Donnerstag, 28. März 2024

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Diskussion um Huawei
"Gefährdung ist da - nicht nur bei chinesischer Technologie"

Beim Aufbau der 5G-Mobilfunknetze stelle nicht nur die Huawei-Technologie eine potenzielle Sicherheitsgefahr dar, sondern auch die von Anbietern aus anderen Ländern, sagte der CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg im Dlf. Zur Risiko-Minimierung brauche es gesetzliche Regeln und Kontrolle.

Patrick Sensburg im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 14.02.2019
    Eine Frau geht an einem Stand des chinesischen Technologiekonzerns Huawei mit Werbung für die 5G-Technik auf der Messe PT in Peking vorbei
    Der chinesische Technologiekonzern Huawei ist einer der führenden Anbieter für die 5G-Technik (dpa / MAXPPP)
    Jörg Münchenberg: Am Telefon ist jetzt der Innen- und Geheimdienstexperte der CDU, Patrick Sensburg. Herr Sensburg, einen schönen guten Morgen!
    Patrick Sensburg: Schönen guten Morgen, ich grüße Sie!
    Münchenberg: Ich grüße Sie auch, Herr Sensburg. Vielleicht sollten wir noch mal klären: Wie weit ist denn die Bundesregierung jetzt bei ihren Plänen um eine mögliche Gefährdung durch chinesische Technologie bei G5 auszuschließen?
    Sensburg: Wir müssen einmal sagen, die Gefährdung ist da, allerdings nicht nur bei chinesischer Technologie. Dort haben wir Verwebungen von Huawei, von Personal auch mit Regierungspersonal. Also die Sorgen sind berechtigt. Aber eben nicht nur bei Routern und Technologie aus China, sondern auch aus anderen Ländern. Immer dann, wenn Technologie eingesetzt wird, ist natürlich die Frage, ist da etwas verbaut, ist da Software drauf, kann neue Software draufgepatcht werden, also upgedatet werden? Für all das muss Sorge getragen werden, dass da ein möglichst hoher Sicherheitsstandard herrscht. Und dafür schaffen wir gerade den rechtlichen Rahmen.
    Anbieter müssen Transparenz schaffen
    Münchenberg: Können Sie da noch mal konkreter werden? Wie soll dieser rechtliche Rahmen aussehen?
    Sensburg: Wir haben ein Telekommunikationsgesetz. Da wollen wir in den entsprechenden Paragrafen Änderungen schaffen, dass Transparenz herrschen soll. Da reden wir zum Beispiel über den Quellcode, da reden wir darüber, wenn Updates erfolgen, dass die offengelegt werden müssen. Es geht aber auch um die Hardwareseite. Dass das BSI, unser Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie, sich Hardwarekomponenten anschauen und überprüfen kann.
    Das ist keine absolute Sicherheit, aber es schützt natürlich einmal die Erkenntnis, welche Geräte, welche Technologie verbaut wird. Dann wird es auch um Verschlüsselung gehen. Es sind ja bestimmte Gefährdungen, zum einen die Datensicherheit, dass Daten abgegriffen werden können. Da wird also verstärkt auch Sorge getragen werden müssen, dass es eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gibt. Und dann geht es um die Betriebssicherheit, dass ganze Netze nicht abgestellt oder gestört werden können. Da geht es, wie gesagt, um die Erkenntnis, welche Technologie wird verbaut. Das muss gesetzlich geregelt sein, dass die Anbieter, egal welche, dort wirklich Transparenz schaffen müssen.
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg (imago stock&people)
    Münchenberg: Herr Sensburg, warum kein kompletter Ausschluss von Huawei jetzt bei G5? Auch andere Länder gehen ja diesen Weg, die USA zum Beispiel, Australien, Neuseeland. Warum nicht eine klare Lösung?
    Sensburg: Weil wir natürlich erkennen müssen, dass auch andere Anbieter von Technologie, zum Beispiel aus den Vereinigten Staaten, erheblichen Regelungen unterliegen, dass sie Daten möglicherweise staatlichen Einrichtungen zur Verfügung stellen müssen. Ich erinnere an Amerika mit dem Patriot Act. Wenn wir also Cisco-Router einbauen würden, wäre die Sicherheit nicht zu hundert Prozent gegeben. Auch da müsste man sich Sorgen machen, welche Technologie ist verbaut.
    "Es gibt keine sichere Technik"
    Münchenberg: Also es gibt quasi keine sichere Technik, auf die Deutschland bei G5 jetzt zurückgreifen könnte?
    Sensburg: Nein. Ich glaube, das ist auch eine ganz wichtige Erkenntnis. Es gibt keine sichere Technik. Und deswegen ist es gerade so wichtig, den Rahmen sicher zu gestalten. Auch ein europäischer Hersteller würde ja nicht automatisch die Sicherheit bieten, dass keine Daten abfließen. Die Vorkehrungen müssen wir treffen, dass das Netz so stabil ist und dass die Überprüfung und die Kontrolle der Technologie gegeben ist, damit wir die Sicherheit haben, dass auch in Zukunft zum Beispiel durch das Updaten von Software auf Routern, dementsprechend keine Daten abfließen können oder man die Netze eben nicht in Gänze stören kann.
    Münchenberg: Herr Sensburg, Sie sagen, es gibt letztlich keine sichere Technik. Aber wiegt da nicht auch die Tatsache sehr schwer, dass China für Deutschland ein extrem wichtiger Handelspartner ist, den man nicht verprellen will?
    Sensburg: Ich glaube, der Grundsatz gilt, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Gerade bei so einem sensiblen Thema wie einem Netz. Und wenn wir G5 ernst nehmen, dann müssen wir eben auch erkennen, dass wir Kontrollmechanismen einbauen müssen. Da stimme ich Ihnen zu, das sehe ich bei China deutlich sensibler, als wenn wir zum Beispiel eigene deutsche Technologie hätten. Aber wir hinken da leider einige Jahre hinterher.
    Münchenberg: Nun sagen aber trotzdem auch viele Experten, das, was die Bundesregierung da plant, das nützt letztlich nichts. Die Rede ist ja auch von einer No-Spy-Regelung oder eben diese zertifizierten Produkte, die haben Sie ja schon angesprochen. Das alles zeige ja letztlich kaum Wirkung.
    "Vertrauen hilft nicht viel"
    Sensburg: Das sehe ich anders. Ich glaube, die unterschiedlichen Ansätze in der Zusammenschau sind das Wichtige. Auch die kontinuierliche Kontrolle ist das Wichtige. Ein System kann am ersten Tag transparent sein, was die Software betrifft, was die eingesetzte Technologie betrifft. Und dann werden Router upgedatet, und plötzlich sieht das ganz anders aus. Deswegen muss die Kontrolle kontinuierlich stattfinden. Deswegen müssen auch Unternehmen verpflichtet werden, transparent herzustellen. Und, was mir ganz wichtig ist, wir sollten einen Standard schaffen, dass wir nicht einen Anbieter haben und von einem Anbieter abhängig sind, sondern dass die Systeme und Komponenten kompatibel sind und unterschiedliche Anbieter im Netz funktionieren. Allein das schafft schon mehr Stabilität und mehr Sicherheit.
    Münchenberg: Nun haben ja viele Politiker in Berlin auch sich mit diesem berühmten Artikel 14 im Nachrichtengesetz für die Volksrepublik China beschäftigt. Und da steht ja drin, Nachrichtendienste können von Organisationen, Bürgern und Organen Unterstützung verlangen, Hilfe auch, auch die Zusammenarbeit. Daran wäre ja Huawei trotz allem Zugeständnis jetzt an die deutsche Seite weiterhin gebunden.
    Sensburg: Das sehe ich ganz genauso. Vertrauen hilft da nach meiner Meinung nicht viel. Das sehe ich bei anderen Staaten, aus denen Technologie kommen könnte, allerdings ganz genauso. Deswegen, wenn wir 5G mit moderner Technologie aufbauen wollen, hilft Vertrauen nicht. Da hilft auch nicht, etwas allein aufzuschreiben. Da ist Kontrolle das Entscheidende. Und die Hersteller und diejenigen, die Komponenten liefern, auch wirklich verpflichten, kontinuierlich Informationen offenzulegen. Und was die Datensicherheit betrifft, da wird es auch darum gehen, zwischen den technischen Komponenten eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu haben, dass Daten dementsprechend nicht einfach ausgelesen werden können. Der sensiblere Bereich ist die Betriebs- und sogenannte –netzsicherheit.
    "Wir haben derzeit keine Alternativen"
    Münchenberg: Nun ist ja auch die Rede von einem No-Spy-Abkommen. Das müsste ja am Ende auch unterschrieben werden. Wer soll das denn machen, dann? Huawei oder ein Regierungsvertreter aus China? Wie sind da die Vorstellungen?
    Sensburg: Ich sehe das No-Spy-Abkommen, das ja jetzt immer wieder in den Vordergrund gestellt wird, mehr als eine Absichtserklärung ist das wohl nicht. Ich glaube, es geht um die technischen Details. Es geht darum, Kontrolle technischer Art auf Geräte, auf Komponenten, auf Software zu ermöglichen. Es geht darum, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu etablieren. Und es geht darum, auch verschiedene Anbieter in das Netz zu lassen. Damit erreichen wir Sicherheit. Wenn das die Hersteller der Komponenten zusichern, dann ist das die Verschriftlichung dessen. Was aber tatsächlich notwendig ist, man muss an Geräte und Software drankommen und das kontinuierlich kontrollieren, egal, wo die Komponenten herkommen.
    Münchenberg: Herr Sensburg, warum gibt es eigentlich keinen europäischen Ansatz für einen einheitlichen Umgang mit chinesischen Unternehmen, speziell mit Huawei? Das Problem stellt sich ja in ganz Europa. Der luxemburgische Ministerpräsident Bettel war ja gestern in Berlin, hat das ja auch gefordert. Warum stimmt man sich da nicht ab?
    Sensburg: Das Problem ist natürlich, dass wir wenig Alternativen haben. Wir haben den chinesischen Markt, wir haben den amerikanischen Markt an Herstellern. Wir haben sehr wenig den japanischen Markt, wir haben keinen deutschen Hersteller, der diese Komponenten in dem Umfang liefern könnte. Und wenn wir deutsche Hersteller für Router haben, dann stellen wir fest, dass die möglicherweise von Chinesischen Unternehmen aufgekauft sind. Also, wir haben derzeit keine Alternativen, wir müssen moderne Technologie einsetzen, wenn wir einen modernen Standard haben wollen.
    Und deswegen gibt es nur wenige Anbieter auf dem Markt, denen man nach meiner Meinung nicht vertrauen sollte. Da ist immer Unsicherheit im Spiel. Sondern wir müssen die kontrollieren. Gleichzeitig, das ist dann eine Frage natürlich an die Wirtschaftspolitiker, wir müssen auch überlegen, wie wir deutsche Hersteller wieder stärken. Ich glaube nicht, dass Deutschland auf Dauer aus dem Markt sein muss, was Router beispielsweise betrifft. Aber da muss man wirtschaftspolitisch dann natürlich auch fördern.
    "Ausschließen wird man Spionage und Sabotage nie"
    Münchenberg: Noch ein Wort zum Zeitplan. Die Lizenzen für G5 sollen ja jetzt schon im März versteigert werden. Ist denn die notwendige Änderung beim Telekommunikationsgesetz, ist das bis dahin zu schaffen?
    Sensburg: Die notwendige Änderung im Telekommunikationsgesetz wäre nach meiner Meinung zu schaffen. Das liegt gerade im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, der ist federführend. Aber wir müssen mit allen Kontrollmechanismen, mit den gesetzlichen Änderungen nicht bis zur Versteigerung fertig sein. Der Ausbau wird bis zum Jahr 2020 - da wird es losgehen und ab dann erfolgen. Wir müssen in dieser Phase ab der Änderung des Gesetzes bis zum Ausbau die technischen Details, da, wo wir wirklich kontrollieren wollen, die technischen Anforderungen, wie wir Hardwarekomponenten überprüfen wollen, das müssen wir geklärt haben. Und das geht weit über das Gesetz hinaus. Das Gesetz, die Änderungen im Telekommunikationsgesetz schaffen den rechtlichen Rahmen. Der tatsächliche, der wird es entscheiden, ob wir die Kontrolle hinkriegen.
    Münchenberg: Aber noch mal. Ihrer Ansicht nach, mit dem, was jetzt geplant ist, könnte man die mögliche Spionage bis hin zur Sabotage, tatsächlich konsequent ausschließen?
    Sensburg: Ausschließen wird man Spionage und Sabotage nie. Alle legen es ja darauf an, Sicherheitsregeln zu umgehen. Es ist immer ein Wettlauf zwischen denen, die ausspionieren wollen, und denen, die das verhindern wollen. Wir müssen möglichst clever sein. Egal, wo Angriffe herkommen und wer sie dementsprechend steuert, da auch wirklich, um einen möglichst hohen Standard zu haben. Das können wir machen, das wollen wir auch rechtlich im Telekommunikationsgesetz verankern, dass wir als Staat diese Möglichkeiten haben. Ausschließen tut das nichts. Nur, wenn ich fremde Komponenten einsetze, dann habe ich immer dieses Risiko. Und wir wollen dieses Risiko weitestmöglich vermindern.
    Münchenberg: Sagt der Innen- und Geheimdienstexperte der CDU, Patrick Sensburg. Herr Sensburg, vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen!
    Sensburg: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.