Archiv


Ein Flügelschlag für ein Echo

Zoologie/Robotik.- Biologen haben Fledermäuse dabei beobachtet, wie sie Insekten aufspüren, die still zwischen vielen Blättern sitzen. Da das Echolot der nachtaktiven Tiere nach bisheriger Kenntnis aber nur dann gut funktioniert, wenn sich die Beute im freien Luftraum befindet, ist die Fachwelt irritiert. Sonar-Experten haben jetzt eine Erklärung gefunden.

Von Lucian Haas |
    Auf den ersten Blick mag es abwegig wirken, wenn sich ein Roboterexperte für die Jagdstrategien von Fledermäusen interessiert. Doch für Roman Kuc von der Yale University in den USA ist das ein sehr naheliegender Schritt.

    "Wir versuchen herauszufinden, was mit der Echo-Ortung alles möglich ist. Deshalb schauen wir auf biologische Systeme, die eine hoch entwickelte Signalverarbeitung besitzen. Das versuchen wir zu verstehen und es auf Roboter zu übertragen."

    Eine Fledermaus ist für Roman Kuc ein solches biologisches System. Die Tiere gehen bei völliger Dunkelheit auf Insektenjagd. Sie sehen ihre Beute nicht, sondern sie stoßen spitze Schreie im Ultraschallbereich aus, um die Beute dann anhand des Echos zu orten.

    "Die Menschen haben schon lange verstanden, wie eine Fledermaus eine Motte in der Luft fängt. Das ist ein einfaches Problem, weil es um die fliegende Motte herum nichts anderes gibt, das ein Echo liefert. Aber seit vielen Jahren ist ungeklärt, wie die Fledermäuse das schaffen, wenn es im direkten Umfeld noch andere Echos gibt."

    Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Libellen nachts völlig ruhig auf einem Blatt zwischen vielen anderen Blättern im Dschungel sitzen. Biologen haben in Panama Fledermäuse dabei gefilmt, wie sie zielgerichtet solche Libellen anfliegen und verspeisen. Wie die Echo-Ortung unter so diffusen Bedingungen funktioniert, konnten sie aber nicht erklären.

    "Ich habe mir dieses Video angesehen. Und dabei habe ich etwas entdeckt, was die anderen wohl übersehen haben. Und zwar bewegen sich die dünnen Flügel der Libelle ein bisschen, ausgelöst durch den Luftzug der flatternden Fledermausflügel."

    Die Blätter hingegen, auf denen die Libellen sitzen, bleiben aufgrund ihrer größeren Masse ruhig. Roman Kuc fragte sich, ob diese feinen Unterschiede wohl mit Echosignalen zu detektieren wären. Um das zu testen, setzte er echte Libellen auf künstliche Blätter und beschallte sie mit einem Sonargerät, wie es üblicherweise in Robotern zum Einsatz kommt. Die Flügelschläge der Fledermäuse simulierte er mit einer Druckluftpistole. Und tatsächlich: Das vom Luftzug angestoßene Zittern der Insektenflügel war anhand der damit verbundenen, wechselnden Echos gut zu orten.

    "Wir haben herausgefunden, dass die Fledermäuse ihre Umwelt manipulieren können, um zusätzliche Informationen zum Aufspüren der Beute zu bekommen. Das eröffnet neue, bisher unbeachtete Sichtweisen auf die Echo-Ortung."

    Bei der Frage, ob sich diese Strategie in technisch abgewandelter Form auch für Roboter sinnvoll einsetzen ließe, ist Roman Kuc auf Basis seiner Ergebnisse aber skeptisch. Die Filmaufnahmen aus freier Wildbahn zeigen, dass die Fledermäuse lange vor den Blättern hin und her fliegen müssen, bis sie ein ruhendes Insekt entdecken. Das ist nicht gerade effizient.

    "Diese Echo-Ortung ist keine Zauberei. Es ist ein arbeitsreicher Prozess. Als Roboterforscher sollte ich cleverer sein. Schließlich muss ich mich nicht auf die physikalischen Prinzipien der Natur beschränken. Ich kann eine Vielfalt von Sensoren einsetzen und ihre Messdaten kombinieren. Ich muss über die Biologie hinaus schauen, meta-biologische Systeme schaffen, die dem Roboter alle nötigen Informationen liefern, um seine Aufgabe zu erfüllen."

    Schon heute besitzen viele Roboter nicht nur Sonargeräte zur Orientierung, sondern auch Stereo-Kameras oder Laser-Scanner. Hier ist die Technik schon weiter als die Natur.