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Dokumente über Uiguren-Verfolgung
China unterdrückt systematisch

Schon länger vermuten Menschenrechtsorganisationen, dass in der chinesischen Provinz Xinjiang bis zu einer Million Uiguren in Umerziehungslagern leben müssen. China hat stets betont, der Aufenthalt sei freiwillig. Dokumente, die ein Journalisten-Konsortium veröffentlich hat, belegen nun das Gegenteil.

Von Klaus Remme | 25.11.2019
Kameras, Stacheldraht, doppelt gesicherte Türen, 24-Stunden- Überwachung, die Einzelheiten der unter dem Titel "ChinaCables" bekannt gewordenen Informationen entlarven die offiziell von Peking genannten "Weiterbildungseinrichtungen" als Umerziehungslager. Experten sprechen von einem Gulag-System, das auch historischen Vergleichen standhält. Auf die jüngsten Veröffentlichungen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung", reagierte das Auswärtige Amt heute Vormittag in Berlin so:
"Die anhaltenden Berichte über die Situation der Uiguren von der bis zu einer Million Menschen betroffen sind, in den sogenannten Umerziehungslagern in Xinjiang, verfolgen wir mit größter Sorge."
Siedlung südlich von Kashgar in der chinesischen Provinz Xinjiang am 4.6.2019
Minderheiten in China - Die Lage der Uiguren
Lagerhaft, Zwangsarbeit, Zwangs-sterilisationen: Die Menschen-rechtslage in Chinas Uiguren-Provinz Xinjiang wird immer prekärer. Fragen und Antworten zu einem Konflikt, in den möglicherweise auch internationale Firmen verstrickt sind.
Man sei seit geraumer Zeit mit der chinesischen Führung im Dialog und werde auch weiter reden, so die Ministeriumssprecherin. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Wichtig ist auch, dass der Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen ungehinderten Zugang zu den Einrichtungen, die jetzt im Mittelpunkt auch der "leaks" stehen, gewährt werden muss."
Dialogergebnis ernüchternd
Der uigurische Weltkongress fordert seit Tagen Sanktionen der Bundesregierung gegen China. Hier das Auswärtige Amt auf die Frage, ob Sanktionen eine Option seien: "Ich denke, wir werden jetzt erst mal mit der chinesischen Seite auch weiter, so wie wir es schon mit Nachdruck seit geraumer Zeit tun, die Lage der Uiguren thematisieren."
Die Geheimdokumente wurden dem "Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten" zugespielt und von 17 Medienpartnern weltweit ausgewertet. Georg Mascolo leitet den Rechercheverbund von NDR, WDR und SZ. Er sagte gestern Abend in der ARD: "Die Regierung versucht es seit bald 20 Jahren mit einem Rechtsstaatsdialog. Aber ich glaube, das Ergebnis, wenn man sich China anschaut, ist in vielerlei Hinsicht ernüchternd. Es ist ein im Kern totalitäres, kommunistisches Regime. Es ist eine wirtschaftlich hocherfolgreiche Welt, aber man darf die Augen nicht davor verschließen, womit man es mit diesem Land zu tun hat."
Sanktionsforderung gegen Verantwortliche
Sorge und die Forderung nach freiem Zugang zu den Lagern, das reicht als Reaktion nicht aus, so Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer Sprecher der FDP: "Die Bundesregierung ist in der Realität zu feige, um da auch konkrete Schritte einzuleiten. Das Problem ist, dass China wirtschaftlich sehr stark ist und dementsprechend große Angst existiert, China auch wirklich deutlich zu kritisieren oder auch weiter zu gehen und zu sanktionieren."
Was also tun?
"Es geht nicht darum, China zu diffamieren, es geht nicht darum, wirtschaftliche Kooperation mit China einzustellen. Aber im Grunde genommen müsste man über Sanktionsmöglichkeiten nachdenken, die vor allem die Verantwortlichen für diese Taten betreffen."
Sind Investitionen deutscher Unternehmen in der betroffenen Provinz Xinjiang verantwortbar, so wurde der Regierungssprecher heute Mittag in Berlin gefragt. Ohne Sanktionen sei das eine unternehmerische Entscheidung, so Steffen Seibert, und weiter. "Ich habe heute hier von dieser Stelle den deutschen Unternehmen keinen Ratschlag zu geben. Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, dass diese Berichte unabhängig von Vertretern der Vereinten Nationen, von der Menschenrechtsbeauftragten überprüft werden können, dass es möglich ist für die Weltgemeinschaft, sich da ein Bild zu machen."