Montag, 13. Mai 2024

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Ein Jahr nach Macrons Europa-Rede
Wo ist er hin, der Geist der Sorbonne?

Am 26. September 2017 hielt der französische Präsident in der Sorbonne seine berühmte Rede zur Zukunft der EU und Europas gehalten. Ein Jahr später ist von der Aufbruchstimmung, die Emmanuel Macron beschwor nichts mehr zu spüren. Auch weil der Vorkämpfer für ein neues Europa kaum Mitstreiter findet.

Von Barbara Kostolnik | 26.09.2018
    Der französische Staatspräsident Macron bei seiner Rede am 26.09.2017 an die EU an der Universität Sorbonne in Paris/Frankreich.
    Emmanuel Macron bei seiner Europa-Rede an der Universität Sorbonne ( AFP PHOTO / POOL / ludovic MARIN)
    So viel Elan, so viel Feuer, so viel Enthusiasmus: der französische Präsident und Europa, das ist in erster Linie: Liebe. Und Visionen: ""Wir müssen ein souveränes, geeintes und demokratisches Europa neu gründen, wieder gründen. Haben wir den Mut, uns diesen Weg zu bahnen."
    Die glühenden Appelle des Präsidenten in der Sorbonne, jener altehrwürdigen Pariser Universität, sie haben lange nachgehallt und vielen Menschen Hoffnung gegeben, aber sie scheinen im Dickicht der 28 Staaten verlorengegangen. Von einem geeinten Europa kann keine Rede sein, trotz aller Beschwörungen und Versprechungen: "Ich werde denjenigen, die den Hass, die Spaltung oder den Rückzug auf nationale Interessen predigen, nichts, keinerlei Raum überlassen."
    Keine helfenden Hand aus Berlin
    Es ist einsam geworden um den Vorkämpfer für ein neues Europa. Aus Berlin kommt zwar kein expliziter Widerspruch, aber auch keine helfende Hand. Die Kanzlerin, in die der französische Präsident so viel Hoffnung gesetzt hatte, ist dauerhaft in innenpolitischen Widrigkeiten gebunden. Außer gelegentlichen bildmächtigen Unterstützer-Auftritten wie zuletzt mit Macron in Marseille bleibt für Außenpolitik wenig Zeit.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l), Bundesinnenminister Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles im Kanzleramt.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zurzeit innenpolitisch stark gefordert (dpa / Rainer Jensen)
    Angela Merkel: "Wir werden in wenigen Monaten Europawahlen haben, aber wir wollen bis dahin noch einiges schaffen, dazu gehört die Weiterentwicklung der europäische Wirtschafts- und Währungs-Union, Banken-Union, aber auch die Stärkung der Eurozone, dazu gehören die Fragen der Migration, und Deutschland und Frankreich haben hier dieselbe Art des Herangehens an die Probleme, und Europa muss sich in dieser Frage auch beweisen."
    Janusköpfiger Kurs in der Migrationspolitik
    Macron fährt in der Migrations-Frage einen janusköpfigen Kurs: einerseits betont er immer wieder, das Recht auf Asyl sei ein Menschenrecht, andererseits aber tut er alles dafür, den Eindruck zu vermeiden, Frankreich besitze eine Mittelmeerküste. Dann muss er auch keine Flüchtlings-Schiffe in französische Häfen lassen:
    "Ich bin keiner, der den Weg des geringsten Widerstands geht, sagte Macron Ende August, aber wir müssen demnächst wichtige Entscheidungen zur Flüchtlings-Frage treffen, eine Frage, die uns noch lange beschäftigen wird; wir müssen verantwortlich handeln, unseren Werten, unserer Verfassung verpflichtet. Wir müssen echte Politik machen, nicht etwas, was Herr Orban und Herr Salvini vorschlagen."
    Matteo Salvini mit Mikrofon in der Hand auf einer Versammlung
    Erklärter Macron-Gegner: Italiens Innenminister Matteo Salvini (ANSA)
    Nur Reden hilft nicht
    Vor allem Italiens Innenminister treibt diese Attitüde Macrons regelmäßig auf die Palme - das Europa Macrons und das Europa Salvinis eint lediglich der geografische Faktor. Salvinis Europa-Ideen geißelt der französische Präsident, wo immer er kann:
    "Die Essenz des europäischen Projekts ist die Demokratie - ihre größte Stärke. In den 30er Jahren schalt man die Demokratie schwach. Heute gibt es in Europa diese Faszination für die illiberalen Demokratien, einen brutalen Unilateralismus, weil Demokratie unwirksam sei. Das ist das Gegenteil von dem, was ich ohne Unterlass verteidigen werde."
    Der Keil, der das Europa Macrons von dem seiner Gegner - Salvini, Orban, Strache -, trennt, steckt tief. Mit Reden allein wird ihn Frankreichs Präsident nicht herausbekommen. Vielleicht aber will er das auch gar nicht.