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"Ein richtiger Einstieg"

Der SPD-Politiker Johannes Kahrs betrachtet die Koalitionseinigung zur Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen als ersten Schritt. "Wir Sozialdemokraten werden die Letzten sein, die etwas dagegen haben, wenn man das ausweitet", sagte Kahrs, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in seiner Partei. Die Union indes sei "etwas gebremst" an das Thema herangegangen.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Gestern legte eine Arbeitsgruppe der Großen Koalition einen Entwurf vor, wie Arbeiter und Angestellte künftig stärker an den Kapitalgewinnen von Firmen beteiligt werden können - am besten ihrer eigenen Firmen. Doch umgehend hagelt es Kritik aus der Wirtschaft. Dort bekennt man sich zwar zur Idee der Mitarbeiterbeteiligung, doch man vermisst in dem Entwurf die praktische Umsetzbarkeit. Die Regierung verteidigt sich. ( MP3-Audio , Beitrag von Frank Capellan)

    Am Telefon ist nun Johannes Kahrs, SPD-Mitglied im Deutschen Bundestag und Sprecher des eher konservativ orientierten Seeheimer Kreises. Guten Tag, Herr Kahrs!

    Johannes Kahrs: Guten Tag!

    Engels: Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte heute Früh im Deutschlandfunk (Text/ MP3-Audio ), das Koalitionskonzept werde nicht dazu taugen, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen diese Anreize zu setzen, die Mitarbeiter stärker an Kapitalerträgen zu beteiligen. Haben Sie da etwas beschlossen, was gut klingt, aber wo am Ende der Mittelstand nicht mitmacht?

    Kahrs: Na ja, Herr Hundt war von Anfang an keiner von denjenigen, die gedrängt haben, dass wir zu so einer Vereinbarung kommen. Ich glaube, dass diese Mitarbeiterbeteiligung sich auch im Mittelstand durchsetzen wird. Es gibt da ja auch schon entsprechende Stimmen. Wenn man sich anguckt, dass eine stärkere Mitarbeiterbindung eine der Folgen ist, dann ist das auch für den Mittelstand interessant. Ich glaube, dass Motivation und Einsatz und eine vernünftige Unternehmenskultur nicht nur für die großen, sondern auch gerade für den Mittelstand interessant ist. Und deswegen glaube ich, dass es da auch zu vernünftigen Lösungen kommen wird.

    Engels: Im Mittelstand gibt es auch viele Familienbetriebe, und Patrick Adenauer, der Vorsitzende des Verbandes "Die Familienunternehmer", bemängelt, die geplante Anhebung der Steuerfreibeträge falle viel zu niedrig aus, und für viele Familienunternehmen, die als Personengesellschaften ja gar keine Anteile ausgeben, sei es völlig ungeeignet.

    Kahrs: Ich glaube, dass es ein richtiger Einstieg ist. Wir Sozialdemokraten fordern ja schon länger eine stärkere Mitarbeiterbeteiligung. Wir haben nun mal einen Koalitionspartner, der etwas gebremst da herangegangen ist. Deswegen bin ich froh, dass wir diesen Einstieg so hinbekommen haben, dass er finanzierbar ist. Jetzt muss man gucken, wie er angenommen wird, wie er sich bewährt. Wir Sozialdemokraten werden die Letzten sein, die etwas dagegen haben, wenn man das ausweitet.

    Engels: Sie sagen, Sie haben auch positive Reaktionen aus dem Mittelstand. Wie sehen die denn aus?

    Kahrs: Es gibt Unternehmen, die es begrüßen, dass man sich in diese Richtung bewegt. Es ist natürlich auch so, dass es zu Insolvenzen gekommen ist, sowohl im Mittelstand als auch bei den Großen. Deswegen ist eine Fondsgeschichte etwas, die natürlich auch, da muss man ganz offen sein, natürlich auch mehr Schutz für die Arbeitnehmer gewährt. Deswegen sind individuelle Lösungen, wie sie ja in der Vergangenheit häufig gefunden worden sind, nicht schlecht, haben aber ab und an dazu geführt, dass die Mitarbeiter bei der Insolvenz ihres Unternehmens leer ausgegangen sind. Deswegen haben wir diese Fondsgeschichte ja bevorzugt. Olaf Scholz hat ja schon mal den Deutschlandfonds mit aufgelegt und hat gesagt, so, das wäre unser eigentliches Ziel gewesen. Das war jetzt in dieser Koalition so nicht machbar. Aber deswegen, glaube ich, ist mit dieser Regelung auch eine gefunden worden, mit der der Mittelstand leben kann.

    Engels: Sie haben es angesprochen. Dem Arbeitnehmer geht es vor allen Dingen um den Schutz seiner Anlage. Dem Unternehmer muss es aber darum gehen, eine Rendite zu erwirtschaften. Dafür trägt er ja auch das unternehmerische Risiko. Ist das nicht doch die Quadratur des Kreises, dass ein Unternehmer hier Kapital in etwas stecken soll, was eben diese Rendite gar nicht abwerfen kann, und er dementsprechend dann auch nicht bereit ist, die Mitarbeiter an unternehmerischen Entscheidungen zu beteiligen?

    Kahrs: Im Ergebnis ist es ja so, dass diese Fonds durch professionelle und lizenzierte Fondsmanager geführt werden. Ich glaube, dass das eigentlich schon viele beruhigen sollte. Das soll ja vernünftig gemanagt werden, und im Ergebnis werden auch alle davon profitieren. Garantieren können sie niemandem irgendetwas, sondern uns ging es einfach darum, das Risiko für alle Beteiligten auch zu minimieren. Das ist mit dieser Lösung gelungen. Ich bin froh, dass wir die Union dazu bewegen konnten.

    Engels: In der Zeitung "Die Welt" sagte Dieter Hundt, es sei für ein Unternehmen kaum attraktiv, 100 Prozent in einen Fonds zu investieren, von dem aber anschließend nur 75 Prozent in den Betrieb zurückfließen, eben weil es eine Fondslösung ist. Ist das nicht so?

    Kahrs: Na ja, das ist der Grundsatz, und jetzt muss man gucken, wo die Fonds investieren. Sie investieren natürlich auch in anderen Bereichen, wo sie auch lukrative Gewinne erwirtschaften, die dann wiederum allen zur Verfügung stehen. Ich glaube, dass das nun die Idee war. Bei dem Deutschlandfonds wäre das ja noch ganz anders gewesen. Wir sind ja da den Kritikern entgegengekommen.

    Ich glaube, man darf bei aller Kritik nicht die Grundsätze aus den Augen verlieren, nämlich dass die Unternehmen in den letzten Jahren viele Gewinne gemacht haben, die Löhne aber nicht entsprechend mitgewachsen sind, das natürlich auch Mitarbeiter demotiviert, wenn sie sehen, dass die Vorstände und Eigentümer die Gewinne einstecken, aber sie selber wenig davon abbekommen. Mit dieser Lösung haben wir, glaube ich, eine enge Bindung hinbekommen, haben gleichzeitig auch realisieren können, dass die Unternehmer abgesichert sind, die Unternehmen selber etwas davon haben. Aber man muss auch ganz klar sagen, dass diese Fonds nicht zu Lasten von Tariferhöhungen gehen dürfen und auch nicht Löhne oder Altersvorsorge irgendwie angreifen dürfen.

    Engels: Das ist ein hehres Ziel, aber unter dem Strich spricht doch einiges dafür, weil dieses Modell auf Freiwilligkeit setzt, dass Unternehmen auch künftig nicht bereit sind, um diese Rendite, diese hohen Gewinne zu erzielen, mehr vom Kuchen abzugeben.

    Kahrs: Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Wir hätten uns das auch anders vorstellen können. Aber Sie wissen, dass wir ja nicht in einer perfekten Welt leben. Wir haben einen Koalitionspartner. Der hat schon Probleme mit Mindestlöhnen. Der hat Probleme damit, dass Arbeitnehmer entsprechend auch vom Aufschwung profitieren, und hat Probleme mit den entsprechend notwendigen Gehaltserhöhungen. Deswegen sind wir froh, dass wir das hier überhaupt durchsetzen konnten.

    Engels: Wenn es darauf hinausläuft, dass möglicherweise auch die Arbeitnehmer selbst von ihrem eigenen Gehalt noch mehr dazustecken, ist das denn realistisch? Haben die Arbeitnehmer noch Geld, um es jetzt in solche Fonds zu stecken?

    Kahrs: Wir gehen ja davon aus, dass wir jetzt hier eine Struktur aufbauen, die in den Bereichen, wo sie funktioniert, dann auch ausbaufähig ist. Wir sagen aber auch ganz klar, dass diese Fonds nicht zu Lasten von Tariferhöhungen gespeist werden dürfen, dass man aufpassen muss, dass eine stärkere Mitarbeiterbeteiligung nicht zu Lasten der Löhne oder Altersvorsorge gehen darf. Dann, und auch nur dann,, ist es für die Arbeitnehmer eine vernünftige Lösung, an den Gewinnen der Unternehmen beteiligt zu werden.

    Engels: Johannes Kahrs, SPD-Mitglied des Bundestages und Sprecher des Seeheimer Kreises. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Kahrs: Vielen Dank, schönen Tag noch.