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Ein Klischee?

Millionen Sportbegeisterte fiebern mit, wenn deutsche Athleten bei internationalen Sport-Wettbewerben vorne mitmischen. So etwa beim Kampf um Medaillen bei den Olympischen Spielen zuletzt in Vancouver. Nur wenigen Zuschauern ist allerdings bewusst, was Sportlerinnen und Sportler der olympischen Sportarten in den Monaten und Jahren leisten, in denen sie und ihre Sportart nicht im Rampenlicht stehen.

Von Daniela Müllenborn |
    Nicht nur ein Olympia-Jahr, auch ein WM-Jahr ist für einen Spitzensportler eigentlich immer etwas ganz Besonderes. Alles steht in solch einer Saison hinten an. Schließlich muss man zum Höhepunkt topfit sein. Bei Ole Bischof war das in diesem Jahr zunächst anders. Der Judoka hat seinem Volkswirtschaftsstudium den Vorrang gegeben. Prüfungsstress an der Uni. Das hieß für ihn - Auszeit im Sport:

    "Auszeit bedeutet, dann trainiert man eben nur einmal am Tag, dann geht man eben nicht für zwei oder drei Wochen ins Trainingslager nach Russland, sondern, man bleibt eben zuhause und ackert, ich glaube man kann sich das vorstellen, wir Judokas müssen eben viel reisen, wir müssen dahin wo es hart ist, wo die guten Trainingspartner sind, das ist bei uns in Japan und Korea auf der einen Seite und Osteuropa auf der anderen Seite und dann ist man 20 Wochen im Jahr unterwegs."

    Diesmal ist der Judo-Olympiasieger erst im März mit einem Trainingslager in Japan wieder voll in seinen Sport eingestiegen, um sich auf die WM im September in Tokio vorzubereiten. Die deutschen Meisterschaften im Januar in Bayreuth und die Europameisterschaften Ende April in Wien hat er sausen lassen. Irgendwann geht die berufliche Karriere halt vor:

    "Mit 30 macht man ungefähr Leistungssport, manchmal ein bisschen weniger, manchmal ein bisschen mehr, danach kommen halt noch 30 Jahre."

    Der fast 31-jährige Ole Bischof, der auf jeden Fall noch die Olympischen Spiele in zwei Jahren in London im Visier hat, ist nicht der einzige deutsche Spitzensportler, der sich schon während seiner Karriere Gedanken um die Zeit danach machen muss. Dies zeigt eine Studie, die die Deutsche Sporthilfe in Auftrag gegeben hatte. 1133 Topathleten, die nicht im Fußball, Tennis oder der Formel-1 aktiv sind, gaben Auskunft über ihre Lebensverhältnisse. Das Klischee vom Traumberuf Spitzensportler geriet dabei mächtig ins Wanken und Jörg Adami von der Stiftung deutsche Sporthilfe zieht vor den Athleten den Hut:

    "Der Einsatz ist fast übermenschlich, 60 Stunden pro Woche Belastung, Sport und Karriere für ein im Schnitt verfügbares Einkommen von 600 Euro. Man muss jetzt dazusagen, das ist, wie immer, die statistische Mitte. Also sie haben noch wahnsinnige Ausläufer, von Menschen, die noch mehr mit Beruf und Karriere zu tun haben."

    Dabei ist die Zahl derer, die ganz oben in der Weltspitze ankommt, und dann auch noch gut davon leben kann, verschwindend gering:

    "Selbst in der Leichtathletik bekommt man eben keine Förderung, die höher ist, als vier, fünf Hundert Euro - aber da muss man schon richtig erfolgreich sein - vom Staat. Dass heißt, alles andere ist Eigeninitiative, ist auch gut so, ja man muss sich wirklich danach strecken, und gucken, wie man sich finanzieren kann, aber es soll keiner denken, wir werden da in Pampers gewickelt."

    Das gilt auch für Ole Bischof. Obwohl er vor zwei Jahren in Peking Olympiasieger wurde:

    "Ole jetzt machste nur noch zu, jetzt kann's Gold werden, Ole und jetzt ist es Goooooooold für Ole Bischof, Mensch, wie hat er as gemacht. Ole, mit den großen, goldenen Händen holt sich Gold."

    Als Außenseiter war der Reutlinger in Peking gestartet, als Olympiasieger kam er nachhause, traf Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Horst Köhler und hatte sogar einen Fernseh-Auftritt in der Millionen-Show von Stefan Raab. Der Goldmedaille, die ihm 15.000 Euro Prämie vom Bund bescherte, folgten Wochen im Rampenlicht. Reich ist Ole Bischof dadurch nicht geworden, weiß Jörg Adami:

    "Wenn man jetzt sagt, ja ich hab den im Fernsehen gesehen, der hat eine Goldmedaille bekommen, hat jetzt sozusagen ausgesorgt, also das ist in Deutschland überhaupt nicht der Fall. Der Ole hat es geschafft, etwas stressfreier trainieren zu können, weil er sich jetzt nicht mehr darüber Gedanken machen muss, wovon er im nächsten Monat lebt. Allerdings hat er auch nichts mehr. Also wenn er seine Karriere beenden würde, gibt es jetzt kein Polster von dem er immer noch lange leben könnte, deshalb ist er auch gezwungen, sich neben seinem Sport noch auf das Studium zu konzentrieren."

    Um das Budget vieler deutscher Sportasse ein wenig aufzubessern, die Rede ist von 200 Euro im Monat, geht die Deutsche Sporthilfe seit Anfang des Jahres neue Wege. Die private Stiftung, die auf Förderer aus Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen ist, hat die Kampagne "Dein Name für Deutschland" gestartet. Ziel ist es:

    " ... nicht nach staatlicher Hilfe zu schreien, sondern, zu sagen, es gibt in Deutschland viele Sportfans, die sich darüber freuen, wenn unsere Athleten tolle Ergebnisse leisten, und da versuchen wir sozusagen eine große Solidarbewegung zu starten, indem jeder dieser Sportbegeisterten Menschen mit drei Euro im Monat, zum offiziellen Sponsor, der deutschen Spitzensportler werden kann. Und damit wirklich zu 100 Prozent etwas Tolles unterstützt."

    Gesichter dieser Aktion sind zum Beispiel Schwimm-Weltrekordler Paul Biedermann und: Ole Bischof, der sich trotz aller Mühen immer wieder für den Leistungssport entscheiden würde:

    "Spitzensport ist auf jeden Fall etwas, wo ich mich extrem wohlfühle, wo ich meine Talente ausleben kann, und ja- Spitzensport, gerade Judoka zu sein ist für mich - ja ein Traum."