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Ein Jahr Europäische Bankenaufsicht
Viele Fragen weiter ungelöst

Als Reaktion auf die große Finanzkrise 2007 wurde vor einem Jahr die Europäische Bankenaufsicht ins Leben gerufen. Dass sie ausgerechnet bei der EZB angesiedelt ist, sorgte schon damals für Kritik. Viele Fragen sind auch heute nicht geklärt. Und vor allem kleine Finanzinstitute fühlen sich ungerecht von der Bankenaufsicht behandelt.

Von Michael Braun | 03.11.2015
    Im letzten Licht des Tages überragt der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen) am 12.01.2015 die Bankenskyline der Mainmetropole.
    Die Bankenaufsicht ist ausgerechnet bei der EZB angesiedelt. (dpa / picture-alliance / Boris Roessler)
    Ihr endgültiger Sitz, das alte Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurts Kaiserstraße, wird renoviert. Noch wird in angemieteten Räumen gearbeitet. Das schon seit einem Jahr. Die Chefin der Europäischen Bankenaufsicht, die Französin Danièle Nouy, hatte damals angekündigt, wie sie ihre Aufgabe zu führen gedenke: hart, fair und unabhängig. "Tough, fair and independent."
    Viele finden es ein bisschen zu hart, zu tough. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken etwa. Natürlich dürfe sich eine Finanzkrise wie in den Jahren 2007 folgende nicht wiederholen. Aber diese Krise hätten die großen Investmentbanken angezettelt, nicht die kleinen Kreditbanken. Gerade deshalb wurde die europäische Bankenaufsicht ja auf die 120 größten der rund 3.700 Banken in der Eurozone beschränkt. Aber die Aufsicht beschränke sich in der Praxis nicht, sagt Uwe Fröhlich. Der Präsident des genossenschaftlichen Bankenverbandes beklagt, "dass der Grundsatz der Proportionalität an vielen Stellen nicht gewahrt wurde."
    Mindestens indirekt würden beinahe alle Banken, auch die kleinen, in die zentrale europäische Aufsicht einbezogen. Und die Grenzen für meldepflichtige Kredite sänken immer tiefer. Das geht auch den privaten Geschäftsbanken auf die Nerven, gibt Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes deutscher Banken, unverblümt zu erkennen: "Die EZB will es für Kredite ab 25.000 Euro. Die Bundesbank hat gesagt: Irgendwie ist es doch eigentlich schicker, wenn man es für alle Kredite kriegt. Also ab null Euro. Ich weiß nicht genau, ob das dann auch gilt, wenn einer sein Konto zufällig um zehn Euro überzieht. Und da muss dann doch in einem erheblichen Umfang gemeldet werden. Das halten wir für einen absoluten Overkill."
    Bundesbank insgesamt zufrieden
    Das kostet viel Zeit, macht viel Arbeit, erfordert auch bei kleinen Instituten gute englische Sprachkenntnisse, um mit den europäischen Bankenaufsehern reden zu können. Der ganze Aufwand, hat der Frankfurter Finanzwissenschaftler Roman Inderst in einem Gutachten für den genossenschaftlichen Bankenverband herausgefunden, bedrohe auch den Dienst am Kunden: "Bei den kleineren Banken findet man hier eine Abwendung notwendigermaßen vom Kunden und vom Markt, weil das Zeitbudget anderweitig aufgefressen wird, wie es scheint."
    Offen ist noch, wie der Interessenkonflikt gelöst werden kann, in den die Europäische Zentralbank zwischen ihrer Aufgabe in der Geldpolitik und der in der Bankenaufsicht geraten kann. Martin Hellmich, der an der Frankfurt School of Finance and Mangement den Umgang mit Finanzrisiken lehrt, beschrieb ihn vor einem Jahr so: "Nehmen wir mal an, wir sind in einer ökonomischen Schwächesituation und die EZB möchte den Markt mit billigem Geld stützen und möchte die Banken zu gleicher Zeit überzeugen, mehr Kredite zu vergeben. Und auf der anderen Seite muss die EZB als Aufsichtsbehörde dafür sorgen, dass die Banken eben gerade nicht zu viele Kredite vergeben, vor allem nicht in eine ökonomische Flaute hinein. Da hätten wir ein wunderbares Beispiel eines ersten Interessenkonflikts."
    Die Bundesbank hält die Trennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik auch für unvollkommen. Aber ihr Vorstand Andreas Dombret beschwichtigt: "In der Praxis funktioniert die Trennung insgesamt gesehen jedoch gut."
    Für jedermann sichtbar wurde der Konflikt, als die EZB aus geldpolitischen Gründen griechische Banken mit Notkrediten versorgte, Banken, die eigentlich zahlungsunfähig waren. Die Bankenaufsicht der EZB hätte sie schließen müssen. Der Zentralbankrat der EZB aber druckte für sie neues Geld.