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EEG-Umlage
Wetzel: "Die alte Bundesregierung hat Wildwuchs betrieben"

Energieintensive Industrien im internationalen Wettbewerb müssten von den zusätzlichen Kosten der EEG-Umlage befreit werden, fordert der IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel im Deutschlandfunk. Die Zahl der befreiten Betriebe sei aber unverhältnismäßig ausgeweitet worden. Der Staat könne zudem "eine ganze Menge" zur Entlastung privater Verbraucher tun.

Detlef Wetzel im Gespräch mit Silvia Engels | 18.12.2013
    Silvia Engels: Seit dem Jahr 2000 ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft. Verbraucher zahlen einen Aufschlag auf den Strompreis, der soll im Umkehrschluss die Produzenten von Ökostrom entlasten, ihnen helfen. Zahlreiche Unternehmen sind von dieser Umlage befreit, und genau das ruft nun die EU-Kommission auf den Plan. Sie übt seit Monaten Kritik und will ab heute prüfen, ob diese Entlastungen unrechtmäßige Beihilfen sind.
    Am Telefon ist Detlef Wetzel, er ist Vorsitzender der IG Metall. Guten Morgen, Herr Wetzel!
    Detlef Wetzel: Schönen guten Morgen.
    Engels: Ist es für Sie grundsätzlich Teufelszeug, die Befreiungen und Preisrabatte für bestimmten Industriestrom zu beschneiden?
    Wetzel: Nein. Wissen Sie, Frau Engels, es ist Folgendes: Wir sagen, eine energieintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, die muss von den zusätzlichen Kosten, die durch die Energiewende entstehen, befreit werden. Wir sprechen uns nicht für eine generelle Befreiung der Industrie von der EEG-Umlage aus. Hier geht es um die energieintensive und um die Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
    Engels: Was halten Sie dann von dem Konzept, die Zahl der derzeit von der Ökostromumlage entlasteten Firmen zusammenzustreichen? Die ist ja zuletzt stark gestiegen.
    Wetzel: Da sind wir sehr für. Die alte Bundesregierung hat ja die Kriterien auch stark verändert. Früher musste man 10 Gigawatt Strom verbrauchen im Jahr, um überhaupt ein energieintensives Unternehmen zu sein. Das ist auf ein Gigawatt heruntergesetzt worden. Die alte Bundesregierung hat auch hier Wildwuchs sozusagen zugelassen. Schlimm ist jetzt nur, dass durch dieses Beihilfe-Prüfverfahren auch die Unternehmen, die zweifelsfrei eine Befreiung benötigen, in den Fokus kommen und damit viel Schaden für die deutsche Industrie angerichtet werden kann.
    Engels: Da spielen Sie vor allen Dingen auf Firmen der Stahl- und Aluminiumindustrie an, die ja viel Energie verbrauchen. Welche Firmen sind es denn auf der anderen Seite, die Ihrer Meinung nach diese Entlastungen von hohen Stromkosten nicht mehr bekommen sollen?
    Wetzel: Auf alle Fälle Firmen, die nicht zehn Gigawatt Strom benötigen, und vor allen Dingen nicht die, die gar nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Wir haben ja die Listen öffentlich sehen können, dass dort sehr viele Firmen auch befreit worden sind, die gar nicht im internationalen Wettbewerb stehen, die also gar kein Problem haben, aus Konkurrenzgründen diese Strompreise nicht zu bezahlen. Da hat die alte Bundesregierung Wildwuchs betrieben und die Zahl der befreiten Betriebe unverhältnismäßig ausgeweitet. Aber das ist noch kein Grund, warum die europäische Kommission nun auch alle die anderen Firmen auf den Prüfstand stellt. Hier wächst bei mir der Verdacht, dass die EU-Bürokratie auch noch einen geheimen Plan hat, die Energiewende in Deutschland wieder zurückzudrehen.
    Engels: Wie steht es denn dann, wenn wir bei den Firmen mal bleiben, mit Firmen, die durchaus im internationalen Wettbewerb stehen, aber vielleicht nicht so präsent wie eben Stahl und Aluminium, beispielsweise Schokoladenproduzenten oder Mineralwasserfirmen, die derzeit zum Teil auch entlastet werden?
    Wetzel: Ich habe es eben schon gesagt. Für uns sind die Kriterien entscheidend. Wir plädieren sehr dafür, dass die Regelung, die ja schon viele, viele Jahre gegolten hat, nämlich zehn Gigawatt Stromverbrauch im Jahr, dass man diese Grenze wieder einführt, und dann sind alle diejenigen, die auch Strom benötigen in einem größeren Umfang als ein privater Haushalt, aber nicht so stark anteilsmäßig belastet sind durch Stromkosten, dass sie auch diese zusätzlichen Stromkosten tragen könnten. Wenn wir vielleicht ein paar Hundert Firmen weniger hätten, die von der EEG-Umlage befreit sind, dann wäre das richtig. Aber das würde nicht die Initiative der EU-Kommission infrage stellen, denn die sagen nicht, es sind zu viele Firmen, sondern die sagen, grundsätzlich ist dieses Instrument rechtlich nicht zulässig, und das ist das, was wir wirklich aufs Schärfste zurückweisen und verurteilen.
    Engels: Aber für Sie bleibt die Hauptsache, dass die Firmen entlastet bleiben, wo IG-Metall-Mitglieder drinstecken?
    Wetzel: Es geht nicht um IG-Metall-Mitglieder. Die chemische Industrie zum Beispiel ist auch ganz, ganz stark betroffen, die Kupfer erzeugende, die Aluminium erzeugende und die Stahl erzeugende Industrie, die aus technischen Prozessen bedingt eben so viel Energie benötigen. Es geht nicht nur um IG-Metall-Betriebe; es geht genauso um chemische Betriebe. Das heißt, das produzierende Gewerbe, die Industrie in Deutschland, die ist betroffen.
    Engels: Je umfassender die Ausnahmen für Firmen sind, umso mehr müssen das die Verbraucher über ihren steigenden Strompreis ausgleichen. Klagen nicht auch IG-Metall-Mitglieder über zu teueren Strom?
    Wetzel: Ja, und deswegen ist ja die große Kunst des neuen Wirtschaftsministers, hier nicht nur die Industrie zu schützen vor übermäßigen Belastungen, dass Arbeitsplätze verloren gehen, sondern auch der private Verbraucher ist natürlich zu schützen vor übermäßiger Beanspruchung durch die Kosten der Energiewende. Da gibt es ja Vorschläge genug. Der, der am meisten profitiert zurzeit von steigenden Strompreisen, das ist der Staat ja selber, indem er die Umsatzsteuer auf diese Erhöhungen sogar erhebt. Er hat eine Stromsteuer auf Energie erhoben. Also hier muss was für die privaten Verbraucher auch getan werden. Aber wir dürfen aus meiner Sicht natürlich nicht ausspielen die Befreiungstatbestände einiger weniger notwendiger Industrien, damit keine Arbeitsplätze verloren gehen. Das kann man nicht dagegenstellen, dass der private Verbraucher entsprechend betroffen ist, sondern hier müssen wir die Interessen sorgfältig abwägen und der Staat kann eine ganze Menge tun, um die privaten Verbraucher zu entlasten. Wir fordern schon seit mehreren Jahren, dass die Stromsteuer reduziert wird und dass auf die Erhöhungen der EEG-Umlage nicht auch noch Mehrwertsteuer gezahlt wird. Dann könnten wir mit einem Schlag 20 Prozent der Steigerungskosten reduzieren, wenn der Staat auf die Mehrwertsteuer auf diese Erhöhungsbeträge zum Beispiel verzichten würde.
    Engels: Wie wäre es denn damit, auch die Subventionen für die Solarmodul-Hersteller und Windanlagen-Bauer zu kappen?
    Wetzel: Wissen Sie, diese Energien oder diese Technologien sind ja überhaupt erst entstanden dadurch, dass es die EEG-Umlage gab, dass es garantierte Einspeisevergütungen gab.
    Engels: Aber irgendwann müssen sie auch in den Wettbewerb.
    Wetzel: Und das ist auch richtig. Da plädieren wir sehr für. Wir plädieren dafür, dass sukzessive die Subventionen, die unterstützenden Zahlungen für diese Technologien auch aufgelöst werden. Aber das ist ja auch schon längst der Fall. Die Zuschüsse, die gezahlt werden für die verschiedenen Stufen der Technologieentwicklung im Sinne von einer natürlich abnehmenden Höhe, das ist ja heute auch schon Gesetz und auch schon Praxis. - Ja, die Erneuerbaren Energien, die müssen auch zu einem bestimmten Zeitpunkt wettbewerbsfähig für sich gestellt in der Lage sein, kostengünstigen Strom zu produzieren, was übrigens bei dem Bereich Solar und bei dem Bereich Windenergie an Land auch heute schon der Fall ist.
    Engels: Sie haben schon im Vorfeld gewarnt, Herr Wetzel, dass es Tausende von Arbeitsplätzen kosten könnte, wenn die EU-Kommission verfügt, dass neben Neuregelungen auch bereits gewährte Entlastungen von der Industrie zurückgezahlt werden müssten. Haben Sie da konkrete Hinweise, dass es wirklich so weit kommt, oder haben Sie Interesse, da einen Teufel an die Wand zu malen?
    Wetzel: Wir malen keinen Teufel an die Wand, und wenn die EU-Kommission heute bei ihrem Eröffnungsbeschluss vielleicht schon einige Dinge etwas nicht so weitgehend formuliert, wie sie es noch vor einigen Wochen gemacht haben, dann ist das ja gerade den Protesten nicht nur der IG Metall oder der chemischen Industrie oder der Stahlindustrie verursacht, sondern das hat ja eine ganz breite Debatte gegeben, und wir hoffen, dass diese Debatte auch schon dazu geführt hat, dass der Eröffnungsbeschluss dieses Beihilfeverfahrens nicht so scharf ausfällt, wie das noch vor einigen Wochen der Fall gewesen ist.
    Engels: Das heißt, Sie haben Anzeichen dafür?
    Wetzel: Ja. Ich weiß auch nur das, was veröffentlicht worden ist, und heute Morgen habe ich bei Ihnen im Sender ja auch schon gehört, was dazu gesagt worden ist, und da ist ja es vielleicht möglich, dass es nicht ganz so scharf formuliert worden ist, wie ursprünglich angedacht. Aber das müssen wir uns erst anschauen, wenn dieser Eröffnungsbeschluss heute im Laufe des Tages auch wirklich der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
    Engels: Die EU-Kommission stellt heute ihre Vorschläge vor, wie sie jetzt umgehen will mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz. Wir sprachen darüber mit Detlef Wetzel, er ist der Vorsitzende der IG Metall. Vielen Dank für das Gespräch.
    Wetzel: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.