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Olaf Scholz: Kombination von Sicherheit und Gewinnen

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz verteidigt das Koalitionskonzept zur Mitarbeiterbeteiligung über Branchenfonds. Mit dem Modell würden die steuerlichen Rahmenbedingungen geschaffen, damit künftig mehr Mitarbeiter vom Erfolg ihrer Unternehmen profitieren, sagte der SPD-Politiker.

Moderation: Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Seit Jahren debattieren Union und SPD über eine sogenannte Mitarbeiterbeteiligung, also der Arbeitnehmer an ihrem Unternehmen - zum Beispiel in der Form von Aktien. Trotz der vermeintlichen Vorteile ist das Modell hierzulande im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern eher eine Randerscheinung. Das will die Regierungskoalition jetzt ändern. Eine Arbeitsgruppe hat gestern Eckpunkte präsentiert, die die Mitarbeiterbeteiligung attraktiver machen sollen. Kritik dazu kommt vor allem von Seiten der Arbeitgeber. Uneffektiv seien die Vorschläge, heißt es da. Aber es gibt auch andere Reaktionen.

    Am Telefon ist jetzt Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Guten Morgen!

    Olaf Scholz: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Scholz, es gab verschiedene Vorstellungen. Die CDU wollte ursprünglich die Mitarbeiter durch direkte Vereinbarungen mit den Unternehmen beteiligen. Die SPD setzte auf den sogenannten Deutschlandfonds. Der ist beim jetzigen Mischmodell mit dem Branchenfonds auf der Strecke geblieben. Eine große Einbuße aus Sicht der SPD?

    Scholz: Nein. Wir haben das, was wir wollten, politisch erreicht, und ich glaube, insgesamt ist eine gute Lösung zu Stande gekommen. Es sind ja nicht der Staat oder Parteien, die Mitarbeiterbeteiligungen tatsächlich organisieren. Wir können bestenfalls die Rahmenbedingungen dafür zur Verfügung stellen. Da wissen wir: Es gibt sehr wenig Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland. Vor allem Arbeitnehmer von großen Aktiengesellschaften haben die Chance, und im Mittelstand ist das wenig verbreitet. Gerade mal 100.000 Arbeitnehmer mittelständischer Unternehmen sind irgendwie direkt oder mittelbar an ihrem eigenen Unternehmen wirklich beteiligt. Deshalb haben wir jetzt ein bisschen die steuerliche Förderung verbessert, so dass der Rahmen für eine direkte Beteiligung da ist, und vor allem die Möglichkeit geschaffen, dass über Fonds der Weg offen ist, eine mittelstandsfreundliche Lösung zu wählen, die unbürokratisch ist und gleichzeitig den Arbeitnehmern die Chance gibt, dass sie ihr eingesetztes Kapital nicht verlieren, wenn die eigene Firma pleite geht.

    Kaess: Schauen wir mal etwas genauer auf diese Branchenfonds. Die verringern zwar das Risiko bei einer Insolvenz, aber auch die Gewinne werden umgelegt. Es springt also nicht mehr so viel dabei heraus.

    Scholz: Das stimmt nicht. Wenn Sie sich das angucken, dann ist das eine sehr gute Anlage, weil es ja eine Kombination von Sicherheit gibt durch die Streuung auf viele Unternehmen und den Gewinnen, die dann eben entsprechend aus mehreren Unternehmen zusammenkommen. Ich bin sicher, dass die Zurückhaltung, die wir ja nicht per Gesetz reduzieren können, jetzt nachlässt und dass über den Fonds ein unbürokratisches modernes Instrument entstanden ist, das für Arbeitnehmer leicht handhabbar ist und für ihre Arbeitgeber auch.

    Kaess: Aber bei dem jetzigen Modell könnte man doch genauso gut stattdessen in Aktienfonds einzahlen?

    Scholz: Nein! Das ist eben der Unterschied. Aktienfonds beteiligen an irgendwas, also an den Unternehmen in Deutschland, der ganzen Welt oder sonstwie, während die Möglichkeit über den Fonds, den wir jetzt schaffen, darin besteht, dass auch das eigene Unternehmen davon profitiert. Das wäre dann ja auch für den eigenen mittelständischen Arbeitgeber, ob der nun 150 oder 1500 Arbeitnehmer hat, ein Anreiz mitzumachen und zu sagen, ich möchte, dass auch meine Beschäftigten davon profitieren, obwohl das für mich technisch ganz schwer zu organisieren ist, denn wenn ich keine börsennotierte Aktiengesellschaft habe, habe ich keine Anteile, die ich einfach mal so ausgeben kann. Das wird durch den Fonds jetzt erleichtert.

    Kaess: Aber wie soll bei dem Branchenfonds die ursprüngliche Idee der Mitarbeiterbeteiligung, nämlich die der Identifikation mit dem eigenen Unternehmen denn noch stattfinden?

    Scholz: Das haben wir dadurch gelöst, dass wir gesagt haben, 75 Prozent des Kapitals, das in diesem Fonds drinsteckt, das soll zurückfließen in die beteiligten Unternehmen. Wir hatten ursprünglich sogar mal diskutiert 100 Prozent, haben uns aber von den Finanzexperten überzeugen lassen, dass wegen der hinzukommenden und weggehenden Arbeitnehmer - da soll ja Beweglichkeit dabei möglich sein - es besser ist, wenn ein bisschen Flexibilität für den Fonds da ist. Aber insgesamt ist das Wesentliche: Das Geld wird in den Unternehmen angelegt, aus denen die Arbeitnehmer kommen, die sich daran beteiligen.

    Kaess: Wie sicher ist die Mitarbeiterbeteiligung damit? Kann man davon sprechen, dass das Risiko, dass in schlechten Zeiten neben dem drohenden Arbeitsplatzverlust auch noch der Verlust der Einlagen hinzukommt, aufgehoben ist?

    Scholz: Das Risiko ist aufgehoben, weil man ja dadurch, dass da 100, 200 Unternehmen teilnehmen, einen vollständigen Schutz vor der Insolvenz eines einzelnen Unternehmens hat im Hinblick darauf, dass das das eigene Kapital vernichtet.

    Kaess: Aber die Probleme könnten ja auch eine ganze Branche betreffen.

    Scholz: Das ist aber sehr fiktiv. Wenn man sich davor fürchtet, muss man einen über Branchen hinausgehenden Fonds konstituieren. Das werden ja auch nicht 100 Stück sein, denn das muss ja ein gewisses Volumen haben. Ich rechne eher mit einer kleinen Zahl von Fonds als mit sehr, sehr vielen. Da müssen Finanzinstitutionen und eine oder mehrere Branchen und die Gewerkschaften zusammenarbeiten, um den mittelständischen Unternehmen zu sagen wenn ihr mitmacht, habt ihr hier ein gutes Modell. Ich sage noch mal: Insolvenzsicherheit, nach der Sie fragen, ist gegeben. Wenn man sich direkt im eigenen Unternehmen beteiligt, ist das Risiko wesentlich größer. Da kann es einem schon passieren, wenn die eigene Firma pleite geht, dass man nicht nur seinen Arbeitsplatz los ist, sondern auch die Anlage im eigenen Unternehmen. Deshalb glaube ich auch, dass viele sich für das Fondsmodell interessieren werden.

    Kaess: Schauen wir auf die Kosten. Die begünstigten Arbeitnehmer sollen ja mehr werden - zum Beispiel, weil der steuer- und sozialversicherungsfreie Höchstbetrag, wenn man Anteile erwirbt, steigt. Deswegen wird es Steuerausfälle von mehreren hundert Millionen Euro geben. Wie soll das finanziert werden?

    Scholz: Wir haben jetzt erst mal ganz vorsichtig gerechnet und unterstellt, dass nicht zwei Millionen Arbeitnehmer, alle zusammen, sondern drei Millionen sich an ihren Unternehmen beteiligen. Da ist natürlich die Hoffnung, dass praktisch neben die Aktiengesellschaften jetzt noch viele mittelständische Unternehmen treten, die das ja bisher fast gar nicht gemacht haben. Wenn das gelingt, dann werden wir im vollen Jahr der Wirksamkeit 300 Millionen Steuerausfälle haben - Bund, Länder, Gemeinden zusammen. Das ist verkraftbar, zumal das ja auch nicht im nächsten Jahr eintritt. Aber es wäre, glaube ich, eine unglaubliche Motivationssteigerung. Und viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sagen, das ist auch gerecht - auch viele Unternehmen -, denn wenn Sie sich die Lohnentwicklung und die Gewinnentwicklung in den letzten Jahren angucken, dann sehen Sie: Da muss was getan werden.

    Kaess: Aber es sind Kosten, die, das haben Sie selber gesagt, auch den Bundeshaushalt belasten. Haben Sie denn bereits die Zusage des Finanzministers?

    Scholz: Der Finanzminister war intensiv in die ganzen Vorbereitungen einbezogen. Alle Formulierungen, die wir in Bezug auf die Frage, wie löst man das nun mit einem Fonds und wie wird eine solche Investmentgesellschaft gebildet, die haben wir mit den Fachleuten seines Hauses abgestimmt. Da stammt die Expertise her und natürlich auch die Ratschläge, wie man das steuerlich am besten löst.

    Kaess: Herr Scholz, die Opposition kritisiert die Einigung beim Investivlohn - folge dem Motto der Großen Koalition "mehr Subvention, dann wird es schon".

    Scholz: Wann kritisiert die Opposition mal was nicht? Aber um es so zu sagen: Das ist natürlich fast schon langweilig zu hören, denn wenn Sie sich alle Vorschläge, die mal in der Diskussion waren - übrigens auch oft von den Oppositionsparteien -, angucken, dann sehen Sie: Da ist denen meistens nicht mehr eingefallen als ziemlich dicke Steuersubventionen.

    Kaess: Aber Sie wollten doch Subventionen abbauen.

    Scholz: Wir haben jetzt ein Modell entwickelt, das ganz schmal ist, was die steuerliche Förderung betrifft. Damit soll eine Motivation, ein Anreiz geschaffen werden. Im Wesentlichen haben wir auf Entbürokratisierung und Modernisierung der Instrumente gesetzt. Und deshalb glauben wir, dass wir wegen dieser Innovation auch einen regen Zuspruch bekommen werden.

    Kaess: Die Arbeitgeber kritisieren, es sei absurd, dass die Mitarbeiterbeteiligung besser gefördert werden soll als die betriebliche Rente.

    Scholz: Das stammt aus alten Vorlagen, wird jetzt leider weitergesprochen. Aber wir haben richtig dafür gesorgt, dass genau das nicht passiert, denn das ist ja wahrscheinlich eine der stolzesten Leistungen der Politik seit 1998, dass wir es geschafft haben, fast alle steuerlichen Förderinstrumente auf Altersversorgung umzustrukturieren: mit der Riester-Rente, der Rürup-Rente, mit der Besserstellung der betrieblichen Altersvorsorge. Und dabei bleibt es.

    Wir haben jetzt eben nicht im Wesentlichen auf Steuersubventionen gesetzt, sondern auf die von uns sehr sorgfältig schon erörterten Möglichkeiten, es einfacher zu machen - einschließlich des Fonds, der da eine ganz gute Möglichkeit ist. Von daher stimmt es nicht. Im Übrigen haben wir ganz klar gesagt: Mitarbeiterbeteiligung ist, wenn es etwas oben drauf gibt. Also nicht Umwandlung von Gehalt, wie meistens bei der betrieblichen Altersvorsorge, bei der Riester-Rente zum Beispiel, sondern wenn der Unternehmer, wenn das Unternehmen sagt, wir wollen jetzt unsere Arbeitnehmer zusätzlich zu dem, was sie sowieso nach Vertrag und Tarifvertrag bekommen, beteiligen, weil: Wir haben ein gutes Ergebnis und die sollen an unserem Unternehmen partizipieren und sollen auch Mitanteilseigner werden. Dann passiert das, und damit ist da gar keine Konkurrenz zwischen den beiden Formen.

    Kaess: Damit wären wir auch beim Thema Rente. Sie lehnen den Vorstoß des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers nach einer Rentenaufstockung für Geringverdiener ab. Warum?

    Scholz: Herr Rüttgers hat wie immer keinen Vorschlag gemacht, sondern nur den Versuch, Aufregung auszulösen und Wellen zu schlagen. Ich kenne seinen Vorschlag nicht.

    Kaess: Sie kennen seinen Vorschlag nicht?

    Scholz: Er wird auch nie einen machen. Er wird ein paar Zeitungsinterviews geben, gucken ob sich alle möglichen Leute aufregen und sich darüber dann freuen. Aber er hat keinen Vorschlag gemacht, und sein Bundesland - er ist ja Ministerpräsident - wird keinen Antrag im Bundesrat stellen. Denn dann müsste er nicht nur sagen, wer Geld kriegen soll, sondern wem er es wegnehmen will. Das hat er vergessen.

    Kaess: Herr Scholz, ich möchte Sie zum Schluss noch etwas anderes fragen. Nach Informationen der "Westdeutschen Zeitung" soll Bundesumweltminister Sigmar Gabriel noch in diesem Jahr Nachfolger von SPD-Fraktionschef Peter Struck werden. Was ist da dran?

    Scholz: Die Zeitungen spekulieren immer hin und her. Ich weiß gar nicht, wo sie ihre Spekulationen her hat.

    Kaess: Das heißt, Peter Struck bleibt definitiv Fraktionsvorsitzender bis 2009?

    Scholz: Ich bin lange Geschäftsführer von Peter Struck gewesen, und deshalb ist es sicherlich gut, dass Sie mich fragen. Aber sein Pressesprecher bin ich nicht. Wenn Sie mit Herrn Struck über Fragen seiner Zukunftsplanung diskutieren wollen, rufen Sie ihn einfach mal an. Aber ansonsten ist es o, dass Peter Struck sich fest vorgenommen hat, bis zum Ende der Legislaturperiode sein Amt auszuüben.

    Kaess: Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Vielen Dank für das Gespräch.