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Diskussion um rechte „Todeslisten“
Behörden gehen nicht von konkreter Gefahr aus

Der Linken-Politiker Peter Ritter ist bereits mehrfach auf Listen rechter Gruppierungen aufgetaucht. Auch im neuesten Fall um die Gruppe "Nordkreuz" sehen die Behörden keine konkrete Gefahr für ihn und andere. Die FDP fordert indes eine Ombudsperson für die Betroffenen. Die Grünen eine "Task Force".

Von Panajotis Gavrilis | 26.07.2019
Durch einen unscharfen Zaun hindurch sind bewaffnete Polizisten zu sehen.
Im Hinblick auf die sogenannten Todeslisten rechtsextremer Gruppierungen, sehen die Sicherheitsbehörden keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der betroffenen Personen (picture alliance / dpa / Silas Stein)
Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern informiert per Brief etwa 1.200 Personen und Institutionen. Ihnen wird darin mitgeteilt, dass ihre Namen auf jenen Listen stehen, die von der Gruppe "Nordkreuz" geführt wurden.
Diese waren bereits bei einer Durchsuchung der zwei Beschuldigten vor zwei Jahren gefunden worden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Sie sollen geplant haben, Politiker und Personen aus dem linken Spektrum zu töten.
Auch über den Linken-Politiker Peter Ritter habe Nordkreuz Informationen gesammelt. Im Deutschlandfunk kritisiert er die Informationspolitik der Behörden.
"Es ist also nichts Neues für mich und das erschüttert mich auch nicht. Mich erschüttert eher der Umgang der Behörden mit diesem Thema. Dass man verharmlost und relativiert. Wenn ich von Listen höre, wo Materialsammlungen von Menschen auftauchen, dann gehen bei mir alle Alarmglocken an. Das ist aber bei den zuständigen Behörden leider nicht der Fall."
Alle Sicherheitsbehörden seien wachsam und arbeiteten Hand in Hand. Bei konkreter Gefährdung würden Betroffene informiert, sagte hingegen Bundesinnenminister Horst Seehofer in einer Mitteilung.
Behörden gehen nicht von konkreter Gefahr aus
Sein Ministerium und das Bundeskriminalamt sprechen dabei nicht von "Feindes-" oder gar "Todeslisten". In einer Mitteilung heißt es, diese Begriffe seien "konsequent zurückzuweisen."
Die Behörden gehen dabei nicht von einer konkreten Gefahr für Personen wie Ritter aus. Nach einer individuellen Gefährdungseinschätzung hätten sich "bisher grundsätzlich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Betroffenen einer konkreten Gefährdung" unterlägen – so das BKA.
Diese Einschätzung stößt beim Landtagsabgeordneten Ritter auf Unverständnis.
"Ich will hier an den Mord an Lübcke erinnern, ich will hier an die Bombendrohung gegen die Parteizentrale der Linken in Berlin erinnern oder jüngst den Sprengstoffanschlag auf eine linke Stadträtin in Zittau. Wenn man in solchen Zusammenhängen dann davon redet, dass es keine akuten Bedrohungssituationen gäbe, dann ist das für mich wenig nachvollziehbar und das klingt eben genau nach Relativierung und Verharmlosung."
Die Behörden lamentierten und spielten das Problem herunter, sagt auch Benjamin Strasser von der FDP-Bundestagsfraktion. Unserem Hauptstadtstudio sagte er:
"Wenn wir jetzt bei Nordkreuz beispielsweise lesen, dass da ja Leichensäcke bestellt worden sein sollen, wenn sich da ganz gezielt auf sogenannte ‚Tag-X‘-Szenarien vorbereitet werden soll, also den Zusammenbruch unseres demokratischen Rechtsstaates, wo dann politische Gegner offensichtlich an die Wand gestellt werden sollen, dann ist das kein Phantasiespielchen, sondern dann sind es durchaus konkrete Motivationen, konkrete Taten, die da geplant werden."
FDP fordert Ombudsperson
Strasser verlangt eine einheitliche Regelung, wie Behörden potenziell Betroffene informieren sollen.
"Also wann ist denn konkret von einer Gefährdung auszugehen? Wann sollen die Personen informiert werden? Und wann ist es noch im vagen und ungefähren? Das ist jetzt Aufgabe vor allem der Länderbehörden gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium hier Leitlinien zu entwickeln. Und zusätzlich fordern wir als Fraktion der Freien Demokraten noch eine Ombudsperson, die eben für diese Menschen, die bedroht werden, da ist, die Ratschläge gibt."
Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz hatte sich zuvor in der "taz" für eine "Task Force" ausgesprochen, die im Innenministerium angesiedelt sein sollte. Dort sollten alle Informationen, auch die aus den Ländern, zusammenlaufen.
Die Haltung des BMI im Bereich Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus sei für einen großen Teil der heute bestehenden Probleme mitverantwortlich, sagt hingegen die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner.
Sie bevorzugt, unter anderem die bereits existierenden Opferberatungsstellen zu stärken.