zu beseitigen. Nach der Ablehnung eines Asylbescheides muss die Ausreise folgen und nicht eine Duldung oder irgendwelche Warteschleifen. Da sind wir noch nicht am Ende.
    "Wir müssen uns auch um die unangenehme Seite kümmern"
    Zerback: Aber Sie gehen jetzt immer von dem Fall aus, dass abgeschoben wird. Wenn nicht abgeschoben wird, wie soll dann integriert werden, nachdem Menschen anderthalb Jahre das erlebt haben?
    Kretschmer: Das ist doch klar. Wenn nicht abgeschoben wird, gehen die Menschen in die Kommunen, in die Städte und Dörfer. Da haben wir eine ganze Reihe von Integrationsangeboten, was auch richtig ist. Das beginnt mit der Sprache, es geht weiter mit dem Beruf, sodass sie wirklich eine Chance haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten. Das ist klar und das machen wir auch. Aber wir müssen uns auch um diese unangenehme Seite kümmern. Was ist mit denen, die abgelehnt werden? Das sind viele, viele Fälle, wo wir noch nicht am Ende sind, wo es schneller gehen muss.
    Zerback: Schneller höre ich jetzt ganz viel, effektiver auch. Herr Kretschmer, wiederholen Sie da nicht gerade den Fehler, der jetzt auch zum aktuellen BAMF-Skandal geführt hat?
    Kretschmer: Nein. Die Probleme beim BAMF sind dadurch entstanden, dass von einer Zahl von 40.000, 50.000 Menschen, die in den Vorjahren 2013, 2012 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, die Zahl auf knapp eine Million nach oben geschossen ist im Jahre 2015. Deswegen ist diese Behörde völlig überfordert gewesen. Da sind Fehler gemacht worden. Da gab es auch Missbrauch und sicherlich jetzt auch Kriminalität, wie wir feststellen, und die muss aufgeklärt werden. Dann müssen Konsequenzen gezogen werden. Die Leute müssen auch zur Rechenschaft gezogen werden. Aber das heißt ja nicht – und darüber sprechen wir jetzt, über die Frage, wie wir dauerhaft damit umgehen wollen. Viele Menschen kommen nach Deutschland. Wir haben die Zahl ja auch, muss man sagen, deutlich reduziert. Wir haben bei Weitem nicht mehr diese Zahlen von 2015, Gott sei Dank, und deswegen müssen wir jetzt natürlich auch konsequent handeln.
    "Geschwindigkeit und Gründlichkeit müssen zusammengehen"
    Zerback: Aber können wir dann nicht festhalten, nur weil es schneller geht – das hat der BAMF-Skandal gezeigt -, wird jetzt nicht alles besser?
    Kretschmer: Nein. Geschwindigkeit und Gründlichkeit müssen natürlich zusammengehen, und Konsequenz in jeder Hinsicht. Wenn jemand abgelehnt wird, muss er unser Land verlassen, und da gibt es auch kein Vertun. Auf der anderen Seite: Wenn wir einem Menschen aus anderen Regionen der Welt Schutz geben wollen, weil er verfolgt wird, dann muss klar sein, er muss sich an unser Rechtssystem halten. Er muss sich integrieren. Wir müssen Integration auch durchsetzen. Wir haben die Instrumente uns mittlerweile gegeben. Von daher, glaube ich, sind wir eher auf einem guten Weg.
    Zerback: Lassen Sie uns dann doch noch mal bei dem Verfahren bleiben. Um die sogenannten Ankerzentren, diese Asylzentren zu stemmen, da soll das BAMF ja mehr Personal erhalten. Wie soll das denn nun wiederum so schnell gehen, noch bis zum Herbst?
    Kretschmer: Wir brauchen das Personal deswegen, damit die Verfahren gründlicher ablaufen können, damit man noch sicherer sein kann, dass diejenigen, die am Ende einen Status als Flüchtling erhalten, auch wirklich in unserem Land bleiben sollen.
    Zerback: Aber wo sollen die herkommen, Herr Kretschmer?
    Kretschmer: Die müssen ausgebildet werden und dann müssen sie eingestellt werden. Das ist doch keine Frage.
    "Sehr kluge, bedächtige Menschen im BAMF"
    Zerback: Wir haben Ende Mai, Herr Kretschmer, und September kommt dann auch schnell.
    Kretschmer: Aber was heißt das denn? Nur weil etwas schwierig ist, sollen wir das nicht machen? Hier geht es um ganz grundsätzliche Fragen. Selbstverständlich brauchen wir top ausgebildete Leute bei diesen Ämtern. Übrigens wer sie mal besucht hat und jetzt nicht von diesen Negativfällen ausgeht, sondern mit den Leuten spricht, die dort seit Jahren gearbeitet haben und Asylentscheidungen treffen, wird feststellen, das sind sehr kluge, bedächtige Menschen, die eine große Kenntnis von den Regionen haben, über die sie da zu entscheiden haben.
    Zerback: Aber Herr Kretschmer, wir reden ja gerade gar nicht von diesen klugen, gut ausgebildeten Mitarbeitern, die dort seit Jahren sind, sondern wir reden jetzt davon, dass Mitarbeiter in Crash-Kursen ausgebildet werden sollen, wie das auch schon beim BAMF-Skandal in Bremen und in anderen Bundesländern auch der Fall war. Das kann doch nach hinten losgehen, wenn die Mitarbeiter jetzt da nicht gut genug angelernt werden.
    Kretschmer: Da haben Sie recht. Aber die Wahrscheinlichkeit, wenn man etwas an einer Stelle konzentriert und damit viele Fälle, die ähnlich sind, an einer Stelle entscheidet, dass dann die Qualität höher wird, die ist sehr, sehr hoch. So machen wir es auch an anderen Stellen. Diese Frage spricht eher für diese Ankerzentren.
    Zerback: Jetzt treffen Sie ja gleich den Bundesinnenminister Horst Seehofer, um unter anderem auch über Migration zu sprechen, in Dresden, zusammen mit Ihrem Parteikollegen Roland Wöller, dem sächsischen Innenminister. Fragen Sie ihn da auch, wann er was wusste und was er jetzt gedenkt, in Sachen Aufklärung zu tun?
    Kretschmer: Ich glaube, da besteht bei ihm ja kein Zweifel oder kein Anlass zur Sorge. Er ist jemand, der in dieser Frage immer eine klare Position gehabt hat. Ich finde das auch einigermaßen skandalös, dass Parteien wie Die Linke oder wie die Grünen, die uns über Jahre behindert haben in der Asylgesetzgebung, beispielsweise bei der Ausweisung der sicheren Herkunftsländer, dass die jetzt versuchen, aus dieser Situation noch Kapital zu schlagen. Wir wären viel weiter, wir hätten viel konsequentere Regeln, wenn wir im Bundesrat nicht so eine Sperrminorität hätten. Die Länder des nördlichen Afrikas oder auch Georgien, wo die Anerkennungsquote so niedrig ist, müssten längst sichere Herkunftsländer sein. Damit wäre viel gewonnen. Und trotzdem gibt es diese Blockade immer noch.
    "Wenig Unterstützung von den linken Parteien in Deutschland"
    Zerback: Jetzt weiten Sie das Thema ja sehr. Tatsache ist aber auch, dass das BAMF seit Jahren unterbesetzt ist und überfordert, und seit 13 Jahren ist dafür die Union zuständig. Musste da jetzt erst ein Riesenskandal kommen, bevor gehandelt wird?
    Kretschmer: Wir hatten in den Jahren vor 2015 und 2014 eine sehr, sehr niedrige Anzahl von Asylbewerbern, wenige 10.000. Darauf war das BAMF ausgerichtet. Mit der Situation 2015 konnte niemand rechnen. Sie ist eingetreten. Deutschland hat sich, wie ich finde, sehr solidarisch, sehr anständig verhalten. Wir arbeiten seitdem daran, dass die Zahl der Flüchtlinge wieder reduziert wird, indem wir die EU-Außengrenzen sicher machen. Das muss auch so sein. Aber wir erhalten dabei wenig Unterstützung von den linken Parteien in Deutschland.
    Zerback: Was wäre denn mit Unterstützung von der Kanzlerin? Wird es nicht Zeit, dass sie das zur Chefsache macht?
    Kretschmer: Die Kanzlerin ist für alles verantwortlich und sie ist die Chefin für alles, also auch dafür. Aber auch da will ich noch einmal sagen: An der Sache wird gearbeitet. Es kann doch keinen Zweifel daran geben, wenn hier Leute kriminell gewesen sind, wenn da Fehler gemacht worden sind, dann werden sie aufgeklärt und die Leute werden zur Verantwortung gezogen.
    Zerback: Bisher war es aber recht still im Kanzleramt. Ralf Stegner, der SPD-Parteivize, der nennt das Aussitzen der Kanzlerin.
    Kretschmer: Noch einmal: Wir leben in einem Rechtsstaat und deswegen werden die Dinge, wenn es Vorwürfe gibt, von der Justiz geklärt und die Verantwortlichen werden zur Verantwortung gezogen. So läuft das in Deutschland und so wird es auch in diesem Fall laufen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.