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Hofreiter: Wir brauchen einen NSA-Untersuchungsausschuss

Nach zahlreichen Indizien für ein umfassendes Spähprogramm der USA in Deutschland fordert Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter einen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Der soll ans Licht bringen, wie viel die Bundesregierung über die Vorgänge wusste.

Anton Hofreiter im Gespräch mit Bettina Klein | 28.10.2013
    Bettina Klein: Spekulationen und Vermutungen rund um eine Abhörzentrale in der US-Botschaft mitten in Berlin, direkt neben dem Brandenburger Tor. Experten werden da befragt in der neuen Ausgabe des Magazins "Der Spiegel" und aus geheimen Dokumenten wird zitiert.

    Was soll das Parlament jetzt tun? – Am Telefon begrüße ich Anton Hofreiter, einer der beiden Vorsitzenden einer der beiden vermutlichen Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag, von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Morgen, Herr Hofreiter.

    Anton Hofreiter: Guten Morgen!

    Klein: Die Verantwortlichen sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Frage ist natürlich wie und welche Rolle kann das neu gewählte Parlament in Berlin dabei spielen. Sondersitzung des Bundestages stand in Rede, Untersuchungsausschuss hören wir jetzt, oder reicht es, wenn das Parlamentarische Kontrollgremium sich mit den Vorwürfen in der NSA-Affäre befasst? Mit welcher Position geht Ihre Fraktion da in die weiteren Überlegungen hinein?

    Hofreiter: Wir sind der Meinung, dass eine Sondersitzung des Bundestages als erstes mal notwendig ist. Das ist auch schon rein, um formal vernünftig weiterarbeiten zu können, notwendig. Das Parlamentarische Kontrollgremium, das im Moment tagt, ist das alte Parlamentarische Kontrollgremium noch, da sind noch die abgewählten Abgeordneten der letzten Legislatur drin. Das heißt, das muss man ganz schnell neu aufstellen. Des Weiteren brauchen wir einen Untersuchungsausschuss. Ein Untersuchungsausschuss hat bestimmte Rechte und das Parlamentarische Kontrollgremium tagt auch nur ausschließlich geheim, darf auch nur in der Form geheim tagen. Deshalb ist da beides notwendig. Und des Weiteren, damit man an bestimmte Daten herankommt, ist es einfach endlich notwendig, dass eine Demokratie, und zwar unsere Demokratie, Herrn Snowden ein vernünftiges Asyl gewährt. Dann kann er auch hier aussagen.

    Klein: Gehen wir einige der Punkte durch, Herr Hofreiter. Sondersitzung des Deutschen Bundestages im Plenum – wer würde das beschließen und wie nahe sind wir da dran?

    Hofreiter: Letztendlich müssten sich darauf die Fraktionen verständigen.

    Klein: Sehen Sie diese Verständigung?

    Hofreiter: Die Verständigung ist zumindest nähergerückt, wenn die SPD jetzt auch einen Untersuchungsausschuss fordert, nämlich mit einer bestimmten Anzahl von Fraktionen ist so etwas durchaus einberufbar, oder mit einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten. Also da gibt es auch wieder ein Quorum. Da wird man dann gleich sehen, wie ernst die großen Fraktionen es mit den Minderheitenrechten nehmen. Aber da sind wir noch in Verhandlungen logischerweise.

    Klein: Und diese Sondersitzung des Bundestages im Plenum wäre notwendig Ihrer Meinung nach wofür?

    Hofreiter: Die wäre erst mal notwendig für eine parlamentarische öffentliche Debatte über das Ganze. Ich meine, der Bundestag ist ja nicht irgendwer, sondern die erste Gewalt im Staate sozusagen. Also für eine vernünftige öffentliche Debatte. Dann des Weiteren wäre es auch formal sinnvoll, damit man die PKG neu zusammensetzen kann, und des Weiteren wäre auch zeitnah die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses notwendig.

    Klein: Dann kommen wir zu diesem Punkt. Wir haben es gehört: Teile der SPD, auch Die Linke und ihre Fraktion haben sich dafür ausgesprochen. Es klang gerade schon an: Es gibt Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines solchen Ausschusses, und wir hören noch mal im Originalton die Meinung des CDU-Abgeordneten Wolfgang Bosbach.

    O-Ton Wolfgang Bosbach: "Was soll untersucht werden? Wenn Untersuchungsgegenstand sein soll die amerikanische Abhörpraxis, also das tätig werden der NSA nicht nur, aber auch zulasten deutscher Grundrechtsträger, dann stellt sich die Frage, wie wir das aufklären können ohne Hinzuziehung von Zeugen, von Akten, von Urkunden, die man auswerten kann."

    Klein: Wolfgang Bosbach von der CDU. Er hat da offenbar große Zweifel, die auch der eine oder andere Beobachter hegt, wenn man sich frühere Untersuchungsausschüsse anschaut. Wie viel soll das bringen?

    Hofreiter: Das kann natürlich viel bringen, wenn der Wille zur Aufklärung bei vielen Beteiligten vorhanden ist. Wenn natürlich SPD und CDU/CSU nur verschleppen wollen in so einem Untersuchungsausschuss, dann wird es schwieriger. Aber es stellt sich ja nicht nur die Frage, was hat die NSA und was hat die USA gemacht, sondern als Parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann man aufklären, was hat die Bundesregierung wann wie darüber gewusst, was haben die deutschen Dienste wann wie darüber gewusst. Man kann Herrn Snowden einladen, wenn er wie gesagt Asyl bekommt, der sehr, sehr viel darüber weiß. Es wird ja kaum so sein, dass die deutsche Bundesregierung über alles nichts wusste. Es wird kaum so sein, dass die deutschen Dienste über alles nichts wussten. Wenn das der Fall wäre, wäre sogar das ein erstaunliches Ergebnis.

    Klein: Herr Hofreiter, das kann ich nachvollziehen, dass dieser Ausschuss sich mit der deutschen Regierung beschäftigt oder dem, was deutsche Stellen, Politiker dabei gewusst haben. Aber was die Faktenlage angeht – wir bewegen uns ja in weiten Bereichen sehr auf dem Boden von Spekulationen, von Vermutungen, von Gerüchten, von Zitaten nicht namentlicher Geheimdienstmitarbeiter. Wie soll denn eine Aufklärung hergestellt werden, wenn dort deutsche Politiker miteinander reden, die eigentlich nicht wissen, was im Grunde genommen los ist in den US-Geheimdiensten?

    Hofreiter: Es geht ja da nicht darum, dass man da vor allem deutsche Politiker einlädt, aber man weiß, dass der BND sehr, sehr eng zusammenarbeitet mit US-amerikanischen Geheimdiensten. Also könnte man ja mal aufklären, wie schaut diese Zusammenarbeit aus, was wusste er darüber. Nämlich es ist ja auch schon länger bekannt, dass der BND durchaus in gar nicht unerheblichem Umfang Bescheid wusste über viele dieser Programme, und vielleicht haben die ja gar nicht, was ja gar nicht so erstaunlich wäre, beim Geheimdienst damals gar nicht alles der Öffentlichkeit gestanden, als die Affäre los ging im Sommer diesen Jahres.

    Klein: Sie würden also BND-Vertreter dort vorladen und nach der Zusammenarbeit mit dem NSA befragen? Das habe ich richtig verstanden? Gehen Sie davon aus, dass Sie in einer solchen öffentlichen Sitzung eines Untersuchungsausschusses von Geheimdienstmitarbeitern mehr hören würden als in geschlossenen Sitzungen des PKGr, des Parlamentarischen Kontrollgremiums?

    Hofreiter: Ein Untersuchungsausschuss hat ja auch gewisse Rechte und kann Zeugen laden. Er hat ja im Kern in mancher Hinsicht staatsanwaltschaftliche Rechte und kann natürlich Zeugen entsprechend befragen, kann im Grunde bei Aussageverweigerung ja sogar Zwangsmittel verhängen. Ob am Ende dann wirklich eine Aufklärung herauskommt oder nicht - - Aber wenn man es gar nicht versucht und gar nicht die Möglichkeiten, die ein Parlament hat, einsetzt, dann kommt ja ganz sicher keine Aufklärung heraus. Natürlich ist es nicht garantiert, aber man kann Akten herbeiziehen, man kann Zeugen laden, man kann die entsprechend befragen.

    Klein: Herr Hofreiter, wir haben ein bisschen Probleme mit der Handy-Leitung zu Ihnen. Ich stelle Ihnen trotzdem noch eine letzte Frage. Der einzige entlaufene Geheimdienstmitarbeiter, sage ich mal, den wir haben, ist Edward Snowden, und der hat das zu Teilen offengelegt, was im US-Geheimdienst abläuft. Haben Sie denn in einer ähnlichen Weise Aufklärungsbedarf, was die Geheimdienstaktivitäten des BND angeht?

    Hofreiter: Natürlich müssen wir solche Vorfälle aufklären. Jetzt muss man natürlich auch aufklären, was der BND damit macht, wo die Zusammenhänge mit dem BND sind. Denn man kann ja nicht von vornherein davon ausgehen, dass der BND überhaupt nichts wusste, in dem ganzen Bereich total inkompetent ist und völlig überfordert war, mit den Bereichen umzugehen. Und außerdem kann man ja in so einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auch mal aufklären, was machen die NSA-Einrichtungen eigentlich in Deutschland. Es gibt eine größere NSA-Einrichtung in Frankfurt; ja ist die denn komplett exterritorial, wissen deutsche Stellen darüber überhaupt nichts, wie geht es mit so einer Einrichtung weiter, kann die offenbleiben, muss die vielleicht geschlossen werden? Nämlich einfach zu sagen, wir müssen jetzt nett mit den Amerikanern reden, mit den US-amerikanischen Stellen, und dann werden die das in der Zukunft schon nicht mehr machen …

    Klein: Viele Fragen, die noch zu beantworten sind. Die Grünen im Bundestag fordern sowohl eine Sondersitzung des Parlamentes als auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema NSA-Affäre.

    Das war heute Morgen im Deutschlandfunk der Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Anton Hofreiter. Danke für das Gespräch.


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