Freitag, 26. April 2024

Archiv


Edathy: NSA-Untersuchungsausschuss ist ein sinnvoller Schritt

Mit einem Untersuchungsausschuss ließe sich aufklären, ob deutsche Nachrichtendienste über das amerikanische Spionageprogramm informiert waren, sagt der SPD-Politiker Sebastian Edathy. Als Zeuge käme auch der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden in Betracht.

Sebastian Edathy im Gespräch mit Bettina Klein | 28.10.2013
    Bettina Klein: Edward Snowden in ein Zeugenschutzprogramm hier in Deutschland? Und: Kommt ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages? Nur zwei Fragen, zwei mögliche Aspekte bei den Konsequenzen auf die NSA-Aktivitäten hier in Deutschland. Wir hören zunächst mal den Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Gregor Gysi, und danach den Vorsitzenden der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag, Volker Kauder. Beide äußerten sich gestern.

    O-Ton Gregor Gysi: "Jetzt geht es um Straftaten auch gegenüber Deutschen. Jetzt muss unsere Generalbundesanwaltschaft den Mumm haben, Herrn Snowden als Zeugen zu hören. Und wenn er aussagt, dann wissen wir, dass er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann in den USA, und dann steht ihm ein Zeugenschutzprogramm zu. Wissen Sie, ich will nicht Asyl, das weiß ich, dass wir das nicht machen, aber ein Zeugenschutzprogramm, und dann hätte er einen sicheren Aufenthalt. Wir müssen doch mal wenigstens erfahren, was hier los war, und im Übrigen muss man den USA auch mal die Weltmacht-Allüren ein bisschen ausreden. Die Situation hat sich verändert, wir haben nicht mehr 1949."

    O-Ton Volker Kauder: "Ich habe heute Morgen mit Frank Steinmeier über all diese Fragen gesprochen und wir sind uns einig. Es ist ja auch letztlich, sage ich jetzt mal sehr salopp, Wurst. Wenn die zwei kleinen Oppositionsparteien einen Untersuchungsausschuss wollen, haben wir gesagt, lassen wir das zu."

    Klein: Volker Kauder und davor Gregor Gysi hörten wir. Setzt sich die SPD nun aktiv für einen Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag ein, oder lässt sie ihn möglicherweise nur zu? So haben wir Volker Kauder gerade verstanden. Darüber herrschte gestern etwas Verwirrung. Vielleicht hilft uns Sebastian Edathy weiter, Mitglied im Fraktionsvorstand der SPD. In der letzten Wahlperiode war er im Rechtsausschuss tätig. Guten Morgen, Herr Edathy.

    Sebastian Edathy: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: In Sachen Untersuchungsausschuss hat die SPD-Fraktion jetzt schon eine eindeutige Haltung gefunden?

    Edathy: Wir haben noch nicht Gelegenheit gehabt, intern darüber zu sprechen. Die Generalsekretärin der SPD, Frau Nahles, hat sich geäußert, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Herr Oppermann, auch. Sie haben beide einen Untersuchungsausschuss befürwortet. Ich halte das auch für einen sinnvollen Schritt, weil in der Tat viel Vertrauen verloren gegangen ist und es der Aufklärung bedarf zum einen, was ist denn wirklich passiert. Da gibt es rechtliche Grenzen für einen Untersuchungsausschuss. Wir können nicht ohne Weiteres auf Unterlagen der USA zugreifen, das ist klar. Aber mich würde auch interessieren: Wussten deutsche Nachrichtendienste und wenn ja in welchem Umfang über die Aktivitäten ihrer amerikanischen Partner in Deutschland bescheid.

    Klein: Um da noch mal nachzufragen: Volker Kauder klang ja gestern Abend doch so, er habe mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Steinmeier gesprochen, und es klang nach einer Übereinkunft dahin gehend, die beiden kleineren baldigen wahrscheinlichen Oppositionsparteien, also Grüne und Linkspartei, können das ruhig beantragen, aber es klang nicht so, dass die SPD da zustimmen wird, oder dass sie sich aktiv dafür einsetzen wird. Gehen Sie davon aus, dass Herr Steinmeier noch überzeugt wird?

    Edathy: Ich gehe davon aus, dass man Herrn Steinmeier selber fragen kann, welche Haltung er einnimmt.

    Klein: Hätten wir gerne gemacht heute Morgen!

    Edathy: Es steht Ihnen ja frei, das weiter zu versuchen. Ich gehe davon aus, dass wir auch fraktionsintern über die Angelegenheit werden sprechen müssen. Wir haben ja eine ganz tagesaktuelle Entwicklung, es kommen ja fast stündlich neue Nachrichten, dann werden wieder Informationen für doch nicht ganz zutreffend erklärt, die kurz vorher noch gegeben worden sind. Ich glaube, dass man jetzt einen kühlen Kopf behalten sollte.

    Klar ist jedenfalls: Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, nicht alleine die deutsche Bundeskanzlerin wohlweißlich, haben Anspruch darauf, dass ihre Privatsphäre, dass ihre Kommunikation prinzipiell geschützt wird, und es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass dieser Schutz deswegen nicht gewährleistet werden kann, weil offenkundig amerikanische Nachrichtendienste, in dem Fall wohl der NSA, nach dem Eindruck, den man haben kann, hier schaltet und waltet, wie er möchte. Das geht nicht, das muss man deutlich machen, und ich möchte schon gerne wissen, in welchem Umfang Ausspähungen sich ereignet haben oder noch ereignen in Deutschland, und wie gesagt, was möglicherweise deutsche Nachrichtendienste davon wussten, und ich möchte sicherstellen, dass dieser rechtsmissbräuchliche offenkundige Bezug, den es da gibt, diese Praxis beendet wird.

    Klein: Was, Herr Edathy, hat Deutschland, hat die Bundespolitik, hat die künftige Bundesregierung, der möglicherweise bald auch Ihre Partei angehören wird, was haben sie in der Hand, um dieses Vorgehen zu stoppen?

    Edathy: Ich glaube, dass man eines ganz klar sehen muss. Ein Nachrichtendienst, der sich demokratischer Kontrolle entzieht, wie das beim NSA weitgehend der Fall zu sein scheint, der ist nicht nur für die Demokratie ein Problem, sondern auch für eine Regierung, konkret für den amerikanischen Präsidenten. Barack Obama kann überhaupt kein Interesse daran haben, dass seine internationalen Beziehungen leiden aufgrund von Fehlverhalten amerikanischer Behörden. Das ist das, was ich für entscheidend halte. Ich halte das für wenig plausibel, dass wir auch nicht als Europäer einen massiven Druck alleine auf die Amerikaner entfalten könnten, sondern wir müssen unseren amerikanischen Gesprächspartnern deutlich machen, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, da für Aufklärung zu sorgen und die Unstimmigkeiten und die Verärgerung, die es zurecht in Deutschland und in Europa und weltweit gibt, das zu beseitigen.

    Klein: Ich würde die Frage gerne auch Ihnen stellen, Herr Edathy. Wir haben bisher nur Interna zur Kenntnis bekommen durch einen Edward Snowden, der uns informiert über das, was tatsächlich oder angeblich im amerikanischen Geheimdienst abläuft. Wir haben einen solchen Edward Snowden nicht für andere Geheimdienste wie den deutschen, den russischen, den chinesischen, den englischen oder französischen. Gehen Sie davon aus, dass wir wirklich voll im Bilde sind darüber, was andere Geheimdienste machen, und können wir wirklich ausschließen, dass es ähnliche Praxen inzwischen auch durch andere befreundete Staaten gibt?

    Edathy: Ich glaube, dass wir auf jeden Fall sicherstellen müssen, dass unsere eigenen Nachrichtendienste dazu in der Lage sind, entsprechende Abwehrmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Ich möchte auch wissen, inwieweit es dort Gespräche gegeben hat, wie der Informationsaustausch sich vollzieht. Wir wissen aus den Erfahrungen des NSU-Untersuchungsausschusses der letzten Wahlperiode, dass Nachrichtendienste, die nicht ausreichend kontrolliert werden, dazu neigen, ein Eigenleben zu entwickeln und nicht zuletzt auch in Datensammelwut zu verfallen. Und wie die Praxis ist, das ist in der Tat von großem öffentlichen Interesse, und da ist auch der Bundestag sicherlich in der Pflicht, für Aufklärung zu sorgen. Das kann man auch nicht alleine regeln in parlamentarischen Gremien.

    Klein: Wie kann man denn herausfinden, Herr Edathy, wie könnte man denn herausfinden, ohne einen weiteren Edward Snowden, ob es eine ähnliche Praxis auch in anderen befreundeten Staaten gibt, oder ob es wirklich nur die Amerikaner sind, die ganz alleine die Kanzlerin ausspähen, und sonst tut es niemand?

    Edathy: Na ja, es ist ja so, dass wir ja konkret es mit einem Sachverhalt zu tun haben. Man kann natürlich eine allgemeine Diskussion führen über die Arbeit von Nachrichtendiensten. Aber ich bin als deutscher Bundestagsabgeordneter in einer Position, in der ich ein Interesse habe, dass die hochrangigen Rechtsgüter deutscher Bürgerinnen und Bürger geschützt werden. Wenn ich Hinweise darauf habe, dass das nicht der Fall ist, konkret durch einen amerikanischen Nachrichtendienst, dann ist das sicherlich auch Anlass, sich neben der Frage, welche Aktivitäten sind vonseiten der USA nachrichtendienstlich in Deutschland betrieben worden oder werden noch betrieben, sich auch darüber zu informieren, wie es insgesamt aussieht. Aber der konkrete Anlass ist ja in der Tat die NSA-Affäre.

    Klein: Wenn ein solcher Untersuchungsausschuss eingesetzt werden würde, dann ist ja die Frage, auf Grundlage welcher Fakten wird dort diskutiert und wird dort gefragt. Sehen Sie denn andere Möglichkeiten, da Fakten einfließen zu lassen, als Edward Snowden vorzuladen?

    Edathy: Na ja, die Frage ist ja, wenn es zu einem Untersuchungsausschuss kommt, inwieweit sind die USA bereit zu kooperieren, und da setze ich in dem Fall ganz klar darauf, dass die deutsche Bundesregierung unmissverständlich den amerikanischen Partnern deutlich machen würde, dass eine Verweigerungshaltung bei der Aufklärung nicht akzeptiert werden würde.

    Klein: Das beantwortet noch nicht die Frage, wie sehen Sie das mit dem Zeugenschutzprogramm für Edward Snowden.

    Edathy: Es ist sicherlich so, dass Herr Snowden als Zeuge in Betracht käme, in einem Untersuchungsausschuss gehört zu werden. Das wird man dann im Einzelnen sich anschauen müssen.

    Klein: Wovon würden Sie das abhängig machen wollen?

    Edathy: Von der Frage, ob eine Aussage von Herrn Snowden zusätzlichen Erkenntnisgewinn liefern könnte, und das ist nun nicht unwahrscheinlich.

    Klein: Da sind Sie aber nicht sicher, ob das wirklich so ist, denn all diese Informationen, über die wir seit Tagen, Wochen und Monaten sprechen, fußen ja offenbar alle auf den Dokumenten, die Edward Snowden mitgebracht hat?

    Edathy: Sehen Sie, wir haben noch nicht mal einen Untersuchungsausschuss, und jetzt hier im Radio über eine Zeugenliste zu sprechen, finde ich ein bisschen vorschnell.

    Klein: Herr Edathy, abschließende Frage. Ein weiterer Aspekt, der gestern hochkam durch die Veröffentlichungen im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel": die US-Botschaft in Berlin-Mitte mehr oder weniger eine Abhörzentrale der US-Geheimdienste. Sollte sich das bestätigen, welche Konsequenzen sind dann fällig Ihrer Meinung nach?

    Edathy: Ich finde es jetzt nicht völlig ungewöhnlich, dass es Nachrichtendienste gibt, dass die auch aktiv sind. Ich bin auch ziemlich sicher, dass deutsche Nachrichtendienste sehr wohl auch gelegentlich aktiv sind gegenüber Auslandsvertretungen in Deutschland. Das wäre völlig naiv, etwas anderes anzunehmen. Wir müssen aber sicherstellen, dass diese Aktivitäten nicht zu einem klaren Rechtsbruch führen, und ob es einen solchen Rechtsbruch gegeben hat – es deutet vieles darauf hin -, das bedarf dringender Untersuchung.

    Klein: Verstehe ich Sie richtig, dass man dann auch unter die Lupe nehmen sollte, was der BND zum Beispiel in der deutschen Botschaft in Washington macht?

    Edathy: Sehen Sie, wir sind in einem freien Land. Wir können einen Untersuchungsauftrag für einen solchen Ausschuss auch endlos weit definieren. Ich hielte es eigentlich für zielführender, konkret eines sicherzustellen, als Deutscher Bundestag Aufklärung zu betreiben, ob die Rechte deutscher Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gewahrt sind.

    Klein: Die Frage, die sich ja mancher Bürger stellt: Ist das, was die Amerikaner hier machen, eigentlich etwas völlig anderes als was andere Staaten bei ihnen machen oder auch bei anderen befreundeten Botschaften zum Beispiel?

    Edathy: Ich hoffe, dass deutsche Regierungsstellen, ich hoffe, dass deutsche Behörden im Ausland sich an geltendes Recht halten.

    Klein: Der SPD-Politiker Sebastian Edathy heute morgen bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, Herr Edathy.

    Edathy: Sehr gerne, Frau Klein.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.