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Drogenvorwürfe gegen Hartmann
"Das Beste wäre größtmögliche Transparenz"

Der Politikberater Michael Spreng empfiehlt dem SPD-Politiker Michael Hartmann, offen mit den Drogenvorwürfen gegen ihn umzugehen. "Umso größer ist die Chance, dass er sich rehabilitieren kann", sagte Spreng im Deutschlandfunk.

Michael Spreng im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Michael Spreng, Publizist, sitzt am 06.02.2014 in einer Diskussionsrunde während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner".
    Politikberater Michael Spreng (pa/ZB)
    Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Michael Hartmann, hat nach Drogenvorwürfen gegen ihn sein Amt niedergelegt. Hartmann sei als Innenpolitiker der erste Kontaktmann der Fraktion zu den Polizeibehörden und damit in einem besonders problematischen Bereich tätig gewesen, sagte der Politikberater Michael Spreng im Deutschlandfunk. Was sein Amt angehe, habe Hartmann deshalb keinen Spielraum gehabt.
    Politiker und auch Abgeordneter könne Hartmann aber bleiben, so Spreng - wenn er offen mit den Vorwürfen gegen ihn umgehe. "Drogensucht ist ja eine Krankheit und kein Verbrechen", sagte Spreng. Eine Erklärung Hartmanns für die Öffentlichkeit und für die Wähler sei aber angebracht.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Einstweilen ist es nicht mehr als ein Verdacht. Illegale Drogen haben die Ermittler jedenfalls nicht gefunden in der privaten Wohnung von Michael Hartmann in Berlin, auch nicht das aufputschende, leistungsfördernde, aber schnell süchtig machende Crystal Meth. Und doch: Kaum war dieser Verdacht in der Welt, da hat der SPD-Politiker reagiert. Seinen Posten als innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion hat er umgehend aufgegeben. Auch im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Geheimdienste wird er nicht mehr sitzen. Eine Auszeit will Michael Hartmann jetzt nehmen, an seinem Bundestagsmandat will er aber festhalten. – Am Telefon ist der Journalist und Politikberater Michael Spreng. Guten Morgen.
    Michael Spreng: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Ein Politiker steht im Verdacht, Drogen gekauft und genommen zu haben. Muss er dann zwingend, wie Michael Hartmann das getan hat, sofort von seinen herausgehobenen Funktionen in der Bundestagsfraktion zurücktreten?
    Hartmann: Im Prinzip nicht. Aber in dem Fall Michael Hartmann ist natürlich das Problem, dass er Innenpolitiker ist und innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er ist der erste Kontaktmann zu allen Polizeibehörden, Gewerkschaften und so weiter. Er selbst hat vor dem Gebrauch von Cannabis gewarnt und so weiter. Er ist in einem besonders problematischen politischen Bereich tätig, der dann natürlich mit dem Thema Droge kollidiert.
    Barenberg: Das gilt auch und insbesondere für seine Tätigkeit im Parlamentarischen Kontrollgremium?
    Spreng: Sagen wir so: Das ist der sensibelste Bereich, der geheimhaltungsbedürftigste, und auch als Normalbürger wünscht man sich ja nicht, dass möglicherweise dort Informationen gegeben werden an jemand, der vielleicht in dem Moment nicht ganz Herr seiner Sinne ist.
    Barenberg: Er hatte also im Grunde genommen keinen Spielraum in dieser Frage, wie es weitergeht?
    "Eine persönliche Tragödie"
    Spreng: Nein. Was seine Ämter betrifft nicht. Ich glaube aber, dass er durchaus die Chance hat, Politiker zu bleiben und auch Bundestagsabgeordneter zu bleiben. Das hängt jetzt sehr davon ab, wie er mit seinem eigenen Fall umgeht. Das ist ja kein politischer Skandal, sondern in erster Linie wenn, eine persönliche Tragödie. Drogensucht, falls es so wäre, ist ja eine Krankheit und kein Verbrechen. Er muss selbst offen damit umgehen und ich glaube, je offener er damit umgeht, umso größer ist auch die Chance, dass seine Motive verstanden werden und dass er sich auch rehabilitieren kann.
    Barenberg: Wir haben heute Morgen hier im Deutschlandfunk mit Andreas Schockenhoff gesprochen, ein Interview geführt, eigentlich zum Thema Ukraine. Ich habe ihn dann aber auf den Fall Michael Hartmann angesprochen, weil ja bekannt ist, dass Andreas Schockenhoff seine eigene Alkoholkrankheit vor einigen Jahren selber öffentlich gemacht hat. Er hat dann eine Auszeit genommen und hat nach wie vor weiterhin jetzt einen guten Ruf als Außenpolitiker, als Mitglied der Unions-Fraktion. Hören wir uns kurz an, was Andreas Schockenhoff zum Fall Hartmann gesagt hat:
    "Politiker sind Menschen, die ihre persönlichen Krisen haben wie andere Menschen auch. Und wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man damit offen umgehen. Die Menschen erwarten von uns nicht, dass wir in allem perfekt sind. Die Menschen erwarten aber, dass wir nicht eine Rolle vorspielen, die wir selber nicht sind."
    Barenberg: Soweit die Einschätzung von Andreas Schockenhoff.
    Das klang ja bei Ihnen auch gerade so, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, wie man selber in dieser Situation mit den Vorwürfen umgeht. Das heißt, es ist nicht so, dass die Partei, dass die Fraktion die Entscheidung fällt, sondern dass der eigene Spielraum durchaus da ist?
    "Das Beste wäre größtmögliche Transparenz"
    Spreng: Ja was die Ämter betrifft, da ist natürlich Druck von der eigenen Fraktion. Aber was das Mandat betrifft, da kommt es jetzt entscheidend darauf an, wie er damit umgeht. Alles was jetzt nach Verbergen aussieht oder Geheimhaltung, finde ich falsch. Das Beste wäre größtmögliche Transparenz, eine Erklärung für die Öffentlichkeit und auch seine Wähler, wie es dazu kommen konnte, dass er diese gefährliche Droge nimmt. Er hat ja den Kauf zum Eigenverbrauch zugegeben. Wie kam es dazu, was sind die Ursachen, wie kommt er davon los, falls er das häufiger genommen hat?
    Das müsste öffentlich gemacht werden. Es ist ein öffentliches Amt. Er ist von Bürgern gewählt und die haben jetzt, wie auch Herr Schockenhoff das sagte, einen Anspruch darauf zu erfahren, warum er in diese Krise geraten ist.
    Barenberg: Große Rückendeckung erfährt Hartmann ja, seit die Vorwürfe bekannt geworden sind, aus seinem eigenen Landesverband, aus dem Landesverband Rheinland-Pfalz. Da hat man besonders betont, dass für die Politiker in Rheinland-Pfalz die Unschuldsvermutung gilt. Heißt das im Umkehrschluss, dass man das nicht so sagen kann für den Berliner Politikbetrieb, sondern dass da schnell Nägel mit Köpfen gemacht werden?
    Spreng: Die Unschuldsvermutung gilt ja für jeden Menschen, gegen den Ermittlungen laufen, solange er nicht verurteilt ist, sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Berlin. Aber in Berlin natürlich, wenn der Antrag auf Aufhebung der Immunität gestellt wird, dann ist das schon ein Vorgang, der zwangsläufig öffentlich wird, Aufmerksamkeit erregt und in die Medien gelangt. Es ist ausgeschlossen, das geheim zu halten.
    Man sollte dann eher überlegen, ob diese Immunitätsregelungen, derer es ja eigentlich nicht mehr bedarf, ob die noch zeitgemäß sind, ob die nicht einen Anteil daran haben, dass solche Vorgänge öffentlich werden.
    Barenberg: Lassen Sie uns noch etwas grundsätzlicher über das Thema sprechen. Haben Sie den Eindruck, dass Themen wie Alkohol, Drogen im Alltag, auch im Bundestag, dass da sich die Situation verändert hat, dass sich die Spielregeln verändert haben in den vergangenen Jahren?
    "Wir wollen ja Abgeordnete haben, die im vollen Bewusstsein ihrer geistigen Kräfte Entscheidungen treffen"
    Spreng: Ja, ich glaube schon. Gerade zum Beispiel was Alkohol betrifft, gab es ja früher durchaus, muss man sagen, exzessive Trinker auch im Deutschen Bundestag. Ich erinnere mich an einen FDP-Abgeordneten aus Niedersachsen, der fast volltrunken eine Rede im Bundestag gehalten hat. Das wäre heute unmöglich, der müsste sofort sein Amt aufgeben. Ich glaube, da sind die Ansprüche und die Regeln strenger geworden. Ich finde das auch in Ordnung. Wir wollen ja Abgeordnete haben, die im vollen Bewusstsein ihrer geistigen Kräfte Entscheidungen treffen. und es ist natürlich auch die Durchleuchtung härter geworden. In Berlin sind mehr Journalisten, wird investigativer gearbeitet, unter den Medien ist der Konkurrenzkampf größer geworden als im alten beschaulichen Bonn natürlich.
    Barenberg: Der Fall Hartmann und die Regeln im politischen Betrieb in Berlin – vielen Dank für das Gespräch, Michael Spreng.
    Spreng: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.