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EEG-Novelle
"Die Energiewende wird abgebremst"

Nach monatelangem Streit hat sich die Bundesregierung mit Bundesländern und EU-Kommission über das EEG-Gesetz geeinigt. Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, kritisierte im DLF-Interview, damit diene die Energiewende weder dem Klimaschutz noch sei sie gerecht finanziert.

Anton Hofreiter im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Hofreiter warf der Bundesregierung außerdem vor, der gefundene Kompromiss treibe den CO2-Ausstoß weiter in die Höhe. Die Umsetzung der Energiewende diene in ihrer jetzigen Form stärker dem Schutz der Braunkohle als dem Klimaschutz.
    Kritik äußerte Hofreiter auch an den zusätzlichen Entlastungen der Industrie bei der Ökostrom-Umlage: Von Ausnahmen dürften ausschließlich energieintensive Unternehmen profitieren. Es gebe jedoch keinen Grund, die unter Schwarz-Gelb getroffenen Ausnahmen jetzt noch einmal auszuweiten.

    Das Interview mit Anton Hofreiter in voller Länge
    "Energiewende dient dem Bestandsschutz der Braunkohle"
    Tobias Armbrüster: Monatelang war das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, einer der politischen Zankäpfel in Berlin. In dieser Woche nun wurde dieser Streit überraschend beigelegt. Die Bundesregierung hat sich nicht nur mit den Bundesländern geeinigt, sondern auch mit der EU-Kommission. Damit ist einer der größten Stolpersteine für die deutsche Energiewende aus dem Weg geräumt.
    Am Telefon ist jetzt Anton Hofreiter, einer der beiden Fraktionsspitzen der Grünen im Deutschen Bundestag. Er sieht das ganze wahrscheinlich nicht ganz so positiv. Schönen guten Morgen, Herr Hofreiter.
    Anton Hofreiter: Guten Morgen!
    Armbrüster: Herr Hofreiter, haben Sie Sigmar Gabriel schon gratuliert?
    Hofreiter: Nein, wir haben ihm nicht gratuliert, nämlich eines der großen Probleme ist, wie er die Energiewende jetzt gestaltet hat, dass sie am Ende nicht mehr dem Klimaschutz dient, sondern stärker dem Bestandsschutz der Braunkohle dient.
    Armbrüster: Aber können wir denn nicht zumindest so viel festhalten, dass es im großen und ganzen ganz gut ist, dass dieser monatelange Streit beigelegt ist?
    Hofreiter: Man ist oft, wenn sehr lange gestritten wird, glücklich, einfach deshalb, weil der Streit beigelegt ist. Aber das heißt ja noch nicht, dass das Ergebnis dann gut ist, und im Kern macht man Politik, um gute Ergebnisse zu erzielen, und nicht vor allem, um Streit beizulegen.
    Armbrüster: Was kritisieren Sie nun im Einzelnen?
    Hofreiter: Im Einzelnen oder im Detail kritisieren wir, dass durch diese Form des Kompromisses der CO2-Ausstoß weiter nach oben geht. Das heißt, einer der Hauptgründe, warum wir eigentlich Energiewende machen, nämlich die Klimakatastrophe zu begrenzen, wird damit nicht angegangen.
    Des weiteren kritisieren wir, dass die Ausnahmen für die Industrie noch mal ausgeweitet werden, so dass es am Ende für den Verbraucher noch mal teurer wird. Aber es wird nicht für ihn teurer, weil die Energiewende beschleunigt wird, sondern die wird abgebremst, sondern teurer wird es für ihn, weil die Subventionen für die Industrie noch mal höher werden.
    "Subventionen für Industrie noch weiter erhöht"
    Armbrüster: Aber ist das nicht eigentlich eine Wahrheit, die wir allen Verbrauchern schon längst hätten einschütten sollen, oder vielmehr hätte die Politik das tun sollen, dass diese Energiewende nicht ohne zusätzliche Kosten zu haben ist?
    Hofreiter: Die Energiewende ist nicht ohne zusätzliche Kosten zu haben. Aber es ist überhaupt nicht automatisch, dass ich die Energiewende so gestalte, dass ich im Zuge der Energiewende die Subventionen für die Industrie wahrscheinlich von jetzt 5,5 auf über sechs bis sieben Milliarden Euro erhöhe. Das hätte man nicht machen müssen. Man hätte die Subventionen sogar senken können, wie es damals unter Rot-Grün war. Das heißt, Energiewende und teurer durch Subventionen für die Industrie, das ist überhaupt kein Automatismus. Das ist eine Entscheidung dieser Großen Koalition.
    Armbrüster: Das heißt, Sie, die Grünen im Deutschen Bundestag, hätten lieber ein paar Hunderttausend Arbeitsplätze in deutschen Industrieunternehmen gefährdet?
    Hofreiter: Nein! Nämlich wir sagen ja auch, dass es Ausnahmen für die Industrie geben muss. Aber Ausnahmen für die energieintensive, wettbewerbsintensive Industrie. Nämlich damals, als das unter Rot-Grün eingeführt worden ist, gab es Ausnahmen, aber es gibt keinen Grund, die Ausnahmen und damit de facto die Subventionen jetzt noch mal über das Ausmaß von Schwarz-Gelb hinaus zu erhöhen. Welchen Grund gibt es dafür?
    "Bundesländer haben Energiewende zumindest ökonomisch gerettet"
    Armbrüster: Nun kam diese Einigung ja auch zwischen Bund und Ländern zustande. Also daran waren auch grüne Landesminister beteiligt und sogar ein grüner Ministerpräsident, Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Wo liegt da die Differenz zwischen Ihnen, zwischen der Bundespolitik, zwischen den Bundes-Grünen und den Landesministern?
    Hofreiter: Da gibt es im Kern keine Differenz. Wir sind uns völlig darin einig, dass der Rahmen falsch ist, nämlich dass die Energiewende dem Klimaschutz dienen müsste, und wir sind uns völlig darin einig, dass die Ausnahmen nicht noch total überbordend sein sollten. Aber wir haben uns gemeinsam entschieden und die Bundesebene hat viel dafür getan, dass die sieben Energieminister da möglichst zusammen bleiben und sehr, sehr einig agieren, dass innerhalb dieses Rahmens, den die Große Koalition in unseren Augen falsch gesetzt hat, wir möglichst viele Verbesserungen hinkriegen, damit die Energiewende nicht völlig abgewürgt wird.
    Denn es macht durchaus noch einen Unterschied, gerade für die Zukunft, ob jetzt in der Zeit der Großen Koalition sozusagen die Infrastruktur der Energiewende zertrümmert wird, die Firmen Pleite gehen und wir dann 2017 wieder von vorne anfangen müssen, oder ob die Energiewende zumindest ökonomisch gerettet wird. Und da haben unsere Bundesländer vieles erreicht, was dafür sorgt, dass zum Beispiel die Windenergie nicht völlig abgewürgt wird.
    Armbrüster: Aber, Herr Hofreiter, ist das jetzt die neue Arbeitsteilung bei den Grünen? Die Landesminister, die grünen Landesminister, die machen mit bei den Kompromissen, und die Bundes-Grünen, die müssen hinterher Kritik üben?
    Hofreiter: Es ist eine automatische Arbeitsteilung. Wir sind auf Bundesebene in der Opposition. Wir kritisieren vieles, was im Grundlegenden falsch läuft. Und die grünen Minister sind an Landesregierungen beteiligt und wir organisieren da mit, dass die sieben Landesregierungen möglichst gemeinsam agieren und damit eine Schlagkraft entwickeln und dafür sorgen, wo es irgendwo geht, Verbesserungen herauszuholen. Denn am Ende ist entscheidend, wie man die Lebensbedingungen und die Realität verbessert und verändert. Und alles, was wir dort an Verbesserungen erreichen können, ist positiv und macht es uns dann insgesamt als grüne Gesamtkraft möglich, wenn wir ab 2017 wieder auf Bundesebene regieren, auf einer besseren Basis aufzubauen.
    "Rolle der Grünen auf Bundes- und Landesebene verschieden"
    Armbrüster: Herr Hofreiter, das verstehe ich jetzt nicht ganz. Ist möglicherweise ein Problem hier, dass die Grünen im Deutschen Bundestag derzeit etwas zu schwach auftreten?
    Hofreiter: Nein! Das ist eine ganz automatische Arbeitsteilung. Nämlich wir sind auf Bundesebene in der Opposition und in den Ländern in der Regierung, und das sind einfach zwei unterschiedliche Rollen. Nämlich es liegt in der Natur der Sache, dass die Opposition nicht komplett die Gesetze umgestalten kann, die eine Bundesregierung beschließt, oder eine Parlamentsmehrheit beschließt. Aber es liegt auch in der Natur der Sache, dass, wenn sie in der zweiten Kammer, in der Länderkammer mitregieren, sie da versuchen, möglichst viele Verbesserungen wie beim EEG in einem falschen Rahmen herauszuholen.
    Armbrüster: Aber, Herr Hofreiter, es war ja zumindest früher mal so, dass die Grünen in Sachen Energiewende und generell, wenn es um Atomkraft und alternative Energien ging, immer wahrnehmbar waren, auch wenn sie in der Opposition saßen. Jetzt hat man fast den Eindruck im Deutschen Bundestag, Schwarz-Rot ist das neue Grün und die Grünen brauchen wir eigentlich gar nicht mehr.
    Hofreiter: Ich kann nicht erkennen, dass, wenn Schwarz-Rot eine Energiewende einen Rahmen festsetzt, der nicht dem Klimaschutz dient und der vor allem die Industrieausnahmen erhöht, dass das so ein klassisches Grün ist. Unserer Beobachtung nach streiten wir dafür, dass die Energiewende dem Klimaschutz dient, dass die Energiewende gerecht finanziert wird und dass nicht in gigantischem zusätzlichem Ausmaß Industrieausnahmen von den Bürgern und von den mittelständischen Unternehmen bezahlt werden.
    Armbrüster: Anton Hofreiter war das, der Fraktionschef der Grünen im Deutschen Bundestag. Vielen Dank, Herr Hofreiter, für das Gespräch heute Morgen.
    Hofreiter: Bitte! Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.